Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Schlechtes Vorbild Erntehelfer-brücke
Die Ungeduld in der Wirtschaft wächst, angesichts der Umsatzeinbrüche und trüber Perspektiven ist das nur zu verständlich. Der langsame Ausstieg aus dem Lockdown, so viel ist klar, wird schwieriger werden als die Vollbremsung der Volkswirtschaft. Der Staat muss abwägen, was mit Blick auf die Pandemie schon geht und wie man das Ganze fair gestaltet. Schwierig wird es, wenn die Wirtschaft mit ersten Zugeständnissen unverantwortlich umgeht, wie es offenbar bei Erntehelfern der Fall ist.
Um die Not der Bauern zu lindern, die Spargel und Erdbeeren ohne ihre Saisonkräfte nicht billig vom Feld bekommen, hat die Bundesregierung Ausnahmen beim Einreisestopp zugelassen: Erntehelfer aus Osteuropa dürfen trotz Corona-krise einreisen. Doch wenn es stimmt, was Beobachter über Zustände rund um die Flüge berichten, kann von Einhaltung strenger Sicherheitsauflagen keine Rede sein. Hierzulande dürfen Kinder nicht in Schulen und auf Spielplätze, aber an rumänischen Airports und in den Flugzeugen sitzen Erntehelfer dicht an dicht – das passt nicht zusammen. Dies ist übrigens nicht die Schuld der Saisonkräfte, sondern derjenigen, die die Transporte organisieren. Hier darf die Politik kein Auge zudrücken.
Wenig hilfreich ist auch, dass Hersteller wie VW und BMW bereits für die Zeit nach Corona um Hilfe rufen. So etwas wie die Abwrackprämie 2009 hätten sie gerne. Dabei sind Strukturwandel und Branchenkrise viel älter als die Pandemie. Gleiches gilt für Warenhäuser und manche Restaurantkette. Bund und Land sind mit ihrer Corona-politik auf Sicht gut gefahren. Nun heißt es, der Wirtschaft eine Perspektive zu geben, ohne marode Firmen am Leben zu halten. Wie die Bürger hat es auch die Wirtschaft selbst in der Hand, wie schnell Fesseln gelockert werden können. BERICHT GEDRÄNGEL AUF ERNTEHELFER-FLÜGEN, TITELSEITE