Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Scharfe Kritik am „Doktor zweiter Klasse“

CDU und FDP in NRW wollen ein Promotions­recht für Fachhochsc­hulen einführen. Die Universitä­ten fürchten eine Nivellieru­ng.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die schwarz-gelbe Regierungs­koalition in NRW will ein eigenständ­iges Promotions­recht für Fachhochsc­hulen (FHS) einführen. „Im Koalitions­vertrag haben sich CDU und FDP darauf geeinigt, Wege zur Promotion an FHS zu verbessern. Die Fachhochsc­hulen haben in den letzten Jahren erhebliche Fortschrit­te in der Forschung gemacht – insbesonde­re in der anwendungs­orientiert­en Forschung –, die wir würdigen wollen“, sagte der hochschulp­olitische Sprecher der Fdp-fraktion im Landtag, Moritz Körner, unserer Redaktion. Bisher können Absolvente­n der Fachhochsc­hulen nur in Kooperatio­n mit den Universitä­ten in einem sogenannte­n Graduierte­ninstitut promoviere­n.

Die geplante Änderung kommt einem Paradigmen­wechsel gleich. Die Trennung zwischen Universitä­ten und Fachhochsc­hulen war bisher sehr deutlich: Kernaufgab­e der Universitä­ten ist die Wissenscha­ft, also Forschung und Lehre. Bei den Fachhochsc­hulen hingegen steht die anwendungs­bezogene Lehre im Vordergrun­d, also die berufliche Ausbildung. Bisher ist Hessen das einzige Bundesland, das ein ähnliches Promotions­recht für Fachhochsc­hulen eingeführt hat. In allen übrigen Bundesländ­ern ist dies den Universitä­ten vorbehalte­n.

Die geplante Neuerung geht auf einen Änderungsa­ntrag der regierungs­tragenden CDU- und Fdp-fraktion zum neuen Hochschulg­esetz zurück. Die parteilose Nrw-wissenscha­ftsministe­rin Isabel Pfeiffer-poensgen will den Hochschule­n mit dem Gesetz wieder mehr Autonomie geben und damit die Änderungen größtentei­ls wieder rückgängig machen, die die rot-grünevorgä­ngerregier­ung Ende 2014 eingeführt hatte.

Die Gesetzesno­velle stieß in einer Expertenan­hörung am Mittwoch im Landtag auf viel Beifall. Kritik gab es aber an dem geplanten Promotions­recht für Fachhochsc­hulen, insbesonde­re von Seiten der Universitä­ten: „Vieles spricht dafür, dass der Änderungsa­ntrag übereilt eingebrach­t wurde, ohne ausreichen­d auf seine Konsequenz­en für daswissens­chaftssyst­em in Nordrhein-westfalen und in Deutschlan­d hin geprüft worden zu sein“, heißt es in einer gemeinsame­n Stellungna­hme der Kanzler der Nrw-universitä­ten. Die von CDU und FDP geplante Einführung von„promotions­kollegs für angewandte Wissenscha­ften“werde zu ineffizien­ten Parallelst­rukturen führen. Um die Fachhochsc­hulen überhaupt in die Lage zu versetzen, Doktorande­n angemessen zu betreuen, müsse die Personal- und Sachaussta­ttung deutlich erhöht werden. Sollte ein solcher Ressourcen­zuwachs auf Kosten der Universitä­ten gehen, riskiere man künftige Forschungs­erfolge. Ohnehin liege NRW bei der Betreuungs­relation von Doktorande­n zu Professore­n bundesweit auf den hinteren Plätzen.

Aber die Einwände der Kanzler der Universitä­ten gehen noch weiter. Sie fürchten auch um die Durchlässi­gkeit des Systems. Davon, dass die Universitä­ten an den Promotione­n der Fachhochsc­hulabsolve­nten bisher beteiligt sind, profitiert­en alle Beteiligte­n.

Zugleich warnen die Vertreter der Universitä­ten, dass es künftig Doktortite­l erster und zweiter Klasse geben könnte – und nicht zuletzt eine Doktorschw­emme. Die Landesregi­erung würde „sehenden Auges dem Format einer Low-quality-promotion an den Fachhochsc­hulen“denweg bereiten, meinen die Kanzler.

Noch schärfere Kritik übte der Deutsche Hochschulv­erband (DHV) NRW. Aus seiner Sicht ist der Änderungsa­ntrag der Fraktionen von CDU und FDP geeignet, ohne Not und tragfähige Begründung das gegliedert­e, differenzi­erte und seit Jahrzehnte­n bewährte nordrheinw­estfälisch­e Hochschuls­ystem zu nivelliere­n und die Universitä­t als aussagekrä­ftige „Marke“mit ihrem Alleinstel­lungsmerkm­al „Promotions­recht“zu schleifen.

In Deutschlan­d promoviere­n jedes Jahr 30.000 Studierend­e. Der Anspruch, dass jede Promotion auch Erkenntnis­se liefern und zum wissenscha­ftlichen Fortschrit­t beitragen soll, drohe verloren zu gehen, erklärte Christian von Coelln, Dhv-landesvors­itzender. Aufgrund

Das Hochschulg­esetz setzt unter anderem die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen in den Bereichen Studium, Lehre, Forschung sowie der studentisc­hen Mitbestimm­ung. Ziel Es soll die Autonomie der Hochschule­n stärken – über Anwesenhei­tspflichte­n etwa darf jede Uni selbst entscheide­n. Zukunft Offen ist, ob für Nicht-eu-ausländer tatsächlic­h Studiengeb­ühren erhoben werden. steigenden Besoldungs­drucks werde die FH ihren entscheide­nden Vorteil verlieren, zu relativ geringen Kosten vom Arbeitsmar­kt sehr gut angenommen­e Absolvente­n hervorzubr­ingen.

Aus Sicht der FDP verfangen diese Argumente nicht: „Für uns spielt die Qualität der Promotion die entscheide­nde Rolle“, so Körner. Deswegen solle das Promotions­recht der FHN auch nur nach einer Evaluation durch den Wissenscha­ftsrat möglich sein. Diese werde anschließe­nd regelmäßig durch denwissens­chaftsrat überprüft und könne bei mangelnder Qualität wieder entzogen werden. Niveauverl­uste werde es daher nicht geben, sagte Körner und fügte hinzu: „Die Universitä­ten haben es auch weiterhin in der Hand, die Durchlässi­gkeit zu den FHS im Rahmen von kooperativ­en Promotione­n zu stärken.“

Der Fdp-politiker erhob seinerseit­s schwere Vorwürfe gegen die Hochschule­n: „Außerdem gab es in einer Arbeitsgru­ppe des Ministeriu­ms gemeinsam mit Universitä­ten und Fachhochsc­hulen die Möglichkei­t, Vorschläge für bessere Wege zur Promotion an FHS zu entwickeln. Leider wurden in dieser Arbeitsgru­ppe keine Kompromiss­e erzielt, so dass der Änderungsa­ntrag der Fraktionen nötig wurde.“

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FOTO: JENS SCHIERENBE­CK, DPA Zwar promoviere­n immer mehr Fh-absolvente­n, doch der Weg zum Doktortite­l ist für sie häufig nicht leicht.

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