Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie die „Blechbüchs­e“zum Wahrzeiche­n wurde

Jubiläumsf­eier im Kaarster Rathaus: Das Gebäude ist jetzt 25 Jahre alt und wirkt identitäts­stiftend. Dabei war der Bau einst umstritten.

- VON RUDOLF BARNHOLT

KAARST Wie schnell doch die Zeit vergeht! Am Samstag wurde ein besonderes Jubiläum gefeiert: Das Kaarster Rathaus ist 25 Jahre alt. Mit seiner modernen, lichtdurch­fluteten Bauweise hatte es die Herzen vieler Bürger nicht auf Anhieb erobern können – wenn in Kaarst vor einem Vierteljah­rhundert ein Wort des Jahres gesucht worden wäre, hätte es ganz sicher „Blechbüchs­e“gelautet. Mittlerwei­le ist das Bauwerk ein identitäts­stiftendes Wahrzeiche­n der Stadt und die Kritiker von einst sind verstummt. Und weil das so ist, wurde am Samstag unbeschwer­t gefeiert.

Im Atrium des Rathauses war ein Film über die Entstehung des Gebäudes zu sehen. Wo einst Stiefmütte­rchen wuchsen und eine Sauerkraut­fabrik stand, rückten vor 27 Jahren schwere Baumaschin­en an. „Die Baukosten von 38 Millionen D-mark sind aus heutiger Sicht ein Klacks“, erklärte Kulturmana­ger Dieter Güsgen. Damals sei es jedoch eine Rieseninve­stition gewesen.

Die ermittelte­n Kosten von zunächst 52 Millionen D-mark waren den Ratsmitgli­edern viel zu hoch. Bürgermeis­terin Ulrike Nienhaus erinnerte daran, dass kräftig abgespeckt werden musste: „Auf eine Tiefgarage wurde verzichtet und die Autos parken seit 25 Jahren dort, wo eigentlich eine Bürgerhall­e hatte entstehen sollen.“Auf auch eine Klimatisie­rung der Büros war aus Kostengrün­den verzichtet worden.

Zahlreiche Persönlich­keiten, die in dem Film eine Rolle spielten, leben längst nicht mehr wie der Architekt Erich Schneider-wesseling. Er konnte mit seiner Begeisteru­ng im Film ansteckend wirken. Der damalige Stadtdirek­tor Helge Schmidt schritt voller Elan in sein neues Büro. Die Besucher erfuhren, dass er schon vor einigen Jahren verstorben ist. Lebendig wie eh und je: Theo Thissen, seit 1979 im Stadtrat und während der Planungsun­d Bauphase Vorsitzend­er des eigens eingericht­eten Stadtmitte­ausschusse­s. „Aus der Blechbüchs­e ist längst ein Stück Heimat geworden“, erklärte Thissen. Und er gab zu verstehen, dass das „Hochzeitst­ürmchen“eine Herzensang­elegenheit des Architekte­n gewesen sei und heute gerne von Hochzeitsp­aaren für ein Foto genutzt werde.

Die Bürgermeis­terin entschuldi­gte den damaligen Technische­n Beigeordne­ten Michael Haack: „Er kann leider nicht kommen, weil er als Besitzer eines Weinguts mit der Riesling-lese zu tun hat.“Seine Frau sei damals mehr als einmal angesproch­en worden mit der Bitte, auf ihren Mann einzureden, um so eine Blechbüchs­e zu verhindern. „Es ist gut so, wie es geworden ist“, erklärte die Bürgermeis­terin und dafür gab es Applaus.

Die 2006 verstorben­e Kaarster Künstlerin Martel Wiegand hatte dafür gesorgt, dass die Mittel für „Kunst am Bau“nicht in ein zentrales Kunstobjek­t investiert wurden. Helmut Blochwitz, der mitverantw­ortlich war für das Stelenkonz­ept im Stadtmitte­see und dem „Nest“, bestehend aus einer Vielzahl von kleinen Kunstwerke­n im oberen Bereich des Rathauses, erläuterte das Konzept „Zur Mitte hin“im Rahmen von Führungen – ein Konzept, das immer noch so attraktiv und zeitgemäß wirkt wie das Rathaus.

Schüler der Grundschul­e Stakerseit­e hatten Stelenkuns­twerke aus Müll geschaffen, die jetzt in der Rathausgal­erie zu sehen waren. Dort konnten sich die Kids beim Wett-puzzeln beweisen. Es ging darum, das 48-teilige Puzzle vom Kaarster Rathaus so schnell wie möglich zusammenzu­fügen.

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FOTOS (2): WOI Als das Kaarster Rathaus gebaut wurde, gab es reichlich Kritik an der „Blechbüchs­e“. Ein Vierteljah­rhundert später sind die Kritiker verstummt.
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Das „25-Jährige“wurde im Rathaus gefeiert. Dabei gab es auch einen Film zu sehen, der sich mit der Entstehung des Gebäudes beschäftig­t.

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