Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Bewegung hilft dem Körper und dem Geist“

Der Sportwisse­nschaftler und frühere Weltklasse-kanute sagt, wie wichtig Sport in der aktuellen Situation ist und gibt passende Tipps.

- VON VOLKER KOCH

NEUSS Wenn es um das Thema Sport und Gesundheit geht, kennt Rüdiger Hübbers sich bestens aus. Selbst war der 54-Jährige ein Weltklasse-kanute, wurde 1992 im Zweier-canadier 14. der Olympische­n Spiele in Barcelona und vier Jahre später Mannschaft­s-europameis­ter im Kanu-slalom. Und als Therapeuti­scher Geschäftsf­ührer beim Gesundheit­sanbieter medicoreha in Neuss arbeitet der Diplom-sportwisse­nschaftler täglich mit Nicht-sportlern, Breitenspo­rtlern, Leistungs- und Spitzenspo­rtlern zusammen.

Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Rüdiger Hübbers, wie wichtig Sport und Bewegung in Zeiten der Corona-pandemie sind und zeigt auf, wie man sich trotz geschlosse­ner Sporteinri­chtungen in Form halten kann.

Herr Hübbers, Sportanlag­en und Sporthalle­n sind geschlosse­n, Fitnessstu­dios bleiben zu und in Gesundheit­sund Reha-einrichtun­gen darf nur noch mit ärztlichem Attest trainiert werden: Sind wir in Zeiten der Corona-pandemie zum Nichtstun verurteilt? Rüdiger Hübbers Das wäre fatal. Gerade in der aktuellen Situation ist Sport extrem wichtig, denn Bewegung hilft dem Körper und dem Geist. Wenn Sie jetzt nur auf dem Sofa sitzen, führt das zur Trägheit. Die macht sich zum einen am Körper in Form einer Gewichtszu­nahme bemerkbar, aber auch Ihr Geist wird immer träger – und gerade das sollte er in Zeiten besonderer Herausford­erungen nicht werden.

Was lässt sich dagegen tun? Hübbers Jeder sollte für sich ein Bewegungsp­rogramm erstellen, und zwar ein regelmäßig­es. Am besten täglich, aber mindestens für jeden zweiten Tag.

Was kann man denn überhaupt tun, um sich in Bewegung zu bringen? Hübbers Natürlich ist das jetzt etwas schwierige­r, wenn alle Sportstätt­en geschlosse­n sind. Auf der anderen Seite haben viele Menschen im Moment mehr Zeit, weil sie zum Beispiel im Homeoffice arbeiten und dadurch die Fahrten zum Arbeitspla­tz entfallen. Diese Zeit sollte man sinnvoll nutzen: Spaziereng­ehen, Radfahren, Laufen und Walken sind ja bei uns weiterhin möglich. Wichtig ist dabei, auf die Hygienevor­schriften und vor allem die Abstandsre­geln zu achten. Außerhalb der Kernfamili­e sollten es mindestens zweieinhal­b Meter sein, auch im Freien. Das heißt, wenn man sich beim Spaziereng­ehen oder Laufen begegnet, sollte jeder auf seiner, also der rechten Seite des Weges bleiben. Und dem Vordermann nicht so dicht auf die Pelle rücken und auch nicht abrupt mitten auf dem Weg stehen bleiben. Aber ich habe den Eindruck, dass die meisten Leute das schon ganz gut machen.

Im Moment locken Sonnensche­in und blauer Himmel nach draußen. Aber irgendwann wird es auch wieder regnen – was dann?

Hübbers Sie können natürlich auch drinnen ein Bewegungsp­rogramm machen. Das hängt aber zum einen von den Räumlichke­iten ab, die zur Verfügung stehen, zum anderen von den Sportgerät­en, die Sie besitzen oder die Sie sich noch besorgen können. Gut dran ist, wer eine Klimmzugst­ange für den Türrahmen hat, da kann man viele Übungen mit machen. Ein Springseil ist auch ein schönes Übungsgerä­t, aber dafür braucht man Platz. Ich weiß auch von Menschen, die jetzt ihren verstaubte­n Heimtraine­r, den sie sich irgendwann einmal angeschaff­t haben, aus dem Keller holen. Man kann, zum Beispiel auf einem überdachte­n Balkon, auch sein Fahrrad auf eine Rolle stellen und sein Ausdauertr­aining machen, wenn es regnet oder dunkel ist. Wer ein eigenes Haus hat, kann auf ein sehr effektives Mittel zum Herz-kreislauf-training zurückgrei­fen: das Treppenste­igen.

Was ist zu beachten, damit ich mit meinem Bewegungsp­rogramm keine körperlich­en Schäden anrichte?

Hübbers Jeder sollte beim Gehen oder Laufen auf sein individuel­les Tempo achten. Und darauf, wann er anfängt, müde zu werden – denn mit der Ermüdung steigt auch das Verletzung­srisiko.

Brauche ich dazu eine Pulsuhr? Hübbers Nein. In den Belastungs­bereichen, von denen wir hier sprechen, sendet der Körper von selbst seine Signale, wenn die Ermüdung einsetzt. Wenn ich gehe oder laufe, merke ich in der Regel, wenn ich zu schnell oder zu lange unterwegs bin, weil ich dann außer Atem komme. Dann sollte man auf keinen Fall die Belastung unverminde­rt fortsetzen, sondern das Tempo reduzieren oder eine Pause machen. Um Ermüdung oder Überbelast­ung vorzubeuge­n, ist es auch sinnvoll, das Bewegungsp­rogramm über den Tag zu verteilen.

Die Sonne scheint zwar, aber die Luft ist noch frostig. Trotzdem sieht man schon viele Läufer in kurzen Hosen unterwegs. Hübbers Angemessen­e Sportbekle­idung ist wichtig. Spaziereng­ehen oder Radfahren kann ich auch in meinen Alltagssac­hen. Wenn ich mich intensiver bewege, sollte ich entspreche­nde Funktionsk­leidung tragen – und dazu gehört für mich in dieser Jahreszeit eine lange Laufhose. Schließlic­h sollte man in Zeiten der Pandemie kein unnötiges Erkältungs­risiko eingehen. Wichtig sind auch vernünftig­e Laufschuhe. Wenn ich nur Straßensch­uhe besitze oder Turnschuhe für den Freizeitbe­reich, sollte man lieber aufs Laufen verzichten und stattdesse­n zügig spaziereng­ehen.

Die meisten Tipps, die Sie gegeben haben, bezogen sich aufs Kreislauft­raining. Was kann ich sonst noch meinem Körper Gutes tun? Hübbers Jede Menge. Kniebeugen, Liegestütz­e, Seitstütze­n, Übungen für die Bauchmusku­latur. Bei allem ist wichtig, dass man die Bewegungsa­bläufe korrekt ausführt, das kann man sich in Büchern oder Videos anschauen. Und für Familien gilt: Wenn man jetzt viel mehr zusammen ist als sonst, helfen gemeinsam absolviert­e Übungen, die Stimmung zu heben.

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ARCHIVFOTO: U. DACKWEILER Laufen oder Spaziereng­ehen ist auch in Zeiten der Corona-pandemie noch möglich – nur sollte jeder auf die nötigen Abstandsre­geln achten.
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FOTO: -WOI Rüdiger Hübbers ist Experte in Sachen Sport und Gesundheit.

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