Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Schlechte muss in den Hintergrun­d rücken

KOLUMNE SPIRITUELL­ER ZWISCHENRU­F Pater Bruno Robeck gehört zum Zisterzien­serorden und ist Prior im Kloster Langwaden. Für den Gläubigen sind gute Nachrichte­n eine Kraft, um die Pandemie zu überstehen. Ohne sie wären wir überforder­t.

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Für schlechte Nachrichte­n ist der Hahn in der Bibel gut. Als Petrus Jesus nach dessen Verhaftung verleugnet, kräht der Hahn. Dieses einmalige – wenn auch sehr dramatisch­e – Ereignis lädt den Hahnenschr­ei toxisch auf.

Dabei hatte der Hahnenschr­ei immer eine positive Konnonatio­n, die er auch nie verlieren wird. Der Hahn kündigt den neuen Tag an. Er lässt alle Schlafende­n hören, dass das Licht zurückgeko­mmen ist. Der Hahnenschr­ei bringt die gute Nachricht, dass wir neu beginnen dürfen. In einem alten Hymnus, den wir Mönche an einigen Sonntagen am frühen Morgen singen, heißt es: „Hoffnung erwacht beim Hahnenschr­ei,/und Lindrung strömt dem Kranken zu./ Der Räuber lässt von seinem Tun,/ Gefallene vertrauen neu.“

So oft der Hahn auch kräht, er lässt mehr an die eine schlechte Nacht denken als an die vielen guten Morgen, die er ankündigt. Wir nehmen schlechte Nachrichte­n

aufmerksam­er wahr als gute. Das hängt evolutions­geschichtl­ich wohl mit unserer Selbstschu­tzfunktion

zusammen. Nur wer Gefahren rechtzeiti­g erkennt, kann sich schützen. In dieser Zeit der Pandemie merken wir jedoch, dass uns die schlechten Nachrichte­n zu schaden beginnen. Wenn es schon vorher kaum mehr erträglich war, sich in den Nachrichte­n immer nur Bilder und Berichte von Katastroph­en und Kriegen anzusehen oder anzuhören, ist es jetzt – da wir selbst eine existenzie­lle Krise erleiden – schlicht nicht mehr auszuhalte­n. Es überforder­t uns, nur Leid und Tod in aller Welt zu sehen und selbst auch in Angst und Unsicherhe­it zu leben.

„Schlechte Nachrichte­n sind gute Nachrichte­n“. Dieses ungeschrie­bene Gesetz in der Nachrichte­nlandschaf­t zählt plötzlich nicht mehr. Auf einmal wird offensiv Positives berichtet. Die Menschen, die Gutes tun, werden in den Fokus der Aufmerksam­keit gerückt. Politische Meinungen werden nicht mehr von den Kommentato­ren gegeneinan­der in Stellung gebracht, sondern es wird auf das gemeinsame Streben aller hingewiese­n, die die Krise überwinden wollen.

Wir leben von guten Nachrichte­n. Nicht ohne Grund haben die ersten Christen, die von Jesus erzählten, ihre schriftlic­hen Aufzeichun­gen „Evangelium“genannt, was so viel heißt wie „Frohe Botschaft“und „Gute Nachricht“. In der aktuellen Situation merken wir mehr als früher, wie sehr wir solche guten Nachrichte­n brauchen – nicht zur Beschwicht­igung oder zur Verdrängun­g der Nachrichte­n über Katastroph­en und Gefahren, sondern zur notwendige­n Ergänzung, denn: Gute Nachrichte­n sind immer gut, aber schlechte Nachrichte­n sind nur insofern gut, als sie zur Aufklärung und zum Abstellen der Missstände beitragen.

Übrigens hat auch der Hahnenschr­ei bei Petrus zur einer positiven Wendung geführt. Dadurch erkannte er sein Versagen und bereute seine Tat.

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