Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Filmhuhn Sieglinde ein Fall fürs Gericht
Der Tod eines Huhns beschäftigt das Landgericht Kleve. Denn Sieglinde war nicht irgendein Huhn, sondern spielte in Filmen und Fernsehserien mit. Die Besitzerin aus Weeze verlangt 4000 Euro Schadenersatz.
KLEVE/WEEZE Von Anfang an wusste Ute Milosevic, dass Sieglinde ein besonderes Huhn war. Wenn jemand auf das Tier zuging, lief es nicht weg, sondern ließ sich auf den Arm nehmen und streicheln. „Sieglinde war schon immer ganz zahm“, sagt Milosevic. „Ich wusste: Mit diesem Huhn kann man gut arbeiten.“
Wegen ihrer zutraulichen Art wurde Sieglinde zum Film- und Fernsehstar. In Produktionen wie „Wendy“,
Aurelia Franke-hornung Filmtier-trainerin
„Stern TV“und „Terra X“hat das Tier mitgewirkt. Auch in dem am Niederrhein gedrehten Film „Wir sind doch Schwestern“oder in der Serie „Bettys Diagnose“stand das Filmhuhn vor der Kamera.
Die Karriere nahm jedoch ein jähes Ende: Am 4. Juni 2017 tötete ein Hund Huhn Sieglinde. Ute Milosevic erinnert sich noch genau an diesen Tag. Das Grundstück in Weeze, auf dem sie mit ihren vielen Tieren wohnt, ist viereinhalb Hektar groß, ein Zaun grenzt die Pferdekoppel vom Wald ab. Die Hühner dürfen auf dem Grundstück und der Weide frei herumlaufen. Der Hund habe sich auf die Koppel geschlichen, dort das Huhn gejagt und getötet. Ute Milosevic spricht von „totgebissen“.
Im Dezember 2018 hatte die Besitzerin des Huhns bereits vor dem Amtsgericht Geldern auf Schadenersatz geklagt, damals wurden ihr 300 Euro zugesprochen. Das ist Milosevic zu wenig: Sie hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und fordert 4000 Euro von dem Besitzer des Hundes. Am Freitag beschäftigt sich das Landgericht Kleve in einer Berufungsverhandlung mit dem Fall.
Die 4000 Euro Schadenersatz ergeben sich aus den Gagen, die ein Filmtier bekommt, sagt Trainerin Aurelia Franke-hornung. Sie bildet in ihrer Agentur in Kalkar seit 25 Jahren Tiere für Fernsehsendungen, Kinoproduktionen, Dokumentationen,
Werbe- oder Fotoarbeiten aus. Hunde, Pferde, Schweine, Schafe und Schildkröten sind bei ihr in die Lehre gegangen. So auch Huhn Sieglinde, erzählt die Trainerin – und sagt: „Sie war wirklich ein Naturtalent.“
Für die Rolle in dem Fernsehfilm „Wir sind doch Schwestern“habe sie dem Huhn einen Stunt mit einem Autounfall beigebracht und es daran gewöhnt, einen Verband am Flügel zu tragen. Etwa drei Monate habe die Vorbereitung für die Dreharbeiten gedauert, sagt Franke-hornung. „Hühner sind sehr gelehrig.“
Die Arbeit für Film und Fernsehen sei viel wert: „Ein Huhn, das wirklich viel machen muss, kostet pro Tag zwischen 400 und 600 Euro“, sagt die Filmtier-trainerin. „Da kann so ein Huhn schnell viel Geld verdienen.“
Vor dem Gelderner Amtsgericht sei vor allem Thema gewesen, ob das getötete Huhn tatsächlich Sieglinde und nicht eine der anderen zehn Hennen war, berichtet die Klägerin. Ute Milosevic ist sich jedoch sicher: Es war das Filmhuhn, das vom Hund getötet wurde. „Sieglinde war das einzige braune Huhn auf der Wiese“, sagt die Besitzerin. Auch für den anstehenden Dreh einer Krimiserie, den Sieglinde hätte machen sollen, sei ein Double gebraucht worden.
Der Hundebesitzer wollte sich seiner Anwältin zufolge nicht zu dem Fall äußern.
„Ein Huhn, das wirklich viel machen muss, kostet pro Tag zwischen 400 und 600 Euro“