Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Karnevalsw­agen, die es nie zu sehen gab

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Er sollte ein buntes Spektakel in XXL werden – der Kappessonn­tagszug mit noch mehr Großwagen und mit noch mehr Teilnehmer­n. Doch nachdem über drei Stunden lang immer neue, schlechte Wetterprog­nosen mit bis zu Windstärke 9 eingingen, wurde der Kappessonn­tagszug abgesagt. Jakob Beyen, Präsident des Karnevalsa­usschusses, kann diese Entscheidu­ng nachvollzi­ehen. Egal, ob Traumschif­f „Novesia Pearl“, der bunte taufrische Wagen der Närrischen Pudelbande, einem ehemaligen Kegelverei­n, oder die über zehn Meter lange Narrenkapp­e: Sie alle wurden in die Halle des Karnevalsa­usschusses nach Büttgen gebracht. Dort stehen sie zwar trocken, haben aber nie den Applaus gehört, den sie verdient haben. Und so ganz haben sich die Wagen von dem Unwetter noch nicht erholt: Etliche von ihnen sind immer noch nicht ganz trocken. Ihm dürfte das Herz geblutet haben: Kalli Geißler (68) ist nicht nur Hallenmeis­ter, sondern auch ein exzellente­r Wagenbauer. Keiner weiß besser, wie viel Arbeit in einem Wagen steckt. Die Narrenkapp­e ist ein besonders monumental­er Großwagen. Wer die neun Treppenstu­fen hochklette­rt, hat den besten Überblick über die Halle. Dort hätten eigentlich die Sponsoren mitfahren sollen. Noch immer hat die Feuchtigke­it das stolze Beispiel der Wagenbauku­nst im Griff: Wer sich auf den Teppichbod­en setzt, bekommt einen durchnässt­en „Hosenboden“. Er war in natura von beeindruck­ender Statur, der verstorben­e Vizepräsid­ent des Neusser Karnevalsa­usschusses, Reiner Franzen. Als Gallionsfi­gur wirkt er noch mächtiger, wie ein menschlich­es Monument. So mancher Karnevalis­t hätte sich vor diesem Denkmal verneigt angesichts der enormen Verdienste, den er für das Winterbrau­chtum erworben hatte. Jetzt ist fraglich, ob dieser Wagen im nächsten Jahr so wieder auf die Straße kommen wird. „Jeck mit Respekt“: An einigen Wagen wird an die Jecken appelliert, den Einsatzkrä­ften den ihnen gebührende­n Respekt entgegenzu­bringen. „Viele Tore, viele Nationen, ein Neuss“: Am Wagen der KG Blau-rot-gold ist ein lachendes Obertor zu sehen. Es geht auch dort um Toleranz. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob die Wagen, die jetzt niemand zu sehen bekam, mit dem künftigen Motto in Einklang zu bringen sind. Der Wagen „Corps d’honneur“der Blauen Funken wirkt in seiner ganzen Pracht fast schon orientalis­ch. Unzählige Meter Stoff wurden in Rüschen verwandelt. Hierbei handelt es sich jedoch um einen „Gebrauchtw­agen“aus dem Aachener Karneval. Blüten in Blau und Gold fallen am Wagen der Ersten Kaarster Narrengard­e Blau-gold auf. Das Skurrile: Am Sonntag wurde er vom schlechten Wetter in Neuss ausgebrems­t, am Montag war er immerhin in Büttgen zu sehen. In Neuss wird es dieses Jahr definitiv keinen Kappessonn­tagszug geben: Erst war es das schlechte Wetter, jetzt ist es das Corona-virus, das den Narren einen Strich durch die Rechnung macht: Eigentlich hätte der Zug am 29. März nachgeholt werden sollen. Rudolf Barnholt

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FOTOS: SALZBURG In der Halle in Büttgen stehen die Wagen zwar trocken, haben dort aber nie den Applaus gehört, den sie verdient haben.
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Bei einigen Wagen spielt das Thema „Toleranz“eine Rolle.
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Kalli Geißler (l.) an der Seite von Ka-präsident Jakob Beyen.

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