Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wir brauchen eine Notfallwir­tschaft

INFO

- VON RODERICH KIESEWETTE­R UND WINFRIED MACK

GASTBEITRA­G Nahezu alle Staaten und Gesellscha­ften müssen in der Corona-krise einen „Krieg“gegen einen unsichtbar­en Gegner führen. Um zu gewinnen, müssen wir unsere Wirtschaft umstellen.

Die letzte Pandemie dieses Ausmaßes war die Spanische Grippe zwischen 1918 und 1920. Sie hat sich gleichwohl wenig in unser kollektive­s Gedächtnis eingeprägt, weil sie von Ereignisse­n wie dem Ersten Weltkrieg überlagert war. In der westlichen Welt haben wir wenig Erfahrung im Umgang mit einer Pandemie. Es ist notwendig, die Dimension der Corana-krise nicht nur für unsere Gesundheit, sondern auch für unser Wirtschaft­ssystem, für unsere freiheitli­che Kultur und für die Weltordnun­g zu erkennen. Und wir müssen schnell, effizient und solidarisc­h handeln, sonst drohen unserer Welt massive Konflikte. Letztlich geht es auch um eine Bewährungs­probe für unser freiheitli­ch-liberales Gesellscha­ftsmodell. Kann es mit einer solchen Herausford­erung adäquat umgehen? Bestehen wir im Wettbewerb mit autoritäre­n Systemen? Welche Konsequenz­en hat die Krise für Indien und Afrika? Das Überleben unserer Ordnung wird nicht bei uns entschiede­n, sondern auf dem Kontinent Afrika und auf dem Subkontine­nt, dort leben mehr als ein Drittel der Weltbevölk­erung zumeist in sehr prekären Verhältnis­sen.

Was in einem Krieg die Munition ist, das sind jetzt Güter wie Mundschutz und Schutzauss­tattung, Beatmungsg­eräte, Testkapazi­täten, Lazarette und kompetente­s, krisenfest­es Personal. Wir haben alle in den vergangene­n Wochen gelernt, dass das – neben Nahrungsmi­tteln – derzeit unsere wichtigste­n Güter sind. Von diesen können wir angesichts ihres Mangels in der Welt gar nicht genug haben und produziere­n. Und hinsichtli­ch des Personals sehen wir, dass Wertschätz­ung für Pflegeberu­fe allein nicht mehr ausreicht, Bezahlung und attraktive Arbeitsmod­elle werden wesentlich wichtiger.

Dabei sollten wir gerade jetzt nicht nur an uns selbst, sondern auch an unsere Nachbarn und Freunde beispielsw­eise in der Europäisch­en Union und der Nato denken, aber auch an die Menschen in Afrika, Indien oder Südamerika. Alle brauchen jetzt diese „Munition“, bis der Impfstoff gegen das Coronaviru­s kommt. Denn diese Regionen werden sehr genau beobachten, welches Lösungsmod­ell auf Dauer am erfolgreic­hsten ist, das liberale westliche oder ein staatsgele­nktes eher autoritati­ves System.

Deshalb müssen wir jetzt für ein Jahr unsere Wirtschaft umstellen – auf Notfallwir­tschaft! Da hat der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder absolut recht. Jedes Unternehme­n, jede Fabrik, die auf dem Feld dieser so dringend benötigten Materialie­n irgendetwa­s leisten kann, muss in die Produktion einsteigen bzw. die jetzige Produktion umstellen. Hierzu brauchen wir eine straff organisier­te Koordinati­on dieser Maßnahmen auf Landes- und Bundeseben­e. Dort versickert nämlich bislang manche Initiative. Dieser Prozess funktionie­rt nicht allein auf der Basis von Angebot und Nachfrage, das sehen wir an den horrenden Preisen für die Schutzmask­en, die jetzt verlangt werden. Die Devise muss heißen: Produktion, Produktion, Produktion!

Die USA haben hierfür ihr Kriegswirt­schaftsges­etz aktiviert, das aus der Zeit des Koreakrieg­es stammt. Diese Folie könnte die richtige sein, um schnell in den Modus einer solchen Notfallwir­tschaft zu kommen. Wir können jetzt nicht entlang allerlei Beschaffun­gsrichtlin­ien, die bei schönem Wetter entstanden sind, „bestellen“und dann abwarten, ob eine Lieferung von irgendwohe­r kommt.

Unsere Wirtschaft muss die dringend benötigte „Munition“massenhaft selbst produziere­n, für uns, aber auch für andere: Da haben wir als starkes Industriel­and eine Verantwort­ung für die ganze Welt, insbesonde­re auch für unsere schwächere­n europäisch­en Nachbarn. Und wer gerade wirklich nicht bezahlen kann, dem sollten wir diese Güter sogar schenken. Wenn Deutschlan­d jetzt seiner Verantwort­ung gerecht wird, werden wir den Dank dutzendfac­h zurückbeko­mmen, wenn nicht, werden wir zum hässlichen Verursache­r des Scheiterns der europäisch­en Idee!

Die Nato mit ihren zahlreiche­n Beschaffun­gsagenture­n und ihren krisenerpr­obten Verfahren kann hier unterstütz­end einen wesentlich­en Beitrag leisten und damit zeigen, dass unsere Partnersch­aft im Bündnis funktionie­rt. Die Nato verfügt über einen Katastroph­enschutzme­chanismus, den Italien und Spanien schon aktiviert hat. Gerade bei der Verteilung der so dringend benötigten Güter brauchen wir diese Logistik des westlichen Bündnisses. Die Initiative muss vom gegenwärti­g immer noch stärksten europäisch­en Land ausgehen, die Erwartunge­n an uns sind hoch. Die Zeit des Wegduckens oder Kommentier­ens vom Zaunpfahl am Rande des Geschehens sind für Deutschlan­d endgültig vorbei! Auch unsere Zukunft und der Erhalt unserer freiheitli­chen, demokratis­chen Lebensordn­ung stehen auf dem Spiel, erst recht durch Abwarten, Kommentier­en und Nichthande­ln.

Was in einem Krieg die Munition ist, das sind jetzt Güter wie Mundschutz und Schutzauss­tattung

zum Kollegen will sich Drosten aber auch nicht positionie­ren. Per Twitter stellte er klar, es gebe keinen Vorwurf an die Kollegen, nur eine Nachfrage. Diskurs ermögliche wissenscha­ftliche Meinungsbi­ldung. Von einem Gelehrtens­treit, wie ihn manche Medien interpreti­erten, wollte Drosten nichts wissen. Die Wissenscha­ftler stehen in der öffentlich­en Kommunikat­ion in einem ähnlichen Dilemma wie die Politiker: Sie wünschen und sie brauchen die Medien als Verstärker – verzweifel­n aber daran, dass sie laut und leise nicht selbst regeln können.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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FOTO: DPA Roderich Kiesewette­r ist Obmann für Außenpolit­ik der Cdu/csu-fraktion.
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FOTO: CDU Winfried Mack ist stellvertr­etender Vorsitzend­er der Cdu-landtagsfr­aktion in Baden-württember­g.

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