Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Streit um Musikschul­en spitzt sich zu

Bei der städtische­n Musikschul­e stehen 3200 Kinder auf Warteliste­n. CDU und Grüne fordern mehr Räume und Lehrer. Der Oberbürger­meister will dagegen private Anbieter mit Hilfe mietfreier Standorte subvention­ieren.

- VON JÖRG JANSSEN

In die Debatte um fehlende Lehrer und lange Warteliste­n an der städtische­n Clara-schumann-musikschul­e (CSM) kommt Bewegung. Dort stehen aktuell 3200 Kinder auf Warteliste­n. CDU und Fördervere­in mahnen schon länger Verbesseru­ngen an. Rund 5000 Bürger haben eine Petition des CSM-FÖRdervere­ins unterzeich­net, die unter anderem den Verzicht auf Stellenkür­zungen sowie die Neubesetzu­ng vakanter Jobs fordert. Doch viel bewegt hat sich nicht. Dem grünen Partner im regierende­n Ampel-bündnis ist inzwischen der Geduldsfad­en gerissen. Für weiteren Zündstoff könnte ein aktueller Vorschlag von Oberbürger­meister Thomas Geisel sorgen. Die wichtigste­n Fakten im Überblick.

Der Ob-vorschlag

„Wir müssen kreativ sein und neue Konzepte wagen“, sagt Geisel. Er schlägt vor, unter einem kommunalen Dach die Angebote der städtische­n sowie qualitativ gut aufgestell­ter privater Musikschul­en zu bündeln. Den Privaten sollen künftig Räume, beispielsw­eise in städtische­n Schulen, unentgeltl­ich zur Verfügung stehen. „Viele Private bieten eine ausgezeich­nete Qualität, haben aber oft wirtschaft­liche Probleme, weil sie neben den Lehrern auch noch hohe Mieten bezahlen müssen“, sagt der Rathaus-chef. Er findet es nicht gerecht, ausschließ­lich kommunale Angebote stark zu subvention­ieren. Der Kern seiner Idee: Sparen die Privaten teure Mietkosten, können sie den Unterricht günstiger anbieten. „Das für breite Schichten bezahlbare Angebot würde sich vergrößern und zusätzlich auch transparen­ter.“Die Frage, ob es an der CSM bald mehr Lehrer und Räume geben wird, lässt Geisel unterdesse­n offen. „Wir werden das gemeinsam mit dem Nachfolger des bald in Pension gehenden Leiters Peter Haseley entwickeln“, sagt der OB.

Die Kritik

Für Hagen Lippe-weißenfeld, Vorstand beim NRW-LANdesverb­and der kulturpoli­tischen Gesellscha­ft, ist die Idee eines gemeinsame­n Dachs für alle Musikschul­en „ein Ablenkungs­manöver, dass uns nicht weiterbrin­gt“. Geisel schaffe möglicherw­eise einen komplexen Präzedenzf­all. „Das wäre ungefähr so, als ob man einer Privatschu­le Räume in städtische­n Schulen anbieten würde, damit sie ihre Monats- oder Jahresgebü­hren absenken kann“, meint der Düsseldorf­er. Das aber habe nichts mit mehr Transparen­z, sondern eher etwas mit Wettbewerb­sverzerrun­g zu tun. Lippe-weißenfeld hat vier Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren und kennt denwarteli­sten-frust aus eigener Anschauung. Geisels Hinweis auf einen künftigen neuen Leiter hält er für verfehlt. „Die politische Grundentsc­heidung, Stellen nicht zu streichen oder vakante Jobs neu zu besetzen, muss nicht auf ihn warten.“Clara Gerlach, kulturpoli­tische Sprecherin der Grünen, reagiert ebenfalls skeptisch. „Hinge es nur an den Kursgebühr­en, müsste der Anteil der Kinder aus ärmeren Familien an der im Vergleich günstigen CSM schon jetzt deutlich höher sein“, sagt die Ratsfrau. Wer die musikalisc­he Nachwuchsf­örderung ernst nehme, müsse in Kitas und im Offenen Ganztag mehr Engagement zeigen. Und dafür eigne sich eine gut ausgestatt­ete städtische Musikschul­e am besten. Den jüngsten, von der CDU als „Wahlkampfm­anöver“gebrandmar­kten Vorstoß der Grünen kritisiert auch Geisel. Offenbar hätten die Grünen „nicht den Willen und womöglich auch nicht den Mut, die notwendige­n Schlussfol­gerungen zu ziehen und sich für ein innovative­s Konzept zu entscheide­n“.

Die Alternativ­en

Statt wenig zielführen­de Vorschläge zu diskutiere­n, regt Lippe-weißenfeld einen Blick über die Stadtgrenz­e an. So nehme beispielsw­eise Monheim am landesweit­en Programm „Jekits“(„Jedem Kind Instrument­e, Tanzen, Singen“) teil, verleihe Instrument­e an Jungen und Mädchen – im ersten Jahr sogar kostenfrei. „Monheim betreibt damit erfolgreic­he Standort-politik“, sagt der Vater. Viele an musikalisc­her Bildung Interessie­rte schauten inzwischen irritiert auf die Debatte in der Landeshaup­tstadt. „Düsseldorf könnte längst besser dastehen, wenn es im Sinne der Kinder endlich eine gemeinsame überpartei­liche Anstrengun­g gebe“.

 ?? RP-FOTO: A. BRETZ ?? Chorprobe in der Clara-schumann-musikschul­e (v. l.): Hanan Al-husseini, Alena Baumheier, Michelle Alexandrov­skyy, Paula Overhoff, Lavinia Gerstner, Jill Schwingele­r und Emma Binding.
RP-FOTO: A. BRETZ Chorprobe in der Clara-schumann-musikschul­e (v. l.): Hanan Al-husseini, Alena Baumheier, Michelle Alexandrov­skyy, Paula Overhoff, Lavinia Gerstner, Jill Schwingele­r und Emma Binding.

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