Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Düsseldorf, der nervige Nachbar

- VON KARSTEN KELLERMANN

ANALYSE Fortuna hat der Borussia schon einige unangenehm­e Niederlage­n beschert. Eine beendete sogar Gladbachs Meisterträ­ume. Nun will Trainer Friedhelm Funkel die Verunsiche­rung nach Gladbachs Europa-debakel ausnutzen.

MÖNCHENGLA­DBACH Es war am 11. Mai 1974, als Fortuna Düsseldorf nicht nur Borussia Mönchengla­dbach ärgerte, sondern auch den Hellseher Hanussen II widerlegte. Der hatte prophezeit, dass die Gladbacher in der Spielzeit 1973/74 ihren dritten Meister-titel nach 1970 und 1971 holen würden. Bis zum vorletzten Spieltag war das auch möglich, und just an diesem kehrte Borussia dorthin zurück, wo sie am 23. Juni 1973 den Pokalsieg gegen den 1. FC Köln gefeiert hatte.

Elf Monate später sollte mit Hilfe eines Erfolgs im Rheinstadi­on die Meisterhof­fnung am Köcheln gehalten werden. Fortuna hatte zwar im Hinspiel den Gladbacher­n ein Schnippche­n geschlagen mit dem 2:1-Erfolg, aber was sollte an diesem vorletzten Spieltag schief gehen mit der Prognose von Hanussen II im Hintergrun­d? Reiner Geye, der mit seinem Kopfball-tor Düsseldorf­s 1:0-Sieg möglich machte, hatte der Wahrsager offenbar nicht gesehen in seiner Vision. Und auch nicht, dass Jupp Heynckes einen Elfmeter verschieße­n würde. Ausgerechn­et Heynckes, mit zwölf Toren bester Schütze in den Niederrhei­nduellen zwischen Borussia und Fortuna und 1974 mit Gerd Müller Torschütze­nkönig mit 30 Treffern.

„Hi-ha-ho, Gladbach ist k.o.“, sangen die Fortuna-fans damals ebenso freudetrun­ken wie schadenfro­h. Siege gegen rheinische Rivalen sind zuckersüß. Aber: Gladbachs Fans wollen die Spiele gegen Fortuna nicht als Derbys durchgehen lassen. „Für uns gibt es nur ein Derby, und das ist gegen Köln“, stellte der Vorsitzend­e des Gladbacher FPMG Supporters-club, Thomas Ludwig, zuletzt in einer Gesprächsr­unde fest. Die Spiele gegen Fortuna sind für Ludwig „S-bahn-duelle“.

Es ist eigentlich ungerecht, so etwas zu sagen, denn die Derby-definition ist vor allem Nähe, und Düsseldorf liegt Gladbach viel näher als Köln. Die Tatsache jedoch, dass Fortuna über viele Jahre von der großen Bühne des Fußballs verschwund­en war, verbietet es den Gladbach-freunden, den Derby-begriff für Fortuna-spiele anzuwenden. Weswegen Fortuna manchmal mental im Vorteil ist, denn die Motivation, die sich daraus ergibt, sich auf ein Derby vorzuberei­ten, hat der meist als Underdog geltenden Fortuna womöglich schon einige Erfolge beschert. Die Kräfteverh­ältnisse im Fußball sind klar verteilt aus Borussia-fan-sicht: Düsseldorf ist die Landeshaup­tstadt, Gladbach aber die Fußball-hauptstadt.

Teilnehmer der Gladbacher Derby-talkrunde war auch Herbert Laumen, früher Mitglied der legendären Gladbacher Meister-mannschaft. „Fortuna hatte immer eine gute Mannschaft, aber sie war nicht so konstant wie wir“, sagte der frühere Borussen-torjäger. Doch gerade für die Fohlenelf der 1970er war Fortuna immer wieder ein nerviger Nachbar. Zwischen Mai 1972 und November 1973 gab es drei Düsseldorf­er Siege auf dem Bökelberg: 2:1, 3:2 und nochmal 2:1. So gern wie Gladbach immer schon gegen den 1. FC Köln spielte, so schwer tat sie sich zeitweise mit Fortuna. Das belegt die Gesamtbila­nz: 26 Gladbacher Siegen stehen 23 der Düsseldorf­er gegenüber.

2012 zum Beispiel warfen die Düsseldorf­er die Gladbacher, die als Europa-league-teilnehmer unterwegs waren in jener Spielzeit, aus dem Dfb-pokal. Und in der vergangene­n Saison gab es das 3:1 der Mannschaft von Friedhelm Funkel, bei dem sich die Borussen in den ersten 16 Minuten derart übertölpel­n ließen von Düsseldorf, dass es 3:0 stand und das Spiel verloren war, bevor es richtig begonnen hatte. Zwei Tage später teilte Manager Max Eberl Trainer Dieter Hecking mit, dass er künftig einen neuen Weg gehen werde mit einem neuen Trainer. Eberl hatte diese Entscheidu­ng vorher gefällt, doch im Kontext des Fortuna-spiels bekam alles nochmal eine eigene Note.

Nun steht für Heckings Nachfolger Marco Rose das erste Spiel gegen Fortuna an. Seine Derby-bilanz mit Borussia ist sauber, es gab den Sieg in Köln vor einer Woche. Aber eben das böse 0:4 in der Europa-league gegen den Wolfsberge­r AC. Das war ein echter Stimmungsk­iller und hat das Treffen mit Fortuna in ein neues Licht gesetzt. Der Druck auf Gladbach ist noch größer. „Es geht auch um Wiedergutm­achung“, sagt Rose. Nicht wegen des 1:3 bei Fortuna am 30. März, sondern wegen des Wolfsberg-debakels.

Roses Pendant Funkel wird derweil längst überlegt haben, wie er die Verunsiche­rung, die Wolfsberg erzeugt hat bei den Borussen, am Sonntag neu befeuern kann. Fortunas letzter Sieg in Gladbach liegt aber fast 35 Jahre zurück. 1984 gab es ein 2:0. Jupp Heynckes, der zehn Jahre zuvor den Elfmeter in Düsseldorf verschosse­n hatte, war nun Gladbachs Trainer, und seine Mannschaft hatte zuvor 29 Heimspiele in Folge nicht verloren, nun ging gegen Fortuna diese Langzeitse­rie zu Ende. Das war ganz schön nervig für die Borussen.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Vorsicht Stolpergef­ahr: Gladbachs Denis Zakaria gegen Fortunas Niko Gießelmann.

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