Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Wir werden nicht aufhören“
Für den Kampf gegen die Erderwärmung sind in Deutschland und rund um den Globus am Freitag Millionen auf die Straße gegangen.
DÜSSELDORF An den weltweiten Demonstrationen für mehr Klimaschutz haben sich am Freitag in Deutschland laut „Fridays for Future“(FFF) 1,4 Millionen Menschen aller Altersgruppen beteiligt. Die größte Demo fand in Berlin statt. Dort gingen nach Angaben der Veranstalter rund 270.000 Menschen auf die Straße. In Hamburg zählte die Polizei rund 70.000 Teilnehmer, die Veranstalter sprachen von 100.000 Menschen. In Köln waren mehrere Zehntausend Menschen unterwegs, die Veranstalter gingen von 70.000 Teilnehmern aus. In München waren es mehr als 40.000 Demonstranten. Düsseldorf Die Veranstalter sprechen von 20.000 Teilnehmern, die man zur Abschlusskundgebung am Landtag gezählt habe – ursprünglich hatte man nur mit 4000 gerechnet. Der Zug durch Düsseldorf löste zahlreiche Straßensperrungen aus, die Teilnehmer feierten das: „Wir haben uns den Straßenraum zurückgeholt.“Die Stimmung nicht nur unter den Teilnehmern war bestens, auch am Rande des Zuges fanden sich viele Unterstützer, Musikgruppen begleiteten die Klima-demo.
In der Mitte teilte sich der Zug: Ein Teil zog in Richtung Hauptbahnhof – dieser Zugteil stand symbolisch für eine düstere Zukunft, die Teilnehmer waren auffallend still. „Hier beerdigen wir die Zukunft“, sagte einer der Teilnehmer. Partystimmung herrschte hingegen im zweiten Zugteil. Den hatte sich auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel ausgesucht: Mitten auf der Immermannstraße tanzte das Stadtoberhaupt mit den Demonstranten. Beinahe eine halbe Stunde mussten die Autos rechts und links des Zuges warten. Am Graf-adolf-platz vereinigten sich die beiden Zugteile auf dem Weg zum Landtag, wo eine Abschlusskundgebung mit Musik, Poetry Slam und Reden stattfand. Unter den Rednern dieser Kundgebung war auch der Verdi-vorsitzende Frank Bsirske, der den Klimaschützern Mut machte, weiter für ihre Ziele zu kämpfen. Für Lukas Mielczarek aus dem Jugendrat der Stadt Düsseldorf, Mitorganisator der Veranstaltung, war der Freitag ein Erfolg und ein deutlicher Appell an die Stadt sowie die Landes- und Bundespolitik, „endlich zu handeln“. Man müsse die letzte Chance ergreifen, auch in Zukunft ein lebenswertes Leben auf der Erde führen zu können.
++++++++ Köln Hier mobilisierte „Fridays for Future“deutlich mehr als die erwarteten 20.000 Menschen. Längst ist Demonstrieren nicht mehr nur Sache der Schüler: „Hier melden sich die Alt-68er zu Wort – wir machen einfach da weiter, wo wir damals aufgehört haben“, ruft eine Frau. Jüngeren Demonstranten ist ernster zumute. Die 17-jährige Nina hat sich entschlossen, Vegetarierin zu werden. Einen Führerschein will sie auch nicht machen. „Ich will noch beruhigt Kinder in die Welt setzen können. Wenn sich nicht schnell etwas tut, wird das kaum noch möglich sein.“Auch die 14-jährige Emilia und ihre Freundin Lucia hat es zur Demo gezogen, „weil ja in der Politik in Berlin ein wichtiger Tag ist“. Zu Hause haben sich die Mädchen vorgenommen, auf Plastik so weit wie möglich zu verzichten. Und die Verwaltungsangestellte Cornelia Jäger (60) meint, die Politiker könnten den Bürgern ruhig etwas mehr zumuten: „Ich verstehe zum Beispiel nicht, dass es kein Verbot für Papp- und Plastik-kaffeebecher gibt.“Die Atmosphäre ist entspannt. Längst nicht jeder, der mitläuft, hat nur das Klima im Sinn. Es sind Kurden dabei, die gegen den IS protestieren, Flüchtlingshilfe-organisationen oder Trump-gegner. Bennet (21) findet es gut, dass die Bewegung offen ist und sich zugleich weiter ausdifferenziert. Als Student an der Technischen Hochschule engagiert er sich in der Fff-hochschulgruppe. Ihn interessiert vor allem die Energiewende. Vor einer möglichen Unterwanderung durch Linksextreme hat er keine Angst: „Dafür ist die Bewegung schon jetzt zu stark“.
++++++++ Berlin Optimisten sagen, es sei fünf vor zwölf fürs Weltklima – Pessimisten sagen, schon fünf nach zwölf. Wie zum Kompromiss haben sie alle sich am Freitag um Punkt zwölf vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt. Großeltern haben ihren Enkel mitgebracht und recken ein selbst gebasteltes Plakat in die Höhe. Darauf steht: „Rettet die Bienen und das Klima.“Ein paar Meter weiter hält eine Gruppe Plakate des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“. Und überall: Kinder, Jugendliche, ganze Schulklassen. Sie alle sind zum Klimastreik aufgebrochen.
Zur größten deutschen Demo in Berlin kommen nach Angaben von „Fridays for Future“mehr als eine Viertelmillion Menschen. Nur ein kleiner Teil von ihnen kann die Redner vor dem Brandenburger Tor sehen. Die Menschen stehen bis zur Siegessäule. Viele schaffen es nur bis in die Nebenstraßen oder zum angrenzenden Tiergarten. Von der Bühne ruft ihnen „Fridays for Future“-aktivistin Luisa Neubauer zu: „Wir werden nicht aufhören.“Es sei klar, dass die Politik nicht das Nötige tue. Ein Seitenhieb gegen das wenige Meter entfernt um einen Kompromiss ringende Klimakabinett der Bundesregierung. „Sea-watch“-kapitänin Carola Rackete übt Selbstkritik. „Wir Erwachsenen sind Schuld daran, dass die Welt stirbt“, sagt sie. Kabarettist Eckart von Hirschhausen wirft der Politik vor, 30 Jahre geschlafen zu haben: „Wir müssen nicht das Klima retten, wir müssen uns retten.“