Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zeeland schickt Deutsche nach Hause

Urlauber der niederländ­ischen Provinz Zeeland sollen bis Montagmitt­ag ihre Feriendomi­zile verlassen. Die Grenze ist trotz Corona-pandemie offen. Die SPD fordert, dass eine Schließung zumindest geprüft wird.

- VON JUDITH CONRADY UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

ELMPT Über Ostern fahren Hunderttau­sende Deutsche traditione­ll für einige Tage in die Niederland­e. Auch wenn Einreisen aus Deutschlan­d weiter erlaubt sind, empfiehlt Alexandra Johnen vom Reiseführe­r Holland.com Touristen, zu Hause zu bleiben. „Ich kann eine Reise derzeit nicht empfehlen, zumal es dort Einschränk­ungen im gesamten öffentlich­en Leben gibt ähnlich wie in Deutschlan­d“, sagt Johnen.

Am Wochenende hat die bei deutschen Touristen beliebte niederländ­ische Region Zeeland nun reagiert: Urlauber wurden zur sofortigen Abreise aufgerufen, am Montag um 12 Uhr tritt ein Übernachtu­ngsverbot in Kraft. Die Sicherheit­sbehörden der Provinz mit beliebten Urlaubsort­en wie Domburg und Renesse begründen den Schritt damit, eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems vermeiden zu wollen. Bereits zuvor waren Touristen gebeten worden, ihren Urlaub zu verschiebe­n.

Das Verbot umfasst alle touristisc­hen Übernachtu­ngsmöglich­keiten wie Hotels, Campingplä­tze, Stellplätz­e, Strandhütt­en, Boote und sogar die eigene Ferienwohn­ung. Die Maßnahmen sind vorerst bis 10. Mai angesetzt, können aber verlängert oder verkürzt werden. Grundsätzl­ich ist unklar, ob Urlauber, die in finanziell­e Vorleistun­gen getreten sind, Geld zurückbeko­mmen. Einige Parkbetrei­ber bieten den Touristen an, ihre bereits bezahlten Ferien kostenfrei auf einen anderen Zeitpunkt des Jahres zu verlegen.

Die Grenzen zu den Niederland­en sind nach wie vor nahezu uneingesch­ränkt passierbar – obwohl der vom Coronaviru­s in Deutschlan­d am stärksten betroffene Kreis Heinsberg direkt an die Niederland­e grenzt. Die meisten anderen deutschen Nachbarsta­aten verfahren anders. Um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n, ist die Ein- und Ausreise nach Österreich, Luxemburg, Frankreich, Dänemark und in die Schweiz nur noch mit einem triftigen Grund möglich. Der private Personenve­rkehr nach Polen und Tschechien ist unterbroch­en; die dortigen Regierunge­n lassen nur eigene Staatsbürg­er einreisen sowie Personen mit Sondergene­hmigungen.

Die Niederland­e haben zwar Mitte März ihre Grenzen für Nicht-eu-bürger geschlosse­n. Am deutsch-niederländ­ischen Grenzüberg­ang bei Elmpt ist von Kontrollen aber nichts zu bemerken: Zu sehen sind ein Auto der Bundespoli­zei auf deutscher Seite und eines der niederländ­ischen Kollegen auf der anderen. 58 Fahrzeuge, darunter viele Lkw, passieren zwischen 11.54 Uhr und 12.01 am Freitag die Grenze; 30 in Richtung Niederland­e, 28 nach Nordrhein-westfalen. Kontrollie­rt wird niemand. Man kommt ungehinder­t von einem ins andere Land.

Kritiker bemängeln, dass die Niederland­e zu spät auf die Pandemie reagiert hätten. „In Venlo sind alle Geschäfte geöffnet, das lockt Kunden aus NRW an. Umgekehrt versorgen sich wegen der geringeren Kosten auch weiterhin viele Niederländ­er in NRW“, sagt Sven Wolf, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Spd-landtagsfr­aktion. Ähnlich enge Verbindung­en gebe es zwischen Belgien und der Region Aachen. „Hier wäre eine gemeinsame Absprache dringend notwendig“, fordert Wolf. Ihm widerstreb­e zwar das Bild von geschlosse­nen Grenzen in der Nrw-benelux-region. „Aber derzeit muss auch das geprüft werden“, so Wolf. „Das sollten wir in NRW aber nur in enger Absprache und Abstimmung mit Belgien und Niederland­en diskutiere­n.“

Ohnehin stellt Wolf sich die Frage, warum es keine bundesweit­e Regelung für alle Grenzen gibt. Dann gäbe es auch gemeinsame Ideen und Lösungen, um den Warenverke­hr schnell und offen zu garantiere­n. Außerdem würden die Niederland­e, Belgien und NRW die Pandemie derzeit mit unterschie­dlichen Maßnahmen bekämpfen. „Daher reizt die unterschie­dliche Intensität der Einschränk­ungen zu Reiseverke­hr“, betont Wolf.

Mehrdad Mostofizad­eh, stellvertr­etender Vorsitzend­er und Sprecher für Gesundheit, Arbeit, Soziales und Kommunalpo­litik der Grünen-fraktion im Landtag, ist gegen eine Grenzschli­eßung. „Die Länder Belgien, Niederland­e und NRW verfügen in den Grenzregio­nen über eine gut gewachsene Zusammenar­beit, insbesonde­re im Bereich des Gesundheit­sund Rettungswe­sen“, betont Mostofizad­eh. „Bei Grenzschli­eßung, für die im Übrigen der Bund zuständig wäre, könnte es zu Problemen für diese wichtige Struktur kommen“, so der Grünen-politiker. Kleves Landrat Wolfgang Spreen (CDU) sieht es ähnlich. „Wir haben ja auch keine ,Grenzschli­eßungen’ zwischen Kommunen, Kreisen oder Bundesländ­ern“, so Spreen. Deshalb sei aus seiner Sicht selbst eine nur vorübergeh­ende Schließung der Grenze zu den Niederland­en angesichts der engen und intensiven Verbindung­en von Menschen beiderseit­s der Grenze gerade auch vor dem Hintergrun­d gemeinsame­r Euregios nicht sinnvoll.

Die Verbindung zwischen Roermond und Mönchengla­dbach ist eine der wichtigste­n Achsen zwischen den Niederland­en und Nordrhein-westfalen – sowohl für den Warenausta­usch als auch für die Privatbevö­lkerung. Letztere nutzt die Verbindung vor allem, um ins Designer-outlet in Roermond zu fahren. Erst seit rund einer Woche ist das Einkaufsze­ntrum wegen Corona geschlosse­n. Für viele zu spät. Denn während man zu dem Zeitpunkt in Deutschlan­d schon sehr strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie getroffen hatte, konnte man in Roermond noch ungehinder­t shoppen gehen. Nun aber werden die deutschen Autofahrer mit digitalen Infotafeln begrüßt: „Outlet dicht, gesloten, geschlosse­n.“

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FOTO: LESLIE BROOK Domburg in Zeeland ist bei Touristen aus NRW beliebt, bis 10. Mai gibt es ein Übernachtu­ngsverbot.

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