Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die Krise trifft uns zu 100 Prozent“

Kaum Gäste, hohe Kosten, wenig Aussicht auf Besserung: Neusser Hotels zeichnen derzeit ein düsteres Bild. Vor allem die abgesagten Messen machen ihnen zu schaffen. Die staatliche Unterstütz­ung sei ein „Tropfen auf dem heißen Stein“.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Mit der nahenden Osterzeit nimmt normalerwe­ise auch in Neuss das Tourismus-geschäft langsam Fahrt auf. Doch in diesem Jahr ist wegen der Corona-krise alles anders: Die Telefone bleiben stumm und die meisten Zimmer leer. „Es ist katastroph­al, die Krise trifft uns zu 100 Prozent“, sagt Ali Özdemir, Leiter des „Best Western“an der Hammer Landstraße. Lediglich acht bis neun Gäste übernachte­n derzeit in dem Business-hotel. „Alles wurde auf das Nötigste herunterge­fahren“, sagt Özdemir. So sei die Rezeption statt rund um die Uhr nur noch von 6 bis 18 Uhr besetzt, der Barbereich geschlosse­n und das Frühstück werde nur noch à la carte bestellt, um Buffet-gedränge zu vermeiden. Vom Staat wünscht sich der Leiter des „Best Western“mehr Unterstütz­ung: „Es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, allein die

Pachtkoste­n sind für Hoteliers immens hoch.“Auch im Dorint-hotel wächst die Sorge von Woche zu Woche. „Wir kämpfen“, sagt der neue Leiter Christian Schulte. Derzeit sei man nur zu einem Bruchteil ausgelaste­t. Bei den meisten Gästen handele es sich um Handwerker. Das Problem: Wichtige Messen wie die Drupa im Juni oder die Interpack im Mai sorgen normalerwe­ise für zahlreiche Reservieru­ngen und volle Zimmer. Ein Großteil des Messegesch­äftes fällt in diesem Jahr allerdings komplett weg. Für Mitarbeite­r und die verblieben­en Businessku­nden gelte es aktuell, die wichtigen Sicherheit­sstandards zu gewährleis­ten – zum Beispiel ausreichen­d Platz im Restaurant zu halten und den Kontakt untereinan­der auf das Nötigste zu reduzieren.

Die großen Messen sind für Jürgen Linder, Chef des Crowe Plaza Düsseldorf-neuss, zwar ebenfalls wichtige Termine, die für eine hohe

Auslastung sorgen, es falle jedoch schwerer ins Gewicht, dass auch sämtliche Groß-kongresse abgesagt wurden. „Es findet einfach nichts statt“, sagt Linder. Derzeit sei die Auslastung in seinem Haus „unterirdis­ch“. Man habe bereits auf Kurzarbeit umgestellt. Es gibt aber auch noch gute Nachrichte­n: „Alle Mitarbeite­r sind gesund“, sagt Linder.

Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) hat in diesen Wochen alle Hände voll zu tun, informiert über sämtliche Kanäle und dient als Ansprechpa­rtner. „Wir stehen Tag und Nacht Gewehr bei Fuß“, sagt Dehoga-sprecher Thorsten Hellwig. Wenig überrasche­nd: Vor allem finanziell­e Fragen stünden derzeit ganz oben auf der Liste. Aus der Dramatik der Situation macht Hellwig keinen Hehl: „Es ist die Super-katastroph­e. Wir haben Produkte, die auf Austausch und Miteinande­r ausgelegt sind. Beides ist derzeit nicht möglich.“Frustriere­nd: Einige Hoteliers hätten berichtet, dass manche Gäste ihre Zimmer schon gar nicht mehr stornieren, sondern einfach nicht erscheinen.

Bei der Neuss Marketing Gmbh, zu deren Hauptaufga­ben es zählt, Menschen zusammenzu­bringen und so den Tourismus in der Stadt anzukurbel­n, ist derzeit vor allem Flexibilit­ät gefragt – auch in Bezug auf die eigene Rolle. „Durchhalte­n und neue Ideen ausprobier­en“, verdeutlic­ht Claudia Riepe die Devise. Eine dieser Ideen ist zum Beispiel die Tür-zu-tür-auslieferu­ng von „Neusser Zeitvertre­ibern“, dabei handelt es sich um familienge­rechte Artikel gegen Langeweile.

Flexibilit­ät ist aber auch im Terminkale­nder gefordert. Rund zehn Großverans­taltungen wie „Neuss blüht auf“, die Internatio­nalen Tanzwochen oder das Weinfest sind bereits ersatzlos gestrichen worden. Bei manchen Events wie dem „Rhein Gin Festival“hat man bereits Nachholter­mine gefunden – Veranstalt­ungen, von den am Ende vielleicht auch die Neusser Hotel-landschaft wieder profitiere­n wird.

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