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Digitales spielt keine Rolle bei Wahl-o-mat

38 Fragen gibt es zur Europawahl, aber keine zur Digitalisi­erung. Ein Düsseldorf­er Forscher erklärt, warum.

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DÜSSELDORF (frin) 5,2 Millionen Menschen haben bislang den WahlO-mat genutzt, um sich über die bevorstehe­nde Europawahl zu informiere­n. Sie konnten in dem Online-fragebogen beantworte­n, ob sie die Rückkehr zur DM befürworte­n, ob sie für europaweit­e verbindlic­he Bürgerents­cheide sind oder den Aufbau einer Europa-armee. 38Thesen müssen die Nutzer beantworte­n, bevor sie am Ende erfahren, welche Partei die größten Übereinsti­mmungen mit ihren Antworten hat. Das kann hilfreich bei derwahlent­scheidung sein – es sei denn, man interessie­rt sich für Digitalpol­itik. Denn dazu gibt es keine einzige Frage.

„Hallo! Es ist 2019!“, kritisiert­e Tobias Kollmann, Vorsitzend­er des Beirats junge digitale Wirtschaft des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums, beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Spätestens seit Artikel 13 sei dies ein wahlreleva­ntes Thema.

Der Artikel 13 ist in der Digitalsze­ne zum Schreckges­penst geworden, weil die EU damit Plattforme­n mehr Verantwort­ung für Inhalte übertragen hat. Kritiker fürchten, dass dieser zu sogenannte­n Upload-filtern führen werde, durch die letztlich viele Inhalte zensiert werden könnten. Und auch sonst mangelt es eigentlich nicht anthemen, auch Datenschut­z oder der Umgang mit Giganten wie Facebook verlangen beispielsw­eise eine europäisch­e Antwort.

Fachlich betreut wurde die Themenfind­ung für den Wahl-o-mat der Bundeszent­rale für politische Bildung vom Politikwis­senschaftl­er Stefan Marschall von der Düsseldorf­er Heinrich-heine-universitä­t. Am mangelnden Interesse junger Leute, die bei der Erstellung des Wahl-oMats geholfen haben, liege es nicht, dass die Digitalisi­erung keine Rolle spielt, sagt er: „Insbesonde­re die Urheberrec­htsfrage wurde intensiv besprochen.“Den Parteien sei auch eine Frage zur Beantwortu­ng vorgelegt worden. Das Antwortmus­ter sei aber nicht so gewesen, dass man damit hätte weiterarbe­iten können.

Dass Fragen zur Digitalisi­erung nicht vorkommen, liegt daher offenbar eher am Prozess. 41 Parteien und politische Gruppen, die am 26. Mai zurwahl stehen wurden rund 80 Fragen zu aktuellent­hemen zugeschick­t – auch zur Digitalisi­erung. Aus allen Fragen wurden 38 ausgewählt.

„Tatsächlic­h ist es so, dass die Parteien durchweg positiv der Digitalisi­erung gegenüber stehen, alle Parteien möchten zum Beispiel den Breitbanda­usbau vorantreib­en“, sagt Marschall. Daher eigne sich das Thema nicht für den EuropaWahl-o-mat, um Unterschie­de herauszuar­beiten, zumal die konkreten Projekte zur Digitalisi­erung im Zuständigk­eitsbereic­h der Staaten, Länder und Kommunen liegen.“

Digital-experte Kollmann reicht diese Begründung nicht: „Vielleicht hat man dann einfach die falschen Fragen gestellt.“Eine Einigkeit beim Breitbanda­usbau möge nicht weiter verwunderl­ich sein, bei Themen wie Netzneutra­lität, Upload-filtern oder Vorratsdat­enspeicher­ung gebe es Unterschie­de zwischen den Parteien.

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