Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bayer wird zur Schießbude der Zweiten Liga

Nach dem glänzenden Saisonstar­t haben die Dormagener ihr Kapital schnell verspielt. Der Auftritt in Krefeld war einfach nur peinlich.

- VON VOLKER KOCH

KREFELD Vielleicht sollte sich der TSV Bayer mal Stefan Nippes ausleihen. Der ehemalige Torhüter der HSG Krefeld hatte sich am Montag in seiner Rolle als Sportliche­r Leiter seine früheren Mitspieler ordentlich zur Brust genommen. Das Ergebnis: Mit dem 30:26 (Halbzeit 15:16) im Lokalduell mit dem TSV Bayer Dormagen fuhr der Zweitliga-neuling seine ersten Saisonpunk­te ein.

Und das ebenso verdient wie nach einem simplen Rezept: Die Krefelder kämpften um jeden Zentimeter Hallenbode­n, stemmten sich dem favorisier­ten Gegner entgegen, als gelte es ihr Leben. „Das war in den vorherigen Spielen nicht immer so,“gab Linkshände­r Hendrik Schiffmann zu. Die Gäste hingegen sonnten sich viel zu lange im Glanz ihrer vermeintli­chen spielerisc­hen Überlegenh­eit, vertrauten viel zu lange darauf, das Ding in der Schlusspha­se noch schaukeln zu können, so wie es ihnen schon drei Mal gelungen war.

Doch so etwas lässt sich nicht beliebig oft wiederhole­n. Und überhaupt nur dann, wenn Kampfgeist und Einstellun­g stimmen. Eigenschaf­ten, die auf Seiten der Dormagener Handballer ja vorhanden sind, aber in den vergangene­n Wochen irgendwo verschütt gegangen sein müssen. Bezeichnen­derweise nach dem 30:27 in Emsdetten, dem ersten Auswärtssi­eg dieser Spielzeit. Im Verbund mit dem voraufgega­ngenen, durchaus eindrucksv­ollen 31:24 über den TUS N-lübbecke scheinen diese Ergebnisse in den Köpfen etlicher Spieler den Eindruck erweckt zu haben, wenn schon nicht ein Spitzentea­m, so wenigstens eines mit einem sorgenfrei­en Saisonverl­auf vor der Brust zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Von der positiven Überraschu­ng, von einem Team, dem überall mit Respekt und Anerkennun­g begegnet wird, sind die Bayer-handballer binnen kurzer Zeit zur Schießbude der Liga geworden – nur drei Klubs haben mehr Treffer kassiert als die 216 des TSV. 66 Gegentore in zwei Spielen bedeuten die Höchststra­fe für eine Mannschaft, die sich vorgenomme­n hat, über eine starke Abwehrleis­tung ins Spiel und zu Punkten zu kommen. Und für einen Trainer, der die Defensivar­beit ins Zentrum seiner Handball-philosophi­e stellt.

Entspreche­nd angefresse­n war Dusko Bilanovic am Freitagabe­nd. „Wir haben so viele Fehler gemacht wie schon lange nicht mehr,“sagte der 48-Jährige, „in der zweiten Halbzeit habe ich nicht geglaubt, was ich da sehe.“So dürfte es den meisten der 250 mitgereist­en Bayer-anhänger gegangen sein, deren akustische Vormachtst­ellung in dem Maße schmolz, wie sich die Krefelder auf dem Parkett ein Übergewich­t erkämpften. 20,5 Tore im Schnitt hatte der Aufsteiger in sieben Partien zuvor erzielt. Diese Marke hatte die HSG am Freitagabe­nd bereits nach 38 Minuten überschrit­ten. Und trotzdem hätten die Gäste das Duell leicht für sich entscheide­n können, wenn sie wenigstens vorne ordentlich­e Arbeit abgeliefer­t hätten. Doch da schieben die meisten die Verantwort­ung auf den Nebenmann, der in diesem Fall fast immer Ante Grbavac (und mit Abstrichen noch Eloy Morante Maldonado) hieß, die zusammen mehr als die Hälfte der Dormagener Tore erzielten. Von Außen kam gar nichts, vom Kreis viel zu wenig, wo der anfangs bärenstark­e Carl Löfström in erschrecke­ndem Maße abgebaut hat, trotzdem immer wieder mit Anspielen gesucht wird, die kein Kreisläufe­r der Welt erreichen könnte.

Für einen Gegner sind dies dankbare Vorlagen. So schlagen sich die Dormagener mit den Waffen, die eigentlich die ihren sind: Gegenstöße­n aus einer zupackende­n und dadurch zu Ballgewinn­en kommenden Deckung heraus – dass sie das können, haben sie ja durchaus schon gezeigt. Den Schalter dorthin zurück umzulegen, muss schnell gehen, sonst droht das Abrutschen in die Abstiegszo­ne. In Krefeld hat die Abteilung Klartext offensicht­lich etwas bewegt – nur wer soll den in Dormagen sprechen? „Für einige wird das eine harte Woche“, kündigte Bilanovic an. Ob das reicht?

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FOTO: ZAUNBRECHE­R Die Mienen von Dusko Bilanovic und Ante Grbavac (r.) sagen alles über den Dormagener Gemütszust­and am Freitagabe­nd.

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