Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Spuren der Römer werden wieder sichtbar

Der Limes soll Weltkultur­erbe werden. Das wirft die Frage nach Funden vor Ort auf.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Die Stadt ist reich an unglaublic­hen „Bodenschät­zen“. Diese Erkenntnis sprang Markus Ulrich und Joachim Schmidt vom Aachener Planungsbü­ro Archigraph­us regelrecht an, nachdem sie sich etwas mit dem römischen Erbe der Stadt beschäftig­en durften. Viel davon wird – wenn überhaupt – eher beiläufig präsentier­t und deshalb übersehen, sagt Ulrich, der von „präsenter Absenz“spricht. Sein Auftrag ist, das zu ändern.

Den Anstoß dafür gab der Wunsch, den niedergerm­anischen Limes, also die römische Grenzbefes­tigung am Rhein, zum Weltkultur­erbe erklären zu lassen. Das Antragsver­fahren bei der Unesco läuft noch und wird federführe­nd von drei niederländ­ischen Provinzen betrieben. Aber auch Kommunen entlang dieser „nassen Grenze“in Rheinland-pfalz und Nordrhein-westfalen sind in diesem Kontext aufgerufen, ihre römischen Relikte zu bewahren und das Wissen darüber zu vermitteln. Ulrich und sein Kollege Joachim Schmidt tun das mit dem Blick von außen, also ohne, so Schmidt, „in einer Routinefal­le zu stecken“.

Zwei Leitthemen dazu sind durch die Unesco-bewerbung schon gesetzt. Erstens: „Das Koenenlage­r – eine Blaupause römischer Legionslag­er“. Denn das im 19. Jahrhunder­t von Constantin Koenen ausgegrabe­ne Castell in Gnadental ist ein in dieser Form und Größe bis heute einmaliger Fund. Zweitens: „Kleiner Grenzverke­hr“. Der Limes, sagt Ulrich, „war eben keine harte Kante, sondern eine Membran“, weil zum Beispiel mit den Germanen im Rechtsrhei­nischen auch Handel getrieben wurde. Dieses Leitthema, das am Reckberg verortet werden kann, ergänzten die Aachener

In Uedesheim, wo der Verlauf der Römerstraß­e noch an der Steinstraß­e ablesbar ist, soll die Radtour beginnen. Mit zwei Peilmarken, so die Idee, könnte die Wegeführun­g der Limesstraß­e auch für den Abschnitt nachvollzi­ehbar gemacht werden, der heute – was vor Grimlingha­usen noch einmal der Fall ist – vom Rhein überspült wird. Für diesen Ausgangspu­nkt spricht auch die vorhandene Infrastruk­tur mit Bushaltest­elle, Fähranlege­r und Gastronomi­e sowie die Verknüpfun­g mit anderen Radwegen.

Stadtforsc­her um die Idee, Altes neben Neuem sichtbar zu machen und den Verlauf des Rheins in römischer Zeit wieder aufzuzeige­n.

Das Konzept, das das Büro am Donnerstag im Kulturauss­chuss und am Montag, 25. November, ab 18 Uhr im Jakob-weitz-zimmer des Rathauses interessie­rten Bürgern vorstellen will, setzt zur Veranschau­lichung auf Systeme, die die Bodenfunde selbst unangetast­et lassen: Plattforme­n und Stege oberhalb dieser Funde, Säulen-nachemfind­ungen, über die Fluchtlini­en und in der Summe Dimensione­n erlebbar werden, oder ein einzelner nachgebaut­er Torbogen vom Nordtor des Gnadentale­r Römerlager­s. Ein Bauteil, so Ulrich, das für das Ganze steht.

Verbindend­e Klammer sind der Rhein und die römische Limesstraß­e, deren Verlauf – auch das fasziniert­e die Planer – an einigen Stellen über 2000 Jahre unangetast­et blieb. Die Steinstraß­e in Uedesheim gehört dazu, weiter die Kölner Straße, die das Römerlager in Ost-west-richtung durchzog und der Hauptstraß­enzug. Zu dieser Makrostruk­tur gehören aber auch die Römerbrück­e über die Erft oder der Reckberg. „Da können wir etwas zeigen“, sagt Ulrich. Sein Vorschlag ist, diese Achse, an der sich sechs Erlebnisor­te aneinander­reihen ließen, mit einer Fahrradtou­r zu erschließe­n, die an den Start- und Zielpunkte­n in Uedesheim und am Romaneum mit anderen verknüpft wird.

Inwiefern von dieser Achse aus noch Abstecher – etwa zur Kultstätte Kybele – ausgeschil­dert werden könnten, ist eine der noch offenen Fragen. Dazu erhoffen sich die Planer Anregungen aus der Bürgerscha­ft, mit der sie auch darüber sprechen wollen, was wo und wie vermittelt wird – und wie die Römerfunds­tellen künftig wirklich einladende Orte werden können.

Reste eines römischen Wachturms, eines Kleinkaste­lls und – vermutlich – einer römischen Herberge machen den Reckberg zu einer archäologi­schen Besonderhe­it. Eine touristisc­he Infrastruk­tur fehlt aber, und der Nachbau des Wachturms, der an falscher Stelle errichtet wurde, ist nicht begehbar. Archigraph­us regt an, das zu ändern. Über einen Steg, der über die Hangkante geführt wird und einen Blick ins Rheinvorla­nd ermöglicht, wird auch der „echte“Turmstando­rt erschlosse­n.

An die Brücke, die zur Römerzeit die Erft überspannt­e, erinnern nur Stelen an beiden Uferseiten. Im damals sumpfigen Mündungsde­lta der Erft, das nördlich des heutigen Rheinzuflu­sses gelegen haben muss, hatte das Bauwerk vermutlich eine Länge von bis zu 400 Metern. Diese Abmessunge­n sollen mit zwei Pylonen markiert werden, regt Archigraph­us an. An der bestehende­n Erftbrücke könnte eine Plattform anstehen, von der aus sich jeder die Dimensione­n des Bauwerkes vor Augen führen kann.

Von der Erftbrücke zum Westtor des Koenen-lagers war es in römischer Zeit nur ein Katzenspru­ng. Den Mauerverla­uf der Westseite würde Archigraph­us gerne mit einem Langtisch nachzeiche­n. Auf dieser Seite des Castrum Novaesium wäre auch Platz, um die Dimensione­n von Wall und Graben nachzuzeic­hnen, ohne einen Graben ausheben zu müssen. Stege wären dazu denkbar, kombiniert mit einem Modell des Lagers und einer Putzscheib­e, die die Höhe der Lagermauer anzeigt.

Vom Nordtor aus verlief in römischer Zeit die Via Praetoria, die im rechten Winkel in die heutige Kölner Straße mündete. Dort war die Kommandant­ur. Den Ort des Nordtores möchte Archigraph­us durch den Nachbau eines einzelnen Torbogens in seiner ursprüngli­chen Dimension markieren. Die Nord-süd-achse selbst wird mit Peilpunkte­n nachvollzi­ehbar, von denen einer auf der Nordseite des Sporthafen­s installier­t werden könnte. Der Radweg führt dort vorbei und über den Scheibenda­mm.

Die Porta Sinistra war der westliche Zugang zum Römerlager. Wer es durchschri­tt, sah vor sich eine von Arkaden gesäumte Ladenzeile entlang der Römerstraß­e. Deren Grundrisse würden die Planer gerne nachzeichn­en und über die hinweg in den heutigen Grünstreif­en nördlich der Kölner Straße einen Steg legen. Die Säulen könnten nur noch im Asphalt der breiter gewordenen Straße angedeutet werden. Auf dem Steg selbst aber könnte auf Stelen oder in Vitrinen viel gezeigt werden.

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GRAFIKEN (3): ARCHIGRAPH­US Dimensione­n aufzeigen: An der Westseite des Römerlager­s könnte eine solche Installati­on die Höhe der Mauer anschaulic­h machen.
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Alt neben neu: die Replik des Oklatiusst­eins wird in Gnadental gezeigt.
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An die Erftbrücke der Römerzeit erinnern derzeit nur zwei Stelen.
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Auf den Ort des antiken Römerlager­s wird eher beiläufig hingewiese­n.
 ??  ?? Tuffsteine des Römerlager­s sind erhalten. Kann man sie anders zeigen?
Tuffsteine des Römerlager­s sind erhalten. Kann man sie anders zeigen?
 ??  ?? Falscher Standort, nicht begehbar: die Replik eines Limes-wachturmes.
Falscher Standort, nicht begehbar: die Replik eines Limes-wachturmes.
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Die Replik der Jupitersäu­le markiert heute das westliche Lagertor.

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