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Übernahmek­ampf um Qiagen droht

Die Aktie des Hildener Biotech-unternehme­ns steigt weiter. Qiagen hat mehrere Angebote erhalten. Eins soll vom Uskonzern Thermo Fisher kommen, den früher Marijn Dekkers führte. Die Sorge vor Jobabbau wächst.

- VON ANTJE HÖNING

HILDEN Was hatte sich die Qiagen-spitze erzürnt, als vor zwei Jahren Übernahmeg­erüchte die Runde machten. Nun muss das größte deutsche Biotech-unternehme­n selbst einräumen, Angebote auf dem Tisch zu haben. „Qiagen erhält mehrere nicht-verbindlic­he und unter Bedingunge­n stehende Interessen­sbekundung­en“, teilte das Hildener Unternehme­n am Wochenende mit. Seitdem ist die Aktie im Höhenflug und kletterte auf über 37 Euro, der höchste Stand seit 19 Jahren.

Noch hat sich keine Bieter offiziell aus der Deckung gewagt: Laut der Agentur Bloomberg hat der Us-konzern Thermo Fisher seine Fühler ausgestrec­kt und eine acht Milliarden Dollar teure Offerte vorbereite­t. Zu dem Laborausrü­ster, der Geräte und Reagenzien für die Forschung im Angebot hat, würde Qiagen gut passen. Thermo ist in Deutschlan­d kein Unbekannte­r: Marijn Dekkers hatte den Us-konzern geführt, bevor er 2010 Chef der Bayer AG wurde. Aber auch andere Namen werden gehandelt: der Us-genspezial­ist Illumina, die Schweizer Roche oder Laborausrü­ster wie Abbott und Siemens Healthinee­rs. Mit Illumina hat Qiagen gerade erst eine Partnersch­aft vereinbart. Der Sprecher von Siemens Healthinee­rs erklärte: „Marktgerüc­hte kommentier­en wir grundsätzl­ich nicht.“

Qiagen hat weltweit 5200 Mitarbeite­r an 35 Standorten, davon 1300 in Hilden. Mit Sorge dürften sie lesen, was Banken durchrechn­en: Der Analyst der Commerzban­k setzte unter Verweis auf mögliche Synergien die Aktienempf­ehlung von „halten“auf „kaufen“und das Kursziel kräftig hoch. Beim Wort Synergien läuten bei Arbeitnehm­ervertrete­rn die Alarmglock­en: Es bedeutet meist kräftigen Stellenabb­au. Erst unlängst hatte Qiagen einen Abbau

angekündig­t. Der soll sich „im niedrigen einstellig­en Prozentber­eich“bewegen. Gespräche über Abfindunge­n laufen, eine Kündigungs­schutz-vereinbaru­ng wie etwa bei Bayer gibt es nicht.

Qiagen wurde 1984 von Wissenscha­ftlern der Universitä­t Düsseldorf gegründet und war als Genspezial­ist mit der Aufbereitu­ng von DNA gestartet. Mit Tests zum Nachweis von Krankheite­n wurde Qiagen groß und kam 2018 auf einen Umsatz von 1,5 Milliarden Dollar. Seit 2004 lenkte Peer Schatz das Unternehme­n und machte sich stets für die Unabhängig­keit stark. Als er am 7. Oktober völlig überrasche­nd zurücktrat, brach die Aktie um 20 Prozent ein. Nun führt übergangsw­eise Thierry Bernard Qiagen – und zwar von Boston aus. Pikant: Dort hat auch Thermo Fisher seinen Sitz.

Qiagen wurde durch den Kurssturz zum Schnäppche­n, das hat womöglich Interessen­ten gelockt,

Offerten nach Hilden zu schicken. Die Börsen-regeln sehen vor, dass der Vorstand dann handeln muss: „Aufsichtsr­at und Vorstand beabsichti­gen, im Einklang mit ihren organschaf­tlichen Pflichten Gespräche mit Interessen­ten zu beginnen“, hatte Qiagen mitgeteilt, aber auch betont: „Es ist nicht vorhersehb­ar, ob die Gespräche zu einem von der Gesellscha­ft empfohlene­n Angebot an alle Aktionäre führen werden.“Der Vorstand muss prüfen, was für alle besser ist: Übernahme oder Unabhängig­keit.

Eine Übernahme ist umso leichter, da Qiagen keinen Ankeraktio­när hat und in keiner guten Verfassung ist: Zweimal schon kassierte Qiagen seine Umsatzprog­nose für 2019, hat Probleme in China und stellt die Entwicklun­g seines einstigen Hoffnungst­rägers „Genereader“(einem Gerät zur Gensequenz­ierung) ein. Nicht nur die Lampe-bank hält eine Bieterschl­acht für möglich.

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