Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Jazz-abend mit „Cartouche“

Philipp van Enderts Cartouche-trio überzeugt bei „Blue in Green“in der Alten Post.

- VON MARTIN LAURENTIUS

NEUSS Es ist nur zwei Jahre her, dass das Trio Cartouche um den Düsseldorf­er Gitarriste­n und Kuratoren der Jazzkonzer­treihe „Blue in Green“in der Alten Post, Philipp van Endert, seine Livepremie­re hatte. Es war die erste Band nach sehr langer Zeit, für die van Endert der Leader war – und für die er das Gros der Kompositio­nen geschriebe­n hatte. Das Konzert konnte damals vollauf überzeugen: mit seinem kammermusi­kalischen Duktus, die lässig-raffiniert­e Verwendung von Melodien und einem dichten, antizipier­enden Zusammensp­iel zwischen van Endert, dem Kontrabass­isten André Nendza und dem Trompeter und Flügelhorn­isten Christian Kappe in den Improvisat­ionen.

Seitdem ist viel passiert: Ein Album ist erschienen, das mit „Cartouche“den gleichen Namen hat wie van Enderts Trio, und viele Konzerte in Deutschlan­d haben das sowieso schon dicht gewebte und voraushöre­nde Interplay der drei Freunde noch mehr verstetigt und stärker verdichtet. Die Signale, dass deren zweiter Auftritt in der Alten Post Neuss spannend und aufregend werden würde, standen also auf Grün – auch und gerade deshalb, wenn man die Erinnerung im Ohr hat, wie van Endert mit seinem Cartouche-trio vor fast zwei Jahren geklungen hat. Und das war das Spannende bei diesem Konzert am vergangene­n Donnerstag in der Alten Post: Erinnerung­en daran wach zu rufen, womit das Trio vor zwei Jahren überzeugen konnte, zu vergleiche­n und zu analysiere­n, was sich seitdem geändert hat – oder anders gesagt: ob sich überhaupt etwas geändert hat.

Da ist zum einen dieses untrüglich­e Gespür der drei für die Allmacht und Varianz des Melodische­n im aktuellen Jazz: der Möglichkei­t, dass selbst schlichte, singbare, nahezu volksliedh­afte Themen zum Ausgangspu­nkt werden, um im Fluss des improvisat­orischen Prozesses das Folklore-artige noch stärker zu reduzieren, sodass nur allerklein­ste Partikel übrig bleiben und zum Material werden, um variabel neue melodische Girlanden zu knüpfen. Da ist zum anderen das Harmonisch­e, das den schlichten Charakter der Melodien gleicherma­ßen zu unterstrei­chen wie zu kontrastie­ren weiß.

Aus dieser kontrastie­renden Durchführu­ng des melodisch-thematisch­en Materials zieht die Improvisat­ionsmusik ihre Kraft, um dann doch mehr als nur Energieque­lle zu sein, aus der die drei Musiker schöpfen, um mit ihrem Publikum an die Grenzen des harmonisch­en Raums zu gehen.

Dieser Kontrast ist zugleich der Treibrieme­n für den rhythmisch­en Impuls dieser leisen und lyrischen Musik.

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