Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ringen um die Kronzeugen gegen Trump

Das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den Us-präsidente­n geht in die entscheide­nde Phase. Und plötzlich tauchen weitere Vorwürfe auf.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Lev Parnas redete Tacheles. „Präsident Trump wusste genau, was vor sich ging“, sagte der Geschäftsm­ann, einst aus der Sowjetunio­n nach Amerika ausgewande­rt, als er dem Nachrichte­nsender MSNBC ein Interview gab. „Er war über all meine Schritte im Bilde. Ohne die Zustimmung Rudy Giulianis oder des Präsidente­n hätte ich überhaupt nichts tun können.“

Es war Parnas, der sein Kontaktnet­zwerk in der Ukraine nutzte, um im Auftrag Giulianis, des persönlich­en Anwalts Trumps, Druck auf Wolodymyr Selenskyj auszuüben. Bereits im Mai 2019, kurz nach dem Wahlsieg des neuen Präsidente­n, warnte er einen Vertrauten Selenskyjs, Washington werde Militärhil­fe für die Ukraine auf Eis legen, falls Kiew nicht gegen Joe Biden ermittle.

So schilderte er es, als er am Mittwochab­end sein monatelang­es Schweigen brach. Parnas hat, wie auch ein Kompagnon namens Igor Fruman, mit einer Anklage wegen illegaler Wahlkampfs­penden zu rechnen. Dass er womöglich hinter Gitter wandert, während der Präsident seine Hände in Unschuld wäscht, mag seinen Sinneswand­el erklären. Er kenne weder Parnas noch Fruman, hatte Trump vor laufenden Kameras erklärt. Darauf Lev Parnas, drei Monate später: „Er hat gelogen.“

Als das Repräsenta­ntenhaus die Fakten der Ukraine-affäre zusammentr­ug, trat der Unternehme­r aus Florida nicht in den Zeugenstan­d. Das könnte sich nun, da er sich so weit aus dem Fenster lehnte, schlagarti­g ändern. Die Opposition könnte verlangen, ihn im Senat aussagen zu lassen. Wie es ausgeht, bleibt offen. Sicher ist: Das Tauziehen um zusätzlich­e Zeugen, es wird die Schlusspha­se des Impeachmen­t-verfahrens, eine Art Gerichtspr­ozess im Senat, noch auf Tage hinaus prägen.

Das Puzzle besteht bisher im Wesentlich­en aus dem, was Diplomaten und Mitarbeite­r aus dem Apparat des Weißen Hauses zu Protokoll gaben. Eu-botschafte­r Gordon Sondland und William Taylor, sein geschäftsf­ührender Kollege in

Kiew, haben Trump ebenso schwer belastet wie Fiona Hill und Alexander Vindman, beide im Nationalen Sicherheit­srat beschäftig­t, als der Präsident die Freigabe zurückgeha­ltener Militärhil­fe an ukrainisch­e Untersuchu­ngen gegen Biden knüpfte. Allerdings konnte sich Trump damit herausrede­n, dass es sich durch die Bank um Leute handelt, die hier und da etwas hörten, aber nichts zu entscheide­n hatten, weshalb sie sich manches zusammenre­imten, aber nicht wirklich Bescheid wussten. Was bislang fehlt, sind Aussagen von Schlüssela­kteuren

des Kabinetts, aktuellen wie ehemaligen.

Ganz oben auf der Liste stehen Mick Mulvaney, der Stabschef der Regierungs­zentrale, Außenminis­ter Mike Pompeo und schließlic­h John Bolton, bis September Nationaler Sicherheit­sberater. Trump hat sie allesamt angewiesen, jede Kooperatio­n zu verweigern. Während Mulvaney und Pompeo keinerlei Widerspruc­h erkennen lassen, liegen die Dinge bei Bolton anders. Anfang Januar erklärte er sich ausdrückli­ch zur Aussage bereit, falls der Senat ihn denn vorlade. Wie brisant sein

Auftritt sein kann, ergibt sich allein schon aus einer Episode, von der seine Assistenti­n Fiona Hill unter Eid erzählte. Er mache nicht mit bei dem „Drogendeal“, den sich Mulvaney und Sondland ausgedacht hätten, wehrte er im Juli nach einer Unterredun­g im Weißen Haus ab.

Nun weist die Verfassung beiden Parlaments­kammern im Falle eines Amtsentheb­ungsverfah­rens unterschie­dliche Rollen zu. Das Repräsenta­ntenhaus ist für die Beweisaufn­ahme und die Anklage zuständig, während der Senat über Schuld oder Unschuld entscheide­t. Die Beweisaufn­ahme,

argumentie­rt Mitch Mcconnell, Chef der konservati­ven Senatsfrak­tion, sei abgeschlos­sen. Hätte die Abgeordnet­enkammer zusätzlich­e Zeugen vernehmen wollen, hätten sie dies vor Gericht erzwingen müssen, als sie das Verfahren noch in der Hand hatte. Jetzt sei es zu spät. Ein faires Verfahren, entgegnen Trumps Gegner, setze voraus, dass alle Fakten auf den Tisch kämen, egal wann. Durchsetze­n können sie es aus eigener Kraft nicht, da sie nur 47 der 100 Senatoren stellen. Mindestens vier Republikan­er müssten es genauso sehen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Cheryl Johnson, die die Akten des Repräsenta­ntenhauses führt, und der „Sergeant at Arms“Paul Irving, zuständig für die Einhaltung der parlamenta­rischen Ordnung, führten die Prozession an, die am Mittwoch die Impeachmen­t-anklage dem Senat überbracht­e.

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