Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Spuren der Römer werden wieder sichtbar
Der Limes soll Weltkulturerbe werden. Das wirft die Frage nach Funden vor Ort auf.
NEUSS Die Stadt ist reich an unglaublichen „Bodenschätzen“. Diese Erkenntnis sprang Markus Ulrich und Joachim Schmidt vom Aachener Planungsbüro Archigraphus regelrecht an, nachdem sie sich etwas mit dem römischen Erbe der Stadt beschäftigen durften. Viel davon wird – wenn überhaupt – eher beiläufig präsentiert und deshalb übersehen, sagt Ulrich, der von „präsenter Absenz“spricht. Sein Auftrag ist, das zu ändern.
Den Anstoß dafür gab der Wunsch, den niedergermanischen Limes, also die römische Grenzbefestigung am Rhein, zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. Das Antragsverfahren bei der Unesco läuft noch und wird federführend von drei niederländischen Provinzen betrieben. Aber auch Kommunen entlang dieser „nassen Grenze“in Rheinland-pfalz und Nordrhein-westfalen sind in diesem Kontext aufgerufen, ihre römischen Relikte zu bewahren und das Wissen darüber zu vermitteln. Ulrich und sein Kollege Joachim Schmidt tun das mit dem Blick von außen, also ohne, so Schmidt, „in einer Routinefalle zu stecken“.
Zwei Leitthemen dazu sind durch die Unesco-bewerbung schon gesetzt. Erstens: „Das Koenenlager – eine Blaupause römischer Legionslager“. Denn das im 19. Jahrhundert von Constantin Koenen ausgegrabene Castell in Gnadental ist ein in dieser Form und Größe bis heute einmaliger Fund. Zweitens: „Kleiner Grenzverkehr“. Der Limes, sagt Ulrich, „war eben keine harte Kante, sondern eine Membran“, weil zum Beispiel mit den Germanen im Rechtsrheinischen auch Handel getrieben wurde. Dieses Leitthema, das am Reckberg verortet werden kann, ergänzten die Aachener
In Uedesheim, wo der Verlauf der Römerstraße noch an der Steinstraße ablesbar ist, soll die Radtour beginnen. Mit zwei Peilmarken, so die Idee, könnte die Wegeführung der Limesstraße auch für den Abschnitt nachvollziehbar gemacht werden, der heute – was vor Grimlinghausen noch einmal der Fall ist – vom Rhein überspült wird. Für diesen Ausgangspunkt spricht auch die vorhandene Infrastruktur mit Bushaltestelle, Fähranleger und Gastronomie sowie die Verknüpfung mit anderen Radwegen.
Stadtforscher um die Idee, Altes neben Neuem sichtbar zu machen und den Verlauf des Rheins in römischer Zeit wieder aufzuzeigen.
Das Konzept, das das Büro am Donnerstag im Kulturausschuss und am Montag, 25. November, ab 18 Uhr im Jakob-weitz-zimmer des Rathauses interessierten Bürgern vorstellen will, setzt zur Veranschaulichung auf Systeme, die die Bodenfunde selbst unangetastet lassen: Plattformen und Stege oberhalb dieser Funde, Säulen-nachemfindungen, über die Fluchtlinien und in der Summe Dimensionen erlebbar werden, oder ein einzelner nachgebauter Torbogen vom Nordtor des Gnadentaler Römerlagers. Ein Bauteil, so Ulrich, das für das Ganze steht.
Verbindende Klammer sind der Rhein und die römische Limesstraße, deren Verlauf – auch das faszinierte die Planer – an einigen Stellen über 2000 Jahre unangetastet blieb. Die Steinstraße in Uedesheim gehört dazu, weiter die Kölner Straße, die das Römerlager in Ost-west-richtung durchzog und der Hauptstraßenzug. Zu dieser Makrostruktur gehören aber auch die Römerbrücke über die Erft oder der Reckberg. „Da können wir etwas zeigen“, sagt Ulrich. Sein Vorschlag ist, diese Achse, an der sich sechs Erlebnisorte aneinanderreihen ließen, mit einer Fahrradtour zu erschließen, die an den Start- und Zielpunkten in Uedesheim und am Romaneum mit anderen verknüpft wird.
Inwiefern von dieser Achse aus noch Abstecher – etwa zur Kultstätte Kybele – ausgeschildert werden könnten, ist eine der noch offenen Fragen. Dazu erhoffen sich die Planer Anregungen aus der Bürgerschaft, mit der sie auch darüber sprechen wollen, was wo und wie vermittelt wird – und wie die Römerfundstellen künftig wirklich einladende Orte werden können.
Reste eines römischen Wachturms, eines Kleinkastells und – vermutlich – einer römischen Herberge machen den Reckberg zu einer archäologischen Besonderheit. Eine touristische Infrastruktur fehlt aber, und der Nachbau des Wachturms, der an falscher Stelle errichtet wurde, ist nicht begehbar. Archigraphus regt an, das zu ändern. Über einen Steg, der über die Hangkante geführt wird und einen Blick ins Rheinvorland ermöglicht, wird auch der „echte“Turmstandort erschlossen.
An die Brücke, die zur Römerzeit die Erft überspannte, erinnern nur Stelen an beiden Uferseiten. Im damals sumpfigen Mündungsdelta der Erft, das nördlich des heutigen Rheinzuflusses gelegen haben muss, hatte das Bauwerk vermutlich eine Länge von bis zu 400 Metern. Diese Abmessungen sollen mit zwei Pylonen markiert werden, regt Archigraphus an. An der bestehenden Erftbrücke könnte eine Plattform anstehen, von der aus sich jeder die Dimensionen des Bauwerkes vor Augen führen kann.
Von der Erftbrücke zum Westtor des Koenen-lagers war es in römischer Zeit nur ein Katzensprung. Den Mauerverlauf der Westseite würde Archigraphus gerne mit einem Langtisch nachzeichen. Auf dieser Seite des Castrum Novaesium wäre auch Platz, um die Dimensionen von Wall und Graben nachzuzeichnen, ohne einen Graben ausheben zu müssen. Stege wären dazu denkbar, kombiniert mit einem Modell des Lagers und einer Putzscheibe, die die Höhe der Lagermauer anzeigt.
Vom Nordtor aus verlief in römischer Zeit die Via Praetoria, die im rechten Winkel in die heutige Kölner Straße mündete. Dort war die Kommandantur. Den Ort des Nordtores möchte Archigraphus durch den Nachbau eines einzelnen Torbogens in seiner ursprünglichen Dimension markieren. Die Nord-süd-achse selbst wird mit Peilpunkten nachvollziehbar, von denen einer auf der Nordseite des Sporthafens installiert werden könnte. Der Radweg führt dort vorbei und über den Scheibendamm.
Die Porta Sinistra war der westliche Zugang zum Römerlager. Wer es durchschritt, sah vor sich eine von Arkaden gesäumte Ladenzeile entlang der Römerstraße. Deren Grundrisse würden die Planer gerne nachzeichnen und über die hinweg in den heutigen Grünstreifen nördlich der Kölner Straße einen Steg legen. Die Säulen könnten nur noch im Asphalt der breiter gewordenen Straße angedeutet werden. Auf dem Steg selbst aber könnte auf Stelen oder in Vitrinen viel gezeigt werden.