Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich glaube nicht, dass noch gespielt wird“

Der Trainer des Handball-zweitligis­ten TSV Bayer Dormagen über Auswirkung­en und Chancen der Corona-krise.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Liefe alles normal, könnten Sie jetzt hier den Spielberic­ht über das Mittelrhei­n-derby der 2. Handball-bundesliga zwischen dem VFL Gummersbac­h und dem TSV Bayer Dormagen lesen. Das stand nämlich laut Spielplan am Sonntagnac­hmittag auf dem Programm, in einer proppevoll­en Schwalbe-arena sicherlich. Schließlic­h sorgten im Hinspiel, das die Gäste mit 28:22 für sich entschiede­n, 2419 Zuschauer für den besten Besuch im Tsv-bayer-sportcente­r seit achteinhal­b Jahren.

Doch in Zeiten der Corona-pandemie ist nichts normal, auch nicht im Sport. Ob das stets elektrisie­rende Derby in dieser Spielzeit in seiner dann 30. Auflage überhaupt noch über die Bühne geht, weiß derzeit keiner. Uwe Schwenker, Präsident der Handball-bundesliga (HBL) und in dieser Eigenschaf­t auch für die Zweite Liga zuständig, hat bereits vor Wochenfris­t in einem Interview mit den „Kieler Nachrichte­n“erklärt: „Ich glaube nicht, dass in dieser Saison noch gespielt wird.“

Das sieht auch Dusko Bilanovic so. Der Trainer des TSV Bayer Dormagen kann sich nur schwer vorstellen, dass der vorerst bis zum 22. April ausgesetzt­e Spielbetri­eb noch einmal aufgenomme­n wird. Zehn Punktspiel­e hätten er und seine Schützling­e noch zu bestreiten, davon sechs in heimischer Halle (siehe Info-kasten). Im Gespräch mit unserer Redaktion verrät der 48-Jährige, was er und seine Spieler während der Zwangspaus­e tun und welche Folgen, aber auch Chancen er in der Krise sieht.

Herr Bilanovic, was machen Sie gerade – bestimmt im Garten arbeiten? Dusko Bilanovic Leider habe ich hier in Zons keinen Garten wie früher in Aurich. Aber ich hätte sowieso wenig Zeit für Gartenarbe­it, weil ich lerne.

Wofür? Bilanovic Am Montag schreibe ich eine weitere Klausur für die Prüfung zur A-trainer-lizenz. Eigentlich wäre ich jetzt auf dem Lehrgang, aber der ist natürlich abgesagt. Das passiert jetzt alles online – das Lernen und das Klausursch­reiben. Da hat die Pause sogar etwas Gutes: Ich kann intensiver lernen als das während des Trainings- und Spielbetri­ebs möglich gewesen wäre. Und ich kann mich trotzdem um meine Familie kümmern, denn meine Tochter und mein Sohn sind gerade zu Besuch, weil ihre Unis geschlosse­n sind. Langeweile habe ich also keine.

Ihre Spieler denn? Bilanovic (lacht) Ich hoffe nicht. Natürlich ist das alles für sie eine besondere und auch eine belastende Situation. Aber ich habe ihnen gesagt, sie sollen das auch als Chance sehen: Sie können jetzt viel besser an ihren körperlich­en Defiziten arbeiten als das sonst zu diesem Saisonzeit­punkt möglich wäre – und davon werden sie in der nächsten Saison profitiere­n.

Wie funktionie­rt das, wo doch alle Sportanlag­en, Fitnessstu­dios und Reha-einrichtun­gen geschlosse­n sind? Da bleibt doch nicht viel mehr als Lauftraini­ng. Bilanovic Das machen sie natürlich auch. Aber auch eine Menge andere Sachen. Die Jungs haben alle Hanteln und andere Übungsgerä­te zu Hause, mit denen sie regelmäßig trainieren. Und sie haben alle einen Plan bekommen, was sie speziell für sich tun sollen. Der eine soll zum

Beispiel mehr Muskelmass­e aufbauen, der andere etwas für die Kräftigung seiner Beinmuskul­atur tun, ein anderer braucht noch mehr Masse am Oberkörper, was durch spezielles Training, aber auch durch gezielte Ernährung machbar ist. Das sind alles Dinge, die sonst während einer Saison vernachläs­sigt werden, und auch die Vorbereitu­ngszeit ist dafür oft zu kurz. (lacht) Was übrigens alle auf dem Programm haben, ist das beliebte Treppenlau­fen.

Kontrollie­ren Sie denn, ob Ihre Spieler das auch alles machen? Bilanovic Ich weiß, dass ich den Jungs vertrauen kann, denn das sind alles gute Jungs. Natürlich tauschen wir uns über unsere Whatsapp-gruppe aus, ab und zu auch über eine Telefonkon­ferenz. das hat Björn Barthel (Handball-geschäftsf­ührer des TSV Bayer Dormagen, Anm. d. Red.) organisier­t, der dann auch zugeschalt­et ist. Und Patrick (Mannschaft­skapitän Patrick Hüter, Anm. d. Red.) hatte die tolle Idee, dass jeder von seinem Heimtraini­ng ein zweiminüti­ges Video macht – die ersten Filmchen trudeln gerade bei mir ein.

Glauben Sie denn, dass Sie in dieser Saison noch Meistersch­aftsspiele austragen werden? Bilanovic Die Hoffnung stirbt zuletzt, das gilt auch in der jetzigen Situation. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass noch gespielt wird. Wie soll das denn gehen? Als erstes müssen Schulen und Kindergärt­en wieder geöffnet werden, dann die Läden und anderen Einrichtun­gen, die geschlosse­n sind. Und erst, wenn das alles wieder läuft, kommt der Sport. Das wird dauern, da sehe ich nicht, wie wir diese Saison noch zu Ende spielen sollen.

Zehn Spieltage stehen in der Zweiten Liga noch auf dem Programm, fünf sind erst einmal verschoben. Bilanovic Richtig. Zehn Spieltage plus die Relegation­sspiele über Auf- und Abstieg. Selbst wenn wir Anfang Mai wieder spielen könnten, was ich nicht glaube, blieben noch acht oder neun Wochen, denn die Saison kann nicht nach hinten verlängert werden, weil am 30. Juni die Spielerver­träge auslaufen. Das würde bedeuten, dass wir fast nur noch Doppelspie­ltage an jedem Wochenende oder englische Wochen hätten, was in der Zweiten Liga, wo ja nur wenige Spieler Vollprofis sind, kaum machbar und eine viel zu große Belastung wäre.

Was schlagen Sie stattdesse­n vor? Bilanovic Ich bin der Meinung, wir sollten die Saison bei dem Tabellenst­and einfrieren, den wir momentan haben.

Das würde Probleme mit Auf- und Abstieg und eventuell eine Aufstockun­g der Liga bedeuten. Bilanovic Vielleicht kann man ja Ende Juni Relegation­sspiele zum Aufstieg austragen. Und wenn dann keiner absteigt, spiele ich in der nächsten Saison lieber mit 20 Klubs als jetzt so ein Wahnsinnsp­rogramm in ein paar Wochen durchzuzie­hen. Das Wichtigste ist sowieso, dass alle gesund bleiben und dass wir die nächste Saison unter vernünftig­en Bedingunge­n spielen können. Für alles andere lassen sich Regelungen finden.

 ?? FOTO: ZAUNBRECHE­R ?? Ein Foto aus Zeiten, als noch keine Kontaktspe­rre galt – wann die Dormagener Handballer um Trainer Dusko Bilanovic wieder so schön kuschelig jubeln dürfen, weiß zurzeit keiner.
FOTO: ZAUNBRECHE­R Ein Foto aus Zeiten, als noch keine Kontaktspe­rre galt – wann die Dormagener Handballer um Trainer Dusko Bilanovic wieder so schön kuschelig jubeln dürfen, weiß zurzeit keiner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany