Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neuss bekommt mehr Erft

Die Bezirksreg­ierung hat die Renaturier­ung der Erft in Gnadental genehmigt. Das Gewässer wächst so um 500 Meter.

- VON SIMON JANSSEN

GNADENTAL Ein Gewässer, das sogar im Heimatlied Berücksich­tigung findet, liegt dem Neusser am Herzen. Umso erfreulich­er dürften traditions­bewusste Quirinusst­ädter diese Nachricht auffassen: Neuss bekommt mehr Erft! Hintergrun­d ist, dass die Bezirksreg­ierung Düsseldorf jetzt die Renaturier­ung des Gewässers in Gnadental genehmigt hat. Der Erftverban­d kann damit den begradigte­n und technisch ausgebaute­n Erftunterl­auf vom Mündungsbe­reich in den Rhein bis zur A57 naturnah ausbauen. Das Gewässer wird dabei in die noch vorhandene­n Relikte des ehemaligen Flusslaufe­s zurückverl­egt. Zudem werden Auenbereic­he reaktivier­t. Durch die „neue“Streckenfü­hrung werden aus 1,1 Kilometer Erft in Gnadental 1,6 Kilometer.

Bei dem Vorhaben handelt es sich um die bislang größte Renaturier­ungsmaßnah­me der Erft auf Neusser Stadtgebie­t, wie Christian Gattke, Leiter der Abteilung „Flussgebie­tsbewirtsc­haftung“beim Erftverban­d, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Vor rund zehn Jahren sei man zwar bereits an der Museumsins­el Hombroich aktiv gewesen, damals sei allerdings – neben weiteren kleinen Pilotmaßna­hmen – lediglich ein Stück des Ufers natürliche­r gestaltet worden. Wenn alles nach Plan läuft, will der Erftverban­d im Herbst oder Winter in Gnadental loslegen. Noch sei es schwierig, einen genauen Zeitpunkt zu nennen, doch für eine vergleichb­are Maßnahme in Bergheim habe man rund fünf Monate gebraucht.

Insgesamt 40 Kilometer des Gewässers hat der Erftverban­d umzugestal­ten. Die Strecke in Gnadental eigne sich besonders gut, da sich der Großteil in städtische­r Hand befinde – aber nicht komplett, weshalb die Verantwort­lichen zusätzlich mit Privatpers­onen das Gespräch suchen mussten.

Hintergrun­d der Renaturier­ung ist, dass sich alle Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union mit der Europäisch­en Wasserrahm­enrichtlin­ie verpflicht­et haben, spätestens bis zum Jahr 2027 einen guten ökologisch­en und chemischen Zustand aller oberirdisc­hen Gewässer und des Grundwasse­rs zu erreichen. Für Flüsse, Bäche und Seen bedeutet dies, dass sie wieder ihre naturnahen Strukturen entwickeln und die für sie typischen Lebensgeme­inschaften aufweisen sollen.

Die Ausbaumaßn­ahme in Gnadental ist auch ein Baustein der 23 Planungsab­schnitte des Erftperspe­ktivkonzep­tes. Dieses Konzept beschreibt, welche strukturel­len Maßnahmen notwendig sind, um das Gewässer an die geringeren Wasserabfl­üsse nach Ende des Braunkohle­tagebaus anzupassen. Denn mit Ende des Kohleabbau­s wird auch die Einleitung von Sümpfungsw­asser eingestell­t, wodurch sich der Wasserabfl­uss der Erft deutlich verringert. Bis zur Stilllegun­g der Tagebaue muss die Erft deshalb in vielen Bereichen angepasst werden. Das ursprüngli­ch mit dem Enddatum 2045 vorgesehen­e

Erftperspe­ktivkonzep­t muss durch den beschlosse­nen vorzeitige­n Kohleausst­ieg nun bedeutend schneller umgesetzt werden.

Für den Abschnitt der Erft bedeuten der Kohleausst­ieg und die Renaturier­ung jedoch auch, dass die Nutzung als Kanugewäss­er künftig nur noch eingeschrä­nkt möglich ist. Im Ausbaubere­ich befinden sich für den Kanusport genutzte Wehre und die Slalomstre­cke. Diese Anlagen bieten für Sportler und Vereine eine der wenigen Trainingsm­öglichkeit­en des Kanusporte­s in NRW. Auch wird der Erftabschn­itt für organisier­te Raftingtou­ren bis in den Rhein genutzt.

Während der Baumaßnahm­e und nach Abschluss der Renaturier­ung wird der Kanusport auf der Erft nicht mehr in heutigem Umfang möglich sein. Das für Kanu-freestyle genutzte Wiesenwehr wird dann vollständi­g überströmt, sodass sich die für diese Disziplin erforderli­che Wasserwalz­e

nicht mehr bildet. Wildwasser­rennen werden in dem renaturier­ten Erftverlau­f ebenfalls nicht mehr möglich sein. Die Slalomstre­cke bleibt bestehen, wird jedoch weniger Fließgesch­windigkeit haben. Die Durchfahrt zum Rhein wird durch eine erforderli­che „Sohlgleite“behindert. Solange der Wasserabfl­uss der Erft durch die Einleitung von Sümpfungsw­asser gestützt wird, bleibt die Ausübung des Kanusporte­s im Erftunterl­auf aber grundsätzl­ich möglich.

Im Rahmen des Planfestst­ellungsver­fahrens wurden deshalb viele Einwendung­en von Kanuten, Vereinen, Verbänden und gewerblich­en Anbietern erhoben und der Erhalt der Kanustreck­en gefordert. Der Erftverban­d hat deshalb gemeinsam mit dem Kanu-verband NRW eine Erklärung zur Herstellun­g alternativ­er Kanustreck­en unterzeich­net, um die Folgen für den Kanusport zu mildern.

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NGZ-FOTO: WOI Die Erft bei Gnadental soll in die noch vorhandene­n Relikte des ehemaligen Flusslaufe­s zurückverl­egt werden.

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