Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Streit um Musikschulen spitzt sich zu
Bei der städtischen Musikschule stehen 3200 Kinder auf Wartelisten. CDU und Grüne fordern mehr Räume und Lehrer. Der Oberbürgermeister will dagegen private Anbieter mit Hilfe mietfreier Standorte subventionieren.
In die Debatte um fehlende Lehrer und lange Wartelisten an der städtischen Clara-schumann-musikschule (CSM) kommt Bewegung. Dort stehen aktuell 3200 Kinder auf Wartelisten. CDU und Förderverein mahnen schon länger Verbesserungen an. Rund 5000 Bürger haben eine Petition des CSM-FÖRdervereins unterzeichnet, die unter anderem den Verzicht auf Stellenkürzungen sowie die Neubesetzung vakanter Jobs fordert. Doch viel bewegt hat sich nicht. Dem grünen Partner im regierenden Ampel-bündnis ist inzwischen der Geduldsfaden gerissen. Für weiteren Zündstoff könnte ein aktueller Vorschlag von Oberbürgermeister Thomas Geisel sorgen. Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Der Ob-vorschlag
„Wir müssen kreativ sein und neue Konzepte wagen“, sagt Geisel. Er schlägt vor, unter einem kommunalen Dach die Angebote der städtischen sowie qualitativ gut aufgestellter privater Musikschulen zu bündeln. Den Privaten sollen künftig Räume, beispielsweise in städtischen Schulen, unentgeltlich zur Verfügung stehen. „Viele Private bieten eine ausgezeichnete Qualität, haben aber oft wirtschaftliche Probleme, weil sie neben den Lehrern auch noch hohe Mieten bezahlen müssen“, sagt der Rathaus-chef. Er findet es nicht gerecht, ausschließlich kommunale Angebote stark zu subventionieren. Der Kern seiner Idee: Sparen die Privaten teure Mietkosten, können sie den Unterricht günstiger anbieten. „Das für breite Schichten bezahlbare Angebot würde sich vergrößern und zusätzlich auch transparenter.“Die Frage, ob es an der CSM bald mehr Lehrer und Räume geben wird, lässt Geisel unterdessen offen. „Wir werden das gemeinsam mit dem Nachfolger des bald in Pension gehenden Leiters Peter Haseley entwickeln“, sagt der OB.
Die Kritik
Für Hagen Lippe-weißenfeld, Vorstand beim NRW-LANdesverband der kulturpolitischen Gesellschaft, ist die Idee eines gemeinsamen Dachs für alle Musikschulen „ein Ablenkungsmanöver, dass uns nicht weiterbringt“. Geisel schaffe möglicherweise einen komplexen Präzedenzfall. „Das wäre ungefähr so, als ob man einer Privatschule Räume in städtischen Schulen anbieten würde, damit sie ihre Monats- oder Jahresgebühren absenken kann“, meint der Düsseldorfer. Das aber habe nichts mit mehr Transparenz, sondern eher etwas mit Wettbewerbsverzerrung zu tun. Lippe-weißenfeld hat vier Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren und kennt denwartelisten-frust aus eigener Anschauung. Geisels Hinweis auf einen künftigen neuen Leiter hält er für verfehlt. „Die politische Grundentscheidung, Stellen nicht zu streichen oder vakante Jobs neu zu besetzen, muss nicht auf ihn warten.“Clara Gerlach, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, reagiert ebenfalls skeptisch. „Hinge es nur an den Kursgebühren, müsste der Anteil der Kinder aus ärmeren Familien an der im Vergleich günstigen CSM schon jetzt deutlich höher sein“, sagt die Ratsfrau. Wer die musikalische Nachwuchsförderung ernst nehme, müsse in Kitas und im Offenen Ganztag mehr Engagement zeigen. Und dafür eigne sich eine gut ausgestattete städtische Musikschule am besten. Den jüngsten, von der CDU als „Wahlkampfmanöver“gebrandmarkten Vorstoß der Grünen kritisiert auch Geisel. Offenbar hätten die Grünen „nicht den Willen und womöglich auch nicht den Mut, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen und sich für ein innovatives Konzept zu entscheiden“.
Die Alternativen
Statt wenig zielführende Vorschläge zu diskutieren, regt Lippe-weißenfeld einen Blick über die Stadtgrenze an. So nehme beispielsweise Monheim am landesweiten Programm „Jekits“(„Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“) teil, verleihe Instrumente an Jungen und Mädchen – im ersten Jahr sogar kostenfrei. „Monheim betreibt damit erfolgreiche Standort-politik“, sagt der Vater. Viele an musikalischer Bildung Interessierte schauten inzwischen irritiert auf die Debatte in der Landeshauptstadt. „Düsseldorf könnte längst besser dastehen, wenn es im Sinne der Kinder endlich eine gemeinsame überparteiliche Anstrengung gebe“.