Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Rationierung stellt Familien vor Probleme
In der Krise geben Supermärkte manche Produkte nur noch in kleinen Mengen ab. Große Familien zwingt das, fast täglich oder gemeinsam einkaufen zu gehen – entgegen der Empfehlung. Eine Lösung ist nicht in Sicht.
DÜSSELDORF/ERKELENZ Einkaufen für die ganze Familie? Das ist in der Krise schwierig. Um Hamsterkäufe zu verhindern, haben viele Supermärkte die Abgabe bestimmter Waren rationiert. Dazu zählen Milch, Konservendosen – und natürlich Toilettenpapier. Das Problem: Mit dem, was manche Märkte als „haushaltsüblich“definieren, kommen viele Familien nicht lange aus. „Wir sind gezwungen, spätestens jeden zweiten Tag neu einkaufen zu gehen“, sagt Familienvater Jörg Wilke aus Düsseldorf. Er hat zwar Verständnis für Rationierungen. „Das System ist aber nicht richtig durchdacht“, meint er.
Ende vergangener Woche hat Jörg Wilke in mehreren Märkten Diskussionen an der Kasse führen müssen: Einmal ging es um zwei Packungen Toilettenpapier, ein anderes Mal um vier Dosen Mais. „Ich wollte vier Dosen kaufen, durfte aber nur zwei mitnehmen“, berichtet Wilke, der für sich, seine Frau, seine beiden Töchter und ein älteres Nachbar-ehepaar einkauft, das auf Hilfe angewiesen ist. Die Kassiererin habe zwei der Konservendosen zurückbehalten. Der Grund laut Wilke: Der Einkauf sei aus Sicht des Marktes nicht haushaltsüblich gewesen. Beim Toilettenpapier, das Wilke in einem Rewe-markt kaufen wollte, ließ er bei der Diskussion an der Kasse extra den Markt-chef kommen. „Dem habe ich dann erklärt, dass ich auch für ein älteres Ehepaar in der Nachbarschaft einkaufe“, sagt er. Das Ergebnis: Hier durfte er zwei Packungen mitnehmen.
Der Familienvater macht auf die Situation vieler Familien aufmerksam, die ihren Bedarf nicht mehr ohne Weiteres decken können. „In einem der Märkte wurde mir geraten, mit mehreren Personen einkaufen zu gehen. Jeder dürfte dann das Maximum dessen mitnehmen, was pro Person erlaubt ist. Aus meiner Sicht ist das aber nicht im Sinne des Infektionsschutzes“, sagt der Düsseldorfer. Denn auch die Märkte bitten darum, möglichst allein einkaufen zu gehen, um das Risiko einer Infektion gering zu halten und mehr Kunden den Zutritt zu ermöglichen. Wilke regt deshalb Ausweise an, die offenlegen, wie viele Menschen der Haushalt des jeweiligen Kunden umfasst. Auf Wilkes Familienkarte, aus der das hervorgehe, habe man in den Märkten keine Rücksicht genommen.
Weil sie Rationierungen und Engpässe schon bei Bekanntwerden der ersten Corona-fälle in NRW befürchtet haben, haben Familien wie die Picenos in Düsseldorf schon vor einigen Wochen Großeinkäufe getätigt. „Damit sind wir aktuell noch gut versorgt. Das wäre sicher anders, wenn wir jetzt einkaufen müssten“, sagt Natascha Piceno, die Mutter von sieben Kindern ist. Im Haushalt leben sie zu neunt und können von den Beständen gut leben – noch. Bei anderen Dingen des täglichen Bedarfs, die zum Teil rasch verderben, sieht es anders aus. Brot werde langsam knapp. „Wir haben Glück: In den Supermärkten, wo wir immer einkaufen, kennen uns die Mitarbeiter. Sie wissen, dass wir eine große Familie sind und entsprechend mehr brauchen“, sagt Natascha Piceno.
Andere Stadt, andere Großfamilie: Barbara Kremer aus Erkelenz, Mutter von sechs Kindern, berichtet von komischen Blicken anderer Kunden, wenn sie einkauft. Vor einigen Tagen wollte sie beim Bauern 40 Eier kaufen. „Da wurden wir gefragt, ob wir hamstern“, sagt sie. „Aber das war eher eine Situation, die uns zum Schmunzeln bringt. 40 Eier reichen bei uns für eine Woche.“Andere Besorgungen – zwölf Liter Milch, vier bis fünf Kilo Nudeln für zwei Wochen – tätigen sie in kleineren Mengen bei zwei Einkäufen pro Woche. „Da fällt das nicht so auf. Außerdem können wir auch noch gut von unseren Reserven leben“, sagt Barbara Kremer.
Angesprochen auf die Probleme von großen Familien, ihren hohen Bedarf zu decken, erklärt ein Sprecher der Rewe-gruppe, dass es in Bezug auf „haushaltsübliche Mengen“keine zentralen Vorgaben gebe. „Unsere Marktverantwortlichen haben grundsätzlich – wie auch schon vor Corona üblich – den mengenmäßigen Verkauf eines Artikels temporär und individuell zu steuern.“Dessen ungeachtet könne man die Lage der Familien verstehen. Die Rewe-gruppe bittet jedoch um Verständnis für das Vorgehen der Verantwortlichen in den Märkten.
Der Inhaber eines Rewe-marktes erklärt zum Beispiel, man habe Waren wie beispielsweise H-milch rationiert: Pro Tag und pro Kunde dürften derzeit nur fünf Liter verkauft werden. Auf die Frage, wie der Markt mit Einkäufen größerer Familien umgehe, sagt er: „Am nächsten Tag können Kunden wieder die gleiche maximal mögliche Menge einkaufen.“
Der Leiter eines Düsseldorfer Edeka-marktes berichtet auf Anfrage von Rationierungen bei Toilettenpapier – und davon, dass andere Produkte nur zu haushaltsüblichen Mengen verkauft werden. „Wenn uns jemand sagt, dass er für seine Familie einkauft und mehr benötigt, geben wir die Waren raus. Es gibt ja auch Menschen, die ihren Nachbarn helfen. Wir vertrauen unseren Kunden, appellieren aber auch an ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen“, sagt er. Derweil käme es immer wieder dazu, dass sich Kunden an den Kassen beinahe anpöbelten und sich über die Menge der von ihnen gekauften Waren streiten.