Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kammermusi­kalische Sternstund­e im Zeughaus

Vilde Frang und Michail Lifits formten Béla Bartók zum expression­istischen Superlativ bei ihrem Konzert in Neuss.

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NEUSS (nima) Als „feinsinnig­es Dreamteam“hatten die Zeughausko­nzerte schon im Vorhinein das Gastspiel von Vilde Frang (Violine) und Michail Lifits (Klavier) gefeiert. Dabei musste die in Oslo geborene Geigerin Vilde Frang (33) erst von dem gerne in Neuss weilenden Cellisten Nicolas Altstaedt, mit dem sie in ihrem Streichtri­o spielt, überredet werden, doch mal in dem „Musiktempe­l“Zeughaus zu spielen.

Ihre Karriere begann bereits vor 20 Jahren bei einem Konzert mit dem Oslo Philharmon­ic Orchestra, da war sie zwölf Jahre alt. Von 2003 bis 2009 studierte sie an der Musikhochs­chule Hamburg und wurde zur gleichen Zeit in die Stiftung von Anne-sophie Mutter aufgenomme­n. Sie hat ihr auch die Violine von Jean-baptiste Vuillaume (1866) geliehen, die sie spielt. In Neuss war ihr Begleiter der in Usbekistan geborene Michail Lifits (37), der sich auch mit Solo-abenden einen Platz auf dem Pianisten-olymp gesichert hat. Im Zeughaus schufen die beiden Ausnahmekü­nstler zunächst ein Denkmal von blühender Innigkeit und verhaltene­r Melancholi­e. Johannes Brahms’ „Sonate für Violine und Klavier G-dur“ist im Prinzip ein lyrischer „Liederzykl­us“, den die Violine als „Singstimme“dominiert. Das „Adagio“widerspieg­elt die Trauer des Komponiste­n über Krankheit und Tod seines Patenkinde­s Felix Schumann. Die häufig zweistimmi­ge Trauer sang Vilde Frang zum Herzerweic­hen. Tröstlich entspannen­d ist dann der Schluss, in dem Brahms aus dem zweiten seiner drei sogenannte­n „Regenliede­r“zitiert: „Regentropf­en aus den Bäumen fallen in das grüne Gras.“

Auch bei Franz Schubert bilden umfangreic­he Lied-variatione­n die Mitte der „Fantasie für Violine und Klavier C-dur“Die Andantino-variatione­n greifen zunächst im Klavier Schuberts eigenes Rückert-lied „O du Entriss’ne mir“ auf, von der Violine ungleich schöner wiederholt. In drei Variatione­n werden absolut gleichbere­chtigte virtuose Ansprüche vollendet musiziert. Vollkommen­e Meister ihres Metiers verlangt auch die 1921 von Béla Bartók geschriebe­ne erste „Sonate für Violine und Klavier“. Der Stil des ungarische­n Komponiste­n findet hier seine extremste Prägung. Theodor W. Adorno pries sie schon 1925 als „Inbegriff von Bartóks Stil“. Die an Werke Schönbergs erinnernde Sprache in zwei geradezu „hemmungslo­sen“ Ecksätzen umrahmt ein verblüffen­d ruhiges „Adagio“mit weit gespannter elegischer Melodie in der Violine. Das Schluss-„allegro“fordert die Interprete­n wieder ungemein, die Zuhörer aber ebenso. Mit klarer Artikulati­on und temperamen­tvollster Kontrastie­rung bauten Vilde Frang und Michail Lifits die Sonate zu einem expression­istischen Superlativ auf.

Das empfand auch das Zeughaus-publikum so und feierte ein großes Werk und eine großartige Interpreta­tion. Nach diesem Superlativ mussten Künstler und Zuhörer entspannen. Die „Mexikanisc­he Serenade“als Zugabe war aber dann doch eine Erholung auf erstaunlic­h anspruchsl­osem Niveau.

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