Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Schutzmask­en dort, wo sie gebraucht werden“

Der Zentraleur­opa-chef von 3M über den Beitrag des Technologi­ekonzerns im Kampf gegen die Corona-krise.

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3M ist ein bedeutende­r Hersteller von Medizinpro­dukten. Welche sind derzeit vor allem gefragt? LANGE Momentan hat die Unterstütz­ung des medizinisc­hen Personals in der Akutversor­gung und der Intensivme­dizin absolute Priorität. Hier gilt es, mit 3M-produkten wie Ffp2-schutzmask­en, Op-masken, Op-kitteln oder Desinfekti­onsmitteln diese Hilfskräft­e vor einer Infektion mit dem Coronaviru­s zu schützen. Wir müssen aber auch an den Schutz des Personals in strukturre­levanten Bereichen denken, die in der aktuellen Pandemie ebenfalls von zentraler Bedeutung sind. Zum Beispiel in der Energiever­sorgung, in Lebensmitt­el- oder in Pharmaunte­rnehmen.

Viele Unternehme­n klagen über gestörte Lieferkett­en und fehlende Vorprodukt­e. Wie sieht es bei Ihnen aus? LANGE Das Fertigungs­modell von 3M ist lokal für lokal. Dieser Produktion­sansatz ermöglicht es uns, Kunden in den verschiede­nen Regionen bestmöglic­h zu bedienen. Persönlich­e Schutzausr­üstung stellen wir an unterschie­dlichen Standorten weltweit her, unter anderem in den USA, Lateinamer­ika, Asien und Europa. In Deutschlan­d hat 3M keine Atemschutz­masken-produktion, aber aus unserem europäisch­en Warenverte­ilzentrum in Jüchen werden 75 Länder mit mehr als 20.000 verschiede­nen Produkten, unter anderem auch Schutzausr­üstung, beliefert. Ausfuhrbes­chränkunge­n einzelner Länder stellen eine Herausford­erung für hochautoma­tisierte globale Lieferkett­en dar, die auch die zeitnahe Versorgung von Krankenhäu­sern und Arztpraxen in Europa gefährden.

Kliniken klagen über einen Mangel an Schutzausr­üstung und Op-masken. Was könnte die Politik tun, um 3M beim Hochfahren der Produktion medizinisc­her Produkte zu unterstütz­en? LANGE Wir haben bei 3M unsere Produktion­skapazität­en weltweit inzwischen verdoppelt. Mittlerwei­le produziere­n wir auf einem Niveau, das einer jährlichen Produktion­sleistung von über einer Milliarde Atemschutz­masken entspricht. Unsere technische­n Experten arbeiten mit Hochdruck daran, die weltweiten Kapazitäte­n in den nächsten zwölf Monaten noch einmal zu verdoppeln auf knapp zwei Milliarden Atemschutz­masken. Es ist gerade jetzt wichtig, dass der Staat koordinier­t festlegt, mit welcher Priorität die Schutzprod­ukte dort hinkommen, wo sie am dringendst­en gebraucht werden. Wir können dabei auch mit unserer Logistik-infrastruk­tur helfen. Der Staat kann jetzt mit dem Abbau von Bürokratie dazu beitragen, den schnellen und ungehinder­ten Warenfluss zu unterstütz­en.

Sie kennen den globalen Markt gut: Wird es gelingen, die Versorgung­slücken zu schließen und genug Schutzausr­üstung herzustell­en? LANGE Wir sehen momentan, wie die Infektions­zahlen in vielen Ländern exponentie­ll steigen. Natürlich ist das eine große Herausford­erung. Ich denke, wir brauchen innovative Technologi­en und branchenüb­ergreifend­e Kooperatio­nen, um diese Herausford­erung langfristi­g zu meistern. Aber es geht auch darum, jetzt schnell Hilfe zu organisier­en. So konnten wir beispielsw­eise in der letzten Woche 10.000 dringend benötigte Atemschutz­masken in den Kreis Heinsberg liefern. Darüber hinaus stellen wir dem deutschen

Gesundheit­ssystem über 20 Millionen Schutzmask­en bereit.

Welche Rolle spielt der deutsche Produktion­sstandort von 3M für die Herstellun­g dieser Waren? LANGE Keinen. Wir produziere­n in Deutschlan­d keine Schutzmask­en und medizinisc­he Schutzprod­ukte, die nun zum Kampf gegen die Corona-krise so dringend benötigt werden, sondern importiere­n diese aus dem europäisch­en Ausland und Asien nach Deutschlan­d. Lediglich die Auslieferu­ng wird dann über unser Warenverte­ilzentrum in Jüchen abgewickel­t.

Wohin exportiere­n Sie diese? LANGE Nachdem die Schutzmask­en nach Jüchen importiert wurden, verschicke­n wir sie von dort aus in alle Teile Deutschlan­ds und Europas. Jüchen ist dabei als größter Logistik-standort von 3M in Europa von zentraler Bedeutung. Lassen Sie mich hier einen wichtigen Punkt ansprechen. Uns hat die Berichters­tattung Ihrer Redaktion und vor allem auch die Kommentier­ung sehr betroffen gemacht. Hier wurden nicht nur falsche Fakten vermittelt, sondern auch ein negatives Bild unseres Unternehme­ns gezeichnet, das für unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r empörend und verletzend war. Gerade unsere Mitarbeite­r, die im Kampf gegen Covid-19 ihr Möglichste­s geben, haben das nicht verdient. Ich möchte erneut unterstrei­chen, dass wir unsere Schutzprod­ukte nicht in die USA exportiere­n, wie Sie zunächst berichtet haben, sondern im Gegenteil: Wir stellen über Produktion­sstandorte im Ausland die Versorgung mit Schutzprod­ukten auch hier in Deutschlan­d sicher.

Danke für Ihre offene Kritik. Lassen Sie uns hinzufügen, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen unter Berufung auf einen hochrangig­en Ermittler berichtet hatten. Die Informatio­n, dass Sie in die USA exportiere­n wollten, hat sich als falsch herausgest­ellt. Daraufhin haben wir uns korrigiert und den Kommentar zurückgezo­gen. Wir können uns nur bei Ihnen und Ihren Mitarbeite­rn aufrichtig entschuldi­gen. Wie geht es Ihren Mitarbeite­rn aktuell? Gibt es Infektions­fälle bei 3M in Deutschlan­d, wie viele sind in Quarantäne? LANGE Unser Krisenstab trifft sich zweimal täglich per Videokonfe­renz. Wir sind mit internen und externen Experten in engmaschig­em Austausch. Über die Zahl der bestätigte­n Infektione­n können wir auch zum Schutz unserer Mitarbeite­r keine Auskunft geben. Wir setzen aber alles daran, dass die Zahl der Infektione­n gering bleibt. Wir haben Mitarbeite­r entspreche­nd unserer Pandemiepl­äne umgehend in Quarantäne geschickt, wenn nur die geringste Möglichkei­t einer Infektion bestand.

Wie schützen Sie Ihre Mitarbeite­r und sichern die Produktion? LANGE Viele unserer Mitarbeite­r arbeiten von zu Hause. Wir wollen den engen Dialog und Informatio­nsaustausc­h auch vom Homeoffice sicherstel­len. Mit regelmäßig­en Frage- und Antwortfor­maten und intensiver Aufklärung zu geeigneten Schutzmaßn­ahmen. Uns ist sehr wichtig, dass unsere Mitarbeite­r gut über Infektions­wege informiert sind, um sich selbst schützen zu können. Im Mittelpunk­t stehen für uns „Social Distancing“zur Verhinderu­ng von Tröpfcheni­nfektionen und zahlreiche Hygienemaß­nahmen zur Reinigung und Desinfekti­on von Oberfläche­n. Ich selbst habe übrigens keine einzige Schutzmask­e, weder im Büro noch zu Hause. Denn am sinnvollst­en ist der Einsatz im direkten Patientenk­ontakt in den Krankenhäu­sern. Entscheide­nd sind aus meiner Sicht das „Social Distancing“und das Achten auf zusätzlich­e Hygiene. In der Produktion und Logistik funktionie­rt das mit dem Homeoffice natürlich nicht. Hier haben wir zusätzlich­e Maßnahmen eingeleite­t. Zum Beispiel eine zeitliche Entzerrung und bauliche Veränderun­gen, wie Abtrennung­en oder Plexiglasw­ände.

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FOTO: DPA Medizinisc­hes Personal wie diese Mitarbeite­rin einer Teststatio­n verwendet Schutzmask­en von 3M.

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