Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Neuss bekommt mehr Erft
Die Bezirksregierung hat die Renaturierung der Erft in Gnadental genehmigt. Das Gewässer wächst so um 500 Meter.
GNADENTAL Ein Gewässer, das sogar im Heimatlied Berücksichtigung findet, liegt dem Neusser am Herzen. Umso erfreulicher dürften traditionsbewusste Quirinusstädter diese Nachricht auffassen: Neuss bekommt mehr Erft! Hintergrund ist, dass die Bezirksregierung Düsseldorf jetzt die Renaturierung des Gewässers in Gnadental genehmigt hat. Der Erftverband kann damit den begradigten und technisch ausgebauten Erftunterlauf vom Mündungsbereich in den Rhein bis zur A57 naturnah ausbauen. Das Gewässer wird dabei in die noch vorhandenen Relikte des ehemaligen Flusslaufes zurückverlegt. Zudem werden Auenbereiche reaktiviert. Durch die „neue“Streckenführung werden aus 1,1 Kilometer Erft in Gnadental 1,6 Kilometer.
Bei dem Vorhaben handelt es sich um die bislang größte Renaturierungsmaßnahme der Erft auf Neusser Stadtgebiet, wie Christian Gattke, Leiter der Abteilung „Flussgebietsbewirtschaftung“beim Erftverband, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Vor rund zehn Jahren sei man zwar bereits an der Museumsinsel Hombroich aktiv gewesen, damals sei allerdings – neben weiteren kleinen Pilotmaßnahmen – lediglich ein Stück des Ufers natürlicher gestaltet worden. Wenn alles nach Plan läuft, will der Erftverband im Herbst oder Winter in Gnadental loslegen. Noch sei es schwierig, einen genauen Zeitpunkt zu nennen, doch für eine vergleichbare Maßnahme in Bergheim habe man rund fünf Monate gebraucht.
Insgesamt 40 Kilometer des Gewässers hat der Erftverband umzugestalten. Die Strecke in Gnadental eigne sich besonders gut, da sich der Großteil in städtischer Hand befinde – aber nicht komplett, weshalb die Verantwortlichen zusätzlich mit Privatpersonen das Gespräch suchen mussten.
Hintergrund der Renaturierung ist, dass sich alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet haben, spätestens bis zum Jahr 2027 einen guten ökologischen und chemischen Zustand aller oberirdischen Gewässer und des Grundwassers zu erreichen. Für Flüsse, Bäche und Seen bedeutet dies, dass sie wieder ihre naturnahen Strukturen entwickeln und die für sie typischen Lebensgemeinschaften aufweisen sollen.
Die Ausbaumaßnahme in Gnadental ist auch ein Baustein der 23 Planungsabschnitte des Erftperspektivkonzeptes. Dieses Konzept beschreibt, welche strukturellen Maßnahmen notwendig sind, um das Gewässer an die geringeren Wasserabflüsse nach Ende des Braunkohletagebaus anzupassen. Denn mit Ende des Kohleabbaus wird auch die Einleitung von Sümpfungswasser eingestellt, wodurch sich der Wasserabfluss der Erft deutlich verringert. Bis zur Stilllegung der Tagebaue muss die Erft deshalb in vielen Bereichen angepasst werden. Das ursprünglich mit dem Enddatum 2045 vorgesehene
Erftperspektivkonzept muss durch den beschlossenen vorzeitigen Kohleausstieg nun bedeutend schneller umgesetzt werden.
Für den Abschnitt der Erft bedeuten der Kohleausstieg und die Renaturierung jedoch auch, dass die Nutzung als Kanugewässer künftig nur noch eingeschränkt möglich ist. Im Ausbaubereich befinden sich für den Kanusport genutzte Wehre und die Slalomstrecke. Diese Anlagen bieten für Sportler und Vereine eine der wenigen Trainingsmöglichkeiten des Kanusportes in NRW. Auch wird der Erftabschnitt für organisierte Raftingtouren bis in den Rhein genutzt.
Während der Baumaßnahme und nach Abschluss der Renaturierung wird der Kanusport auf der Erft nicht mehr in heutigem Umfang möglich sein. Das für Kanu-freestyle genutzte Wiesenwehr wird dann vollständig überströmt, sodass sich die für diese Disziplin erforderliche Wasserwalze
nicht mehr bildet. Wildwasserrennen werden in dem renaturierten Erftverlauf ebenfalls nicht mehr möglich sein. Die Slalomstrecke bleibt bestehen, wird jedoch weniger Fließgeschwindigkeit haben. Die Durchfahrt zum Rhein wird durch eine erforderliche „Sohlgleite“behindert. Solange der Wasserabfluss der Erft durch die Einleitung von Sümpfungswasser gestützt wird, bleibt die Ausübung des Kanusportes im Erftunterlauf aber grundsätzlich möglich.
Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wurden deshalb viele Einwendungen von Kanuten, Vereinen, Verbänden und gewerblichen Anbietern erhoben und der Erhalt der Kanustrecken gefordert. Der Erftverband hat deshalb gemeinsam mit dem Kanu-verband NRW eine Erklärung zur Herstellung alternativer Kanustrecken unterzeichnet, um die Folgen für den Kanusport zu mildern.