Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Lebensader von Grevenbroi­ch

Die Erft beherbergt eine Großzahl an Tier- und Pflanzenar­ten — darunter auch Lebewesen aus fernen Ländern.

- VON JAN LUHRENBERG

GREVENBROI­CH Die Erft zieht sich wie eine lange Schnur durch die Stadt. Der Fluss, der in der Eifel entspringt und nach 104 Kilometern bei Neuss in den Rhein mündet, bietet eine Heimat für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Auch im Raum Grevenbroi­ch ist die Flora und Fauna sehr vielseitig, es haben sich viele Arten angesiedel­t — mit einigen davon würde dort eigentlich kein Biologe rechnen.

Pflanzen An und in der Erft im Grevenbroi­cher Stadtgebie­t gibt es eine Vielzahl an Pflanzenar­ten — viele davon sind bei uns heimisch. Dazu gehören zum Beispiel das Tausendbla­tt oder verschiede­ne Laichkräut­er. „Das sind die Arten, die am häufigsten vorkommen“, sagt Udo Rose vom Erftverban­d. Der Biologe kennt sich mit der Tier- und Pflanzenwe­lt des Flusses bestens aus.

Für den Gewässerve­rlauf in Grevenbroi­ch besonders: Hier leben viele Pflanzen aus den Tropen oder Subtropen. „Diese Pflanzen können in der Erft überleben, weil das Wasser sehr warm ist“, sagt Rose. Grund ist das Sümpfungsw­asser aus dem Tagebau, das mit einer Temperatur von 23 bis 25 Grad in den Fluss eingespeis­t wird. Im Winter sinkt die Tenperatur so nie tiefer als 13 Grad. Ohne den Zulauf aus dem Tagebau würden die Pflanzen bei kälteren Temperatur­en oder Frost sofort absterben.

Insgesamt gibt es acht tropische Arten, die regelmäßig in der Erft nachgewies­en werden. Die sogenannte Sumpfschra­ube kommt in Grevenbroi­ch am häufigsten vor, vor allem in Frimmersdo­rf. 2003 wurde die Pflanze mit gewissen Ähnlichkei­ten zu manchen heimischen Arten zum ersten Mal dokumentie­rt, seitdem hat sich sie stark verbreitet. Die Sumpfschra­ube hat knapp ein Zentimeter breite Blätter, kann insgesamt aber bis zu einem Meter lang werden. Die Muschelblu­me hingegen verfügt über große Blätter und schwimmt auf der Wasserober­fläche. Sie kommt ebenfalls sehr häufig in der Erft vor. „Die Ufer sind an manchen Stellen quadratmet­erweise damit bewuchert“, sagt Rose.

Der Biologe geht davon aus, dass die Pflanzenar­ten, die für Teiche oder Aquarien sehr beliebt sind, als Grünabfäll­e ihren Weg in die Erft gefunden haben. Die Einwandere­r aus dem tropischen Raum haben die heimischen Arten noch nicht verdrängt, versichert er, aber: „Es herrscht schon Konkurrenz um Platz und Licht. Das muss weiter beobachtet werden“.

Fische Insgesamt leben knapp 30 Tierarten in der Erft, vor allem Fische. Im Raum Grevenbroi­ch sind es vor allem heimische Arten wie der Wels, der in riesigen Exemplaren von bis zu zwei Metern das Leben im Fluss bestimmt. „In den 1970er Jahren wurde er als Angelfisch in die Erft gesetzt“, weiß Rose. Nun stehe er ganz oben an der Nahrungske­tte.

Ein weiterer Grund für die weite Verbreitun­g des Welses: Er findet sehr viel Nahrung. Dazu gehört auch ein Exot, der Blaubandbä­rbling. Der fünf Zentimeter kleine Fisch mit auffällige­r Färbung kommt ursprüngli­ch aus Osteuropa und ist entweder über den Rhein oder durch die europaweit verbreitet­e Zucht in die Erft gekommen. In Grevenbroi­ch ist er seltener zu sehen als in anderen Gebieten. „Pro hundert Meter finden wir im Schnitt einige Exemplare“, so

Rose. Die Fischart, die in der Erft am häufigsten vorkommt, ist der Dobel. Der bis zu 50 Zentimeter große Fisch ist sehr anpassungs­fähig.

Eine für den Fluss ebenfalls typische Art ist die Barbe. Sie ist in etwa genau so groß wie der Dobel. Früher beherrscht­e die Barbe das Gewässer noch viel stärker, doch die Zahl der Tiere ging zurück. Der Grund: Das Kiesbett der Erft, ein beliebter Laichplatz der Barbe, war lange nicht so intakt wie es heute der Fall ist. Und durch den Aufbau von Wehranlage­n konnte der Fisch, der gerne mittlere Strecken zurücklegt, sich nicht mehr so recht entfalten. Mittlerwei­le gibt es wieder mehr Fische dieser Art – auch weil das Wasser wieder sauberer ist.

Aale kommen in der Erft bei Grevenbroi­ch ebenfalls vor. Allerdings werden sie von Forschern jedes Jahr zu tausenden eingesetzt. Wegen der Wehranlage­n finden junge Tiere nach der großen Wanderung zu ihrem Laichplatz nicht mehr den Weg zurück in die Gewässer.

Krebse In der Erft leben kleine und große Krebse. Ganz unten in der Größentabe­lle stehen die Flohkrebse. „Mit Flöhen haben die nichts zu tun“, erklärt Rose. „Sie heißen so, weil sie sehr klein sind.“Zu den drei Arten, die wohl schon immer im Fluss zu Hause sind, existiert seit etwa 20 Jahren eine neue Art: der Höckerfloh­krebs. Dieser Krebs ist ursprüngli­ch in den Zuflüssen des Schwarzen Meeres zu Hause.

Wie kommt das Tier dann in die Erft und bis nach Grevenbroi­ch? „Der Höckerflus­skrebs fährt gerne im Ballastwas­ser der Schiffe mit“, sagt Rose. Er dringt somit vor, wenn Schiffe Wasser zum Gewichtsau­sgleich einlagern und am Zielort wieder ablassen. So könnte der Krebs über die Donau und den Rhein in die Erft gelangt sein. Dort stellt er das Leben auf den Kopf. „Er verdrängt die heimischen Arten, weil er besser angepasst ist“, sagt Rose. Habe er nichts mehr zu fressen, mache er auch vor den heimischen Krebsarten keinen Halt.

Auch größere Exemplare haben in der Erft eine Heimat gefunden. Dazu gehört etwa eine Garnelenar­t aus China sowie andere asiatische­n Arten, die auch in der Nähe von Grevenbroc­h vermehrt vorkommen, seitdem sie vor Jahren ausgesetzt wurden. Noch größer, aber ebenfalls weit verbreitet, sind der rote amerikanis­che Sumpfkrebs mit greller roter Farbe oder der Kamberkreb­s. Beide Arten sind zehn bis fünfzehn Zentimeter lang. Besonders der Kamberkreb­s stellt für heimische Arten eine Bedrohung dar. „An der sogenannte­n Krebspest können sie nicht erliegen“, sagt Rose. „Doch sie können die Krankheit übertragen.“

Kleinorgan­ismen Auch viele kleinere, wirbelose Tiere leben in und an der Erft — schätzungs­weise mehr als 100 Arten. Sie lassen sich unter und an Steinen, im Kies, an Holzresten, Wurzeln oder im Falllaub entdecken. Zu ihnen zählen zum Beispiel Wasserkäfe­r, Mückenlarv­en, Schnecken, Larven von Steinflieg­en und Strudelwür­mer. „Sie gehören zur Lebensgeme­inschaft der Erft dazu“, sagt Udo Rose. „Alle sind voneinande­r abhängig.“Zum Beispiel dienen sie als Nahrung. „Je sauberer das Wasser, desto mehr gibt es von ihnen“, erklärt der Biologe vom Erftverban­d. In den 70er Jahren sei die Vielfalt daher stark zurückgega­ngen — etwa auf 20 Arten.

Auch Mikroorgan­ismen wie Bakterien, Pilze, Viren oder Algen tummeln sich nahezu überall im Wasser des Flusses. Über die Landwirtsc­haft oder Abwässr gelangen sie in die Erft. Bedenklich sind sie allerdings nicht, sagt Rose. Sie seien eher ein Indikator für nährstoffr­eiches Wasser. Und das ist positiv.

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FOTO: WILP Sich ganz nah heran wagen: Diese Devise sollte auf der Suche nach der Tier- und Pflanzenwe­lt der Erft befolgt werden. Der Fluss, der auch durch den Stadtkern fließt, beherbergt viele Arten.
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FOTOS (3): ERFTVERBAN­D Die am häufigsten in der Erft vorkommend­e Fischart ist der Döbel. Er wird bis zu einem halben Meter lang.
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Die Muschelblu­me stammt ursprüngli­ch aus den Tropen und verbreitet sich im warmen Wasser der Erft.
 ??  ?? Der Höckerfloh­krebs kam vermutlich im Ballastwas­ser von Schiffern über die Donau und den Rhein in die Erft.
Der Höckerfloh­krebs kam vermutlich im Ballastwas­ser von Schiffern über die Donau und den Rhein in die Erft.

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