Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Andere gehen morgens joggen, ich schreibe“
Christiane Wünsche ist Bestseller-autorin und leitet das Jugendcentrum in Holzbüttgen. Wie das funktioniert, erklärt sie im Interview.
Ihr Roman „Aber Töchter sind wir für immer“stand lange weit oben auf der „Spiegel“-bestsellerliste. Mit dem Familienroman haben Sie auch Ihr bisheriges Genre, den Krimi, verlassen. Wie kam es dazu? Christiane Wünsche Mich interessiert vor allem die Psychologie der Menschen. Auch bei meinen bisherigen fünf Krimis steht die Geschichte verschiedener Charaktere im Mittelpunkt. Es sind eben keine typischen Regional-krimis mit Polizisten als Ermittler. Bislang hatte ich bei Verlagen mit Schwerpunkt Regio-krimi veröffentlicht. Nun wollte ich mit einer Geschichte mitten aus dem Leben etwas Neues wagen.
Was war ihr Ziel? Wünsche Auch überregional gelesen zu werden. Der Emons-verlag in Köln hat drei meiner Krimis veröffentlicht, der Gmeiner-verlag im Allgäu zwei. Ich habe dadurch zwar tolle Fans hier in der Gegend, möchte aber einen größeren Kreis ansprechen.
Das ist Ihnen mit Ihrem Bestseller – einem Familienepos – gelungen. Wie wurde der S. Fischer-verlag auf Sie aufmerksam? Wünsche Ich habe mir eine Literatur-agentur gesucht. Sieben Verlage wurden angeschrieben, zwei hatten Interesse.
In dem Buch geht es um eine Familie mit vier Töchtern, eine davon früh verstorben. Sie selbst sind in einer Familie mit drei Töchtern aufgewachsen. Wie viel Autobiographie steckt in dem Werk? Wünsche Gar keine, außer dem Wissen darum, wie es ist, mit Schwestern
aufzuwachsen. Zudem hatte auch mein Vater Fluchterfahrung. Er kam aus Schlesien, in meinem Buch ist es die Mutter, die eine schlesische Heimat hatte.
Hauptberuflich leiten Sie das Jugendcentrum in Holzbüttgen… Wünsche Mittlerweile arbeite ich dort seit 29 Jahren.
Wann finden Sie noch die Zeit zum Schreiben? Wünsche Morgens vor der Arbeit. Als meine Tochter so um die elf Jahre alt war, habe ich angefangen, meinen ersten Krimi zu schreiben. Wenn sie gegen halb acht zur Schule ging, habe ich etwa bis 9 Uhr geschrieben. Denn im Jugendcentrum fange ich um 9.30 Uhr an.
Das klingt unglaublich diszipliniert. Wünsche Naja, andere gehen joggen, ich schreibe. Morgens ist meine kreative Phase und tagsüber – besonders in der Mittagspause – entstehen die Geschichten in meinem Kopf.
Wie kamen Sie überhaupt zum Schreiben? Wünsche Ich habe schon als kleines Mädchen gerne Geschichten erzählt und in der Grundschule die erste geschrieben. „Der kleine Drache Tränchen“hieß diese. Mein Traum war immer, Schriftstellerin zu werden.
Doch nach dem Abitur haben Sie erst einen anderen Weg eingeschlagen... Wünsche Meine Eltern waren davon ausgegangen, ich würde Germanistik studieren. Nachdem ich aber ein soziales Jahr in der Kirchengemeinde in Düsseldorf absolviert hatte, merkte ich, dass ich gern mit Menschen arbeite. Mich für sie zu engagieren, macht mir viel Freude, und daher studierte ich Sozialarbeit an der Fachhochschule Düsseldorf.
Später kamen Sie ans Jugendcentrum, wurden 1995 Mutter, zogen ihre Tochter alleine auf und fingen dann wieder an zu schreiben. Wie gelang es Ihnen, Ihren ersten Krimi zu veröffentlichen? Wünsche Für meinen ersten Krimi habe ich zunächst keinen Verlag gefunden. Also habe ich einen zweiten geschrieben. Als dann ein Verlag anbiss, hatte ich bereits den nächsten Krimi fertig.
Ihre Bücher haben immer einen heimatlichen Bezug. Was bedeutet Heimat für Sie? Wünsche Ich bin in Lengerich/westfalen geboren. Als ich etwa ein Jahr alt war, zogen meine Eltern nach Stürzelberg, später nach Driesch. Als ich klein war, sind wir viel zu den Großeltern nach Westfalen gefahren. Ich habe einen starken Bezug dahin und früher immer gesagt, dass ich mich mehr als Westfälin fühle. Inzwischen bedeutet Heimat für mich Geborgenheit, Familie, Freunde. Und das ist alles in Kaarst.
Zwei Hunde, Leiterin des Jugendcentrums und Autorin – bleibt da noch Zeit für Hobbys? Wünsche Ich bin gerne kreativ, zeichne, male und gestalte. Gerne auch in der eigenen Wohnung, die ich regelmäßig umgestalte.
Welche Literatur lesen Sie selbst gerne? Wünsche Früher habe ich gerne und viel gelesen. Doch das fällt mir immer schwerer, weil ich inzwischen kritisch lese und im Kopf redigiere. Dennoch: Ein gutes Buch muss für mich dick sein, voller dichter Geschichten, in denen ich versinken kann.