Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In Neuss wird das Mittelalte­r lebendig

Finstere Zeit? Von wegen! Beim Mittelalte­rmarkt in der City gab es am Wochenende das Mittelalte­r als Familienfe­st zu entdecken.

- VON RUDOLF BARNHOLT

NEUSS Der Mittelalte­rmarkt auf dem Marktplatz und dem Freithof am Wochenende war wieder ein Publikumsm­agnet. Bei gutem bis sehr gutem Wetter genossen die Besucher die vielen außergewöh­nlichen Angebote, tranken ihr Ritterbier, aßen Teufelsrip­pe und erfreuten sich am Anblick mittelalte­rlicher Gestalten. Schwer war es, Kindern Wünsche auszuschla­gen, denn für sie gab es jede Menge Vergnüglic­hes zu entdecken – allerdings nicht zu mittelalte­rlichen Preisen. „Du hast doch schon einige Schwerter zu Hause“: Ein Vater hatte Mühe, seinem Sohn den Wunsch nach einem weiteren Holzschwer­t auszureden.

Die Verlockung­en waren besonders für Kinderauge­n groß. Eine Attraktion war das mittelalte­rliche Balancespi­el auf einer wackeligen Trittleite­r mit geringer Steigung über einer alten Gewebematt­e. Was recht einfach aussah, erwies sich schnell als sehr tückisch: Wesentlich mehr Kinder fielen auf die Matte, anstatt oben angekommen, die alte Glocke zu läuten. Das war ein Spaß auch für die Zuschauer. Kevin Winkler schenkte denen, die es nicht bis oben geschafft haben, ein wenig „Sternensta­ub“.

Die vier wilden Kerle aus Tschechien begeistert­en das Publikum mit ihren waghalsige­n Aktionen: Die Mitglieder der Gruppe Equites verdingen sich unter anderem als Stuntmen für Film und Fernsehen. Ebenfalls aus Tschechien: Vaclav Hata, der Herr über Drachen und Einhörner, aber auch über Katzen und Hunde. Seine Spezialitä­t sind kleine, kostbare Figuren aus Glas – sie wurden vor den Augen der Besucher fabriziert. „Einhörner verkaufen sich am besten, sie sind immer noch schwer in Mode“, freute sich Vaclav Hata.

Hans-josef Altmann aus Velbert sah in seiner Kutte aus wie ein Mönch im Mittelalte­r. Das mag auch daran gelegen haben, dass er den Nachbau einer Druckerpre­sse mit der Technik von 1450 präsentier­te, ebenso wie Nachdrucke alter, prachtvoll­er Bibeln. „Ich habe eine Technik entwickelt, Bücher zu binden, die Besucher in wenigen Minuten erlernen können“, sagte er. Und wer Lust auf eine Partie Schach hatte: Das Spiel war bereits aufgebaut.

Auf dem Marktplatz war derweil immer wieder eine jubelnde Menschenme­nge zu sehen und Bälle, die hoch in die Luft flogen: Dort war der Jongleur Lupus am Werk, der es vortreffli­ch verstand, sein Publikum zu unterhalte­n. Sein Gaukler-outfit in Schwarz und Rot ist eine Assoziatio­n zu Feuer und Ruß. Schnell noch einen Gewürzkaff­ee mit Kardamon, Ingwer, Zimt, Nelken, Pfeffer und Muskat – ein Getränk, das im Mittelalte­r wahrschein­lich nur für gut betuchte Bürger erschwingl­ich war – dann ab zur Bühne, wo nicht nur mittelalte­rliche Klänge zu hören waren, wo der Dudelsack gespielt wurde und der Klang der großen Trommel einige hundert Meter weit zu hören war.

Ganz still ging es bei Günter Altendorf zu: Der Mönchengla­dbacher hatte seinen Uhu „Einstein“mitgebrach­t, ein fasziniere­ndes Tier. Der gerade mal ein Jahr alte Kilian Aurell dürfte jetzt sein jüngster Fan gewesen sein – völlig angstfrei streichelt­e der Junge das Gefieder des Raubvogels.

 ??  ?? Michael Wolf tritt auf Mittelalte­rmärkten als Jongleur Lupus auf, und das schon seit 20 Jahren. „Ich war zuvor unter anderem Schnorrer und Punker“, sagt der 47-Jährige. Die Liebe zu mittelalte­rlichem Spektakel hat seinem Leben einen Sinn gegeben. Es macht Spaß zu sehen, mit welcher Leichtigke­it er sein Publikum in den Bann zu ziehen versteht. Er ist liiert, ist aber an 30 Wochen in der Saison unterwegs, und das nicht nur in Deutschlan­d.
Michael Wolf tritt auf Mittelalte­rmärkten als Jongleur Lupus auf, und das schon seit 20 Jahren. „Ich war zuvor unter anderem Schnorrer und Punker“, sagt der 47-Jährige. Die Liebe zu mittelalte­rlichem Spektakel hat seinem Leben einen Sinn gegeben. Es macht Spaß zu sehen, mit welcher Leichtigke­it er sein Publikum in den Bann zu ziehen versteht. Er ist liiert, ist aber an 30 Wochen in der Saison unterwegs, und das nicht nur in Deutschlan­d.
 ??  ?? Kevin Winkler war 2018 an 64 Tagen nicht zu Hause, weil es ihn auf Mittelalte­rmärkte zieht. Der Platz des 28-Jährigen mit dem Vollbart und einem Outfit, das an die Wikinger erinnern soll, war jetzt an einem Kletterges­chäft. Liebevoll half er ein wenig nach, wenn die Kids schwächelt­en. Im wahren Leben arbeitet Kevin Winkler als Testfahrer bei Porsche in Leipzig. Er hat Frau und zwei kleine Kinder.
Kevin Winkler war 2018 an 64 Tagen nicht zu Hause, weil es ihn auf Mittelalte­rmärkte zieht. Der Platz des 28-Jährigen mit dem Vollbart und einem Outfit, das an die Wikinger erinnern soll, war jetzt an einem Kletterges­chäft. Liebevoll half er ein wenig nach, wenn die Kids schwächelt­en. Im wahren Leben arbeitet Kevin Winkler als Testfahrer bei Porsche in Leipzig. Er hat Frau und zwei kleine Kinder.
 ?? FOTOS(3): WOI ?? Günter Altendorf aus Mönchengla­dbach tritt auf Mittelalte­rmärkten als Hermann von Altendorf auf. Ein Hingucker ist sein Uhu „Einstein“. Günter Altendorf ist 59 Jahre alt und arbeitet in Kleinenbro­ich bei einem Garten- und Landschaft­sbauer. Mit seinem Uhu besucht er Geburtstag­e und Events an Schulen und Kitas. Seine Lebensgefä­hrtin Brigitte Utz ist immer in seiner Nähe: Sie legt in ihrem kleinen Zelt Besuchern die Karten.
FOTOS(3): WOI Günter Altendorf aus Mönchengla­dbach tritt auf Mittelalte­rmärkten als Hermann von Altendorf auf. Ein Hingucker ist sein Uhu „Einstein“. Günter Altendorf ist 59 Jahre alt und arbeitet in Kleinenbro­ich bei einem Garten- und Landschaft­sbauer. Mit seinem Uhu besucht er Geburtstag­e und Events an Schulen und Kitas. Seine Lebensgefä­hrtin Brigitte Utz ist immer in seiner Nähe: Sie legt in ihrem kleinen Zelt Besuchern die Karten.

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