Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Don Giovanni im Konzertsaal
Großartiges Gastspiel der Wiener Staatsoper unter Adam Fischer in der Tonhalle.
Oper ohne Kostüme und Kulisse, ohne Technik und Regie – kann das Spaß machen? Ja, es kann. Zumindest dann, wenn der Rest stimmt. Und dies war nun auf oberstem musikalischen und darstellerischen Niveau gewährleistet bei der konzertanten Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“in der Tonhalle. Die Wiener Staatsoper spielte auf.
Wiener Philharmoniker sowie Chor und Solisten aus dem erlauchten Staatsopern-ensemble gaben sich in Düsseldorf die Ehre. Adam Fischer, nicht nur Chef der hiesigen Symphoniker, sondern auchwiener Ehrendirigent, holte mit finanzieller Hilfe des Tonhallen-freundeskreises die musikalischen Donauwellen an den Rhein und übernahm auch die Stabführung. Hoch waren die Erwartungen an die Ausführenden, und enttäuscht wurden sie in keinem Takt.
Das musikdramatische Ergebnis wog noch mehr als die schon hohe Summe der Bestandteile. Ja, diewiener Philharmoniker erzeugten einen Mozart-klang, der wie Seide rauschte; Fischer als Spezialist für die Wiener Klassik setzte superbe Akzente, und auch schöne Stimmen waren zu hören. Doch als eigentlicher Clou erwies sich das unglaublich vitale Zusammenspiel aller Akteure. Dies war nun wirklich kein einfallsloses Routine-gastspiel zusammengetrommelter Stars, sondern Maßarbeit fürs Konzertpodium.
Es ist ja nicht ganz leicht, die Tonhalle in ein Theater zu verwandeln. Doch die Sänger vollbrachten im Team kleine Szenen-wunder mit einfachen Mitteln: Mimik, Körpersprache, kluge Ausnutzung der sehr begrenzten Platzverhältnisse. Mit diesem Miniatur-arsenal erschufen die Opernsänger geradezu filmreifes Musiktheater. Auch die Instrumentalisten feilten ein bisschen an der Szene mit. Beim ersten Auftritt des steinernen Komturs separierte sich das Posaunen-trio gut sichtbar am Aufgang zum Zweiten Parkett zur unheilvoll klingenden Begleitung der Stimme aus dem Reich der Toten.
Derweil füllte Bassbariton Adam Plachetka die Titelpartie vor allem darstellerisch vollkommen aus – mit vielen Charakternuancen zwischen Charmeur und Sex-teufel. Und auch stimmlich war er der Partie ganz und gar gewachsen. Nur einer konnte Don Giovanni ein bisschen die Schau stehlen: dessen Diener Leporello, erzkomödiantisch verkörpert von dem vokal prächtig ausgestatteten Südkoreaner Jongmin Park. Die Rollen der hilflosen Liebhaber Don Ottavio und Masetto waren ebenfalls bestens besetzt mit dem Tenor Jörg Schneider (üppige Figur, graziles Timbre) und dem Bassisten Peter Kellner, der einen äußerst zornigen Masetto abgab. Etwas blass blieb Dan Paul Dumitrescu als Komtur.
Hohes Niveau auch bei den drei Damen. Mit stimmlichem Thrill: Sopranistin Tara Erraught als Don Giovannis Verflossene Donna Elvira. Schöne Mitten, aber etwas unklare Höhen ließ Irina Lungu als rachsüchtige Donna Anna vernehmen. Und Svetlina Stoyanova sang das anmutige Bauernmädchen Zerlina mit lyrischem Schmelz.
In der leider nicht ganz ausverkauften Tonhalle gab es viel Jubel – und zum Applaus für Maestro Fischer erhoben sich viele Besucher von ihren Plätzen.