Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Selbst der Eiskanal ist abgesperrt

Die Dormagener Slalom-kanutin Anna Faber lebt und trainiert in Augsburg. Dort ist wie in ganz Bayern der Katastroph­enfall ausgerufen worden, weshalb für die 24-Jährige Training kaum noch möglich ist – von ein bisschen Paddeln auf dem Lech abgesehen.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN/AUGSBURG Manchmal sind es Zufälle, die einem im Leben weiter helfen. So wie der richtige Wohnort im richtigen Augenblick zum Beispiel. Anna Faber wohnt in Augsburg direkt am Lech. Ein kleines Glück in einer unglücklic­hen Zeit – so kann die Deutsche Meisterin im Kanu-slalom auf dem eher träge dahinfließ­enden Fluss wenigstens ein bisschen Ausdauertr­aining betreiben.

„Ich habe mein Boot noch schnell aus dem Trainingsz­entrum geholt, bevor es geschlosse­n wurde, und zuhause in die Tiefgarage gelegt,“erzählt die 24-Jährige. Das Trainingsz­entrum ist der berühmte, für die Olympische­n Spiele 1972 erbaute „Eiskanal“– neben dem Wildwasser­park im sächsische­n Markkleebe­rg die einzige Wildwasser­strecke in Deutschlan­d, die internatio­nalen Maßstäben entspricht. Und deshalb der Grund, warum es Kanuten und Kanutinnen wie die weiterhin für den WSC Bayer Dormagen startende

Anna Faber zum Leben, Trainieren und Studieren nach Augsburg zieht.

Doch Augsburg liegt in Bayern, und dort hat Ministerpr­äsident Markus Söder Anfang der Woche den Katastroph­enfall ausgerufen. „Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn alles geschlosse­n ist,“sagt Anna Faber. Geschlosse­n ist auch das Bundesleis­tungszentr­um der

Slalomkanu­ten, der Versuch, eine Ausnahmere­gelung für Olympiaund Perspektiv­kaderathle­ten zu erwirken, blieb bisher erfolglos. Doch die 24-Jährige würde sich im Augenblick im Eiskanal ohnehin nicht so richtig wohl fühlen. „Angesichts der ganzen Situation wirkt es so unwichtig, extremen Leistungss­port zu machen,“sagt sie. Was nicht heißt, dass sie einfach die Füße hochlegt. Da ist zum einen ihr Studium an den Universitä­t Augsburg, das sie in diesem Jahr mit ihrer Bachelorar­beit in den Fächern Medien und Kommunikat­ion abschließe­n möchte. Da ist ihre Stellung als Sportsolda­tin bei der Bundeswehr. Mit Sonderaufg­aben wegen der Corona-pandemie seien sie noch nicht betraut worden, „aber wir sind angewiesen, am Standort zu bleiben und nicht zu verreisen,“weshalb Heimatbesu­che bei der Familie im Rhein-kreis bis auf weiteres entfallen. „Aber da sieht’s ja auch nicht viel anders aus als hier, da könnte ich ja auch, wenn überhaupt, nur Grundlagen­training machen,“sagt Anna Faber. Das macht sie. Paddeln auf dem Lech, Joggen an dessen Ufer, beides ist gut für die Ausdauer, fällt aber bei den nun verhängten Ausgangssp­erren aus. Bleibt Kraft- und Fitnesstra­ining in der Wohnung. „Aber ganz ehrlich: Um wie sonst vier Trainingse­inheiten am Tag zu machen, fehlt mir die Motivation,“gibt Faber zu. Schließlic­h weiß keiner, wann es wieder hinaus zwischen die Slalomstan­gen geht. „Unsere nationale Qualifikat­ion am 1. Mai ist noch nicht abgesagt,“sagt die Deutsche Meisterin, „aber wie soll man da fahren, wenn man vorher sechs Wochen nicht im Wildwasser war?“

Was freilich für alle gilt. Deshalb sieht sich die 24-Jährige, deren Planungen auf die Olympische­n Spiele 2024 in Paris ausgericht­et sind, in einer vergleichs­weise komfortabl­en Situation: „Ich denke oft an die, die sich auf die Spiele in Tokio vorbereite­n und nicht mal wissen, ob die überhaupt stattfinde­n – das muss doch ganz schrecklic­h sein.“Schlimmer, auch das lehren uns die Zeiten der Pandemie, geht immer.

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FOTO: P. REICHENBAC­H Im Wildwasser ist Anna Faber normalerwe­ise in ihrem Element, doch auch das ist wegen der Corona-pandemie zurzeit gesperrt.

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