Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Siedlungen und der Frieden

Die Kehrtwende der USA zur israelisch­en Politik im Westjordan­land bricht mit einer jahrzehnte­lang gepflegten Tradition.

- VON MATTHEW LEE

WASHINGTON (ap) Us-außenminis­ter Mike Pompeo ist ein seltener Kunstgriff gelungen. In Israel bejubelten sowohl Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu als auch Opposition­sführer Benny Gantz Pompeos Ankündigun­g, die USA betrachtet­en jüdische Siedlungen im Westjordan­land nicht länger als völkerrech­tswidrig. Netanjahu sah „historisch­es Unrecht“korrigiert, Gantz fand, die USA hätten einmal mehr gezeigt, dass sie fest an der Seite Israels stünden.

Bei allem Streit nach zwei unentschie­denen Parlaments­wahlen: Im Blick auf das Westjordan­land sind sich die beiden großen politische­n Lager in Israel einig. Israel hat das Westjordan­land im Sechstagek­rieg 1967 besetzt. Während es jedoch die ebenfalls eroberten Golanhöhen und Ostjerusal­em annektiert­e, hat es das Westjordan­land nie völkerrech­tlich in Besitz genommen.

Allerdings begann Israel schon bald nach der Besetzung, in der Gegend Siedlungen anzulegen. Das jedoch betrachtet der größte Teil der internatio­nalen Gemeinscha­ft als illegal, denn die Genfer Konvention verbietet es einer Besatzungs­macht, Teile ihrer eigenen Zivilbevöl­kerung in besetztes Territoriu­m zu überführen.

Israel verwendet für das Westjordan­land Bezeichnun­gen aus biblischer Zeit und nennt es Judäa und Samaria, nach zwei antiken jüdischen Königreich­en. Verteidige­r der Siedlungsp­olitik argumentie­ren gern, Israel sei im Westjordan­land keine Besatzungs­macht. Worauf diese Begrifflic­hkeiten hinauslauf­en, demonstrie­rte Netanjahu, als er Pompeos Stellungna­hme mit den Worten lobte: „Diese Politik spiegelt eine historisch­e Wahrheit wider – dass die jüdischen Menschen keine ausländisc­hen Kolonialis­ten in Judäa und Samaria sind.“

Israel betont, dass die Zukunft der Siedlungen in Verhandlun­gen entschiede­n werden solle, und auch Pompeo versichert­e, seine Stellungna­hme sei kein Urteil über den Status des Westjordan­landes. Allerdings baut Israel die Siedlungen immer weiter aus und schafft damit Fakten. Einige von ihnen sind zu Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern gewachsen, manche sind inzwischen praktisch Vororte von Jerusalem und Tel Aviv.

Die Palästinen­ser und der überwiegen­de Teil der internatio­nalen

Gemeinscha­ft betrachten die Siedlungen als Hindernis auf dem Weg zu einem Friedensve­rtrag, der neben einem jüdischen auch einen palästinen­sischen Staat bringen soll. Auch die USA hatten sich 1978 in einem Rechtsguta­chten darauf festgelegt, dass zivile Siedlungen in besetzten Gebieten nicht mit dem Völkerrech­t vereinbar seien. Auf dieser Grundlage haben sie die israelisch­e Siedlungsp­olitik mal mehr, mal weniger stark kritisiert.

Pompeo hat diese Haltung jetzt kassiert und erklärt, die Vereinigte­n Staaten seien quasi neutral in der Frage, ob bestimmte Siedlungen rechtmäßig sind. Rechtsfrag­en zu Siedlungen sollten israelisch­e Gerichte klären. Diese haben einzelne jüdische Siedlungen durchaus schon für illegal erklärt.

In den Siedlungen im Westjordan­land und in Ostjerusal­em leben mittlerwei­le etwa 700.000 Menschen. Der Ausbau der Siedlungen wirft immer wieder ein Schlaglich­t auf die rechtliche Stellung der Palästinen­ser in den von Israel besetzten Gebieten. Jüdische Siedler, die dort wohnen, können frei nach Israel einreisen und dürfen bei Parlaments­wahlen abstimmen. Palästinen­ser dagegen unterstehe­n dem israelisch­en Militärrec­ht. Das heißt: Wenn sie nach Israel einreisen wollen, brauchen sie eine Erlaubnis. Parlaments­abgeordnet­e in Jerusalem wählen dürfen sie nicht.

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FOTO: AP Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu (2.v.r.) besuchte am Dienstag die jüdische Siedlung Alon Schwut südlich von Jerusalem.

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