Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schlechtes Vorbild Erntehelfe­r-brücke

- VON ANTJE HÖNING

Die Ungeduld in der Wirtschaft wächst, angesichts der Umsatzeinb­rüche und trüber Perspektiv­en ist das nur zu verständli­ch. Der langsame Ausstieg aus dem Lockdown, so viel ist klar, wird schwierige­r werden als die Vollbremsu­ng der Volkswirts­chaft. Der Staat muss abwägen, was mit Blick auf die Pandemie schon geht und wie man das Ganze fair gestaltet. Schwierig wird es, wenn die Wirtschaft mit ersten Zugeständn­issen unverantwo­rtlich umgeht, wie es offenbar bei Erntehelfe­rn der Fall ist.

Um die Not der Bauern zu lindern, die Spargel und Erdbeeren ohne ihre Saisonkräf­te nicht billig vom Feld bekommen, hat die Bundesregi­erung Ausnahmen beim Einreisest­opp zugelassen: Erntehelfe­r aus Osteuropa dürfen trotz Corona-krise einreisen. Doch wenn es stimmt, was Beobachter über Zustände rund um die Flüge berichten, kann von Einhaltung strenger Sicherheit­sauflagen keine Rede sein. Hierzuland­e dürfen Kinder nicht in Schulen und auf Spielplätz­e, aber an rumänische­n Airports und in den Flugzeugen sitzen Erntehelfe­r dicht an dicht – das passt nicht zusammen. Dies ist übrigens nicht die Schuld der Saisonkräf­te, sondern derjenigen, die die Transporte organisier­en. Hier darf die Politik kein Auge zudrücken.

Wenig hilfreich ist auch, dass Hersteller wie VW und BMW bereits für die Zeit nach Corona um Hilfe rufen. So etwas wie die Abwrackprä­mie 2009 hätten sie gerne. Dabei sind Strukturwa­ndel und Branchenkr­ise viel älter als die Pandemie. Gleiches gilt für Warenhäuse­r und manche Restaurant­kette. Bund und Land sind mit ihrer Corona-politik auf Sicht gut gefahren. Nun heißt es, der Wirtschaft eine Perspektiv­e zu geben, ohne marode Firmen am Leben zu halten. Wie die Bürger hat es auch die Wirtschaft selbst in der Hand, wie schnell Fesseln gelockert werden können. BERICHT GEDRÄNGEL AUF ERNTEHELFE­R-FLÜGEN, TITELSEITE

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