Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die letzte Chance der SPD

- VON MARTIN KESSLER

Das entschloss­ene Votum des Spd-bundespart­eitags gegen die große Koalition ist ausgeblieb­en. Auch der Leitantrag für die Nachverhan­dlungen mit der Union ist so gemäßigt ausgefalle­n, dass klare Sollbruchs­tellen für die Groko nicht mehr zu erkennen sind. Die Ironie dabei: Ausgerechn­et die Kandidaten Esken und Walter-borjans, die liebend gerne sofort aus dem Regierungs­bündnis ausgestieg­en wären, könnten jetzt sogar zu Garanten für die große Koalition bis 2021 werden.

Doch die vorläufige Entwarnung für die Groko ist keine Entwarnung für die SPD. Nur mit Mühe verkleiste­rt der in Berlin gefundene Kompromiss die Spaltungen in der Partei. Die Regierungs­willigen und diejenigen, die eine Erneuerung in der Opposition suchen, stehen sich weiter unversöhnl­ich gegenüber. Das spricht nicht für eine große Geschlosse­nheit und die Erkenntnis, dass die SPD beide Flügel braucht.

Doch ohne diese Vielfalt haben die Sozialdemo­kraten keine Chance, die gewohnte starke politische Rolle zu spielen, die der SPD im Nachkriegs­deutschlan­d lange zugefallen ist. Es droht der Partei gar der Fall in die Bedeutungs­losigkeit, wenn sie wie bisher ihr Führungspe­rsonal bei Misserfolg­en auswechsel­t und politische Forderunge­n erhebt, die bei den Wählern nicht verfangen.

Der Parteitag unter der neuen Führung von Esken und Walter-borjans hat es vermieden, der SPD eine klare linke Ausrichtun­g zu geben. Das ist vernünftig. Aber man hätte konkretere Vorschläge erwarten dürfen, wie sich die SPD auf die Herausford­erung von Globalisie­rung, Klimawande­l und Digitalisi­erung einstellt. Es genügt eben nicht, lediglich der Betriebsra­t der digitalen Gesellscha­ft zu sein. Die Parteispit­ze muss schleunigs­t mit ihrer Profilschä­rfung beginnen, um den abschüssig­en Weg ihrer Parteifreu­nde in Frankreich oder den Niederland­en zu vermeiden. BERICHT SPD RISKIERT ZERREISSPR­OBE MIT UNION, TITELSEITE

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