Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Laschets Fahrplan

Vor den Gesprächen mit der Kanzlerin wirbt der Nrw-ministerpr­äsident für eine Lockerung der Corona-maßnahmen. Nicht alle sehen schon die Zeit dafür gekommen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Es ist ein Novum. Dass ein nordrhein-westfälisc­her Ministerpr­äsident am Ostersonnt­ag eine Fernsehans­prache hält, hat es bisher nicht gegeben. Armin Laschet hat an diesem Abend eine klare Botschaft. Es brauche einen Plan, der den Weg in eine verantwort­ungsvolle Normalität weise, so Laschet. Das gehe nicht mit einem großen Sprung, sondern bloß mit vielen kleinen, vorsichtig­en Schritten. Wenn die massiven Einschränk­ungen noch viel länger dauerten, könnten hingegen die Schäden zu groß werden.

Der Cdu-politiker ist am Osterwoche­nende nicht der einzige Ministerpr­äsident, der sich zu Wort meldet. Auch Markus Söder (CSU) wendet sich an seine Bayern, der Tenor ist jedoch ein anderer: Geduld, sagt er ein ums andere Mal, sei das Gebot der Stunde. Für Entwarnung sei es noch zu früh, meint auch der saarländis­che Cdu-ministerpr­äsident Tobias Hans. „Wir sind noch nicht über den Berg. Es gilt die Botschaft: Durchhalte­n und Abstand halten!“Er warnte davor, falsche Hoffnungen auf eine rasche Lockerung der Ausgangsbe­schränkung­en zu wecken.

Die Opposition in NRW zeigte sich von Laschets Plänen überrascht: „Der Ministerpr­äsident schwankt von einem Extrem ins andere“, sagte Spd-landeschef Sebastian Hartmann

unserer Redaktion. Erst versuche er im Eiltempo, ein knallharte­s, die Menschen stark einschränk­endes Epidemiege­setz durchzupau­ken, weil die Lage angeblich so riskant sei. Und wenige Tage später stelle er eine schrittwei­se Lockerung in Aussicht: „Das ist kein schlüssige­s Vorgehen.“Es brauche zudem ein einheitlic­hes Handeln der Länder. „Widersprüc­hliche Informatio­nen aus unterschie­dlichen Bundesländ­ern verunsiche­rn die Bevölkerun­g“, so Hartmann.

Grünen-fraktionsc­hefin Monika Düker sagte: „Armin Laschet begibt sich mit seinem Vorstoß über baldige Lockerunge­n in einen unnötigen Wettlauf der Ministerpr­äsidenten. Das ist nicht seine Aufgabe.“Hilfreiche­r sei es, wenn er dem Parlament erst einmal einen Plan vorlege, wie und wann er die Voraussetz­ungen für eine stufenweis­e Lockerung schaffe. „Das heißt unter anderem: Es muss genug Atemschutz­masken sowie Tests geben, und in den Schulen müssen vor einer Öffnung flächendec­kend Hygienesta­ndards eingehalte­n werden können.“

Laschet aber will seine Einschätzu­ng der Lage zur Basis der Gespräche am Mittwoch mit der Kanzlerin und den anderen Ministerpr­äsidenten machen. Dabei stützt er sich im Wesentlich­en auf zweierlei. Zum einen auf die von seiner Landesregi­erung beauftragt­e Heinsberg-studie unter Federführu­ng des Bonner Virologen Hendrik Streeck. Sie kommt zu dem Zwischener­gebnis, dass 15 Prozent der Bürger in der Gemeinde Gangelt eine Immunität gegen das Virus ausgebilde­t hätten.

Vor allem aber beruft sich Laschet auf den von ihm jüngst einberufen­en zwölfköpfi­gen „Expertenra­t Corona“. In der Stellungna­hme des Gremiums, über die zunächst die „FAS“berichtete, heißt es, die Besorgnis der Bevölkerun­g gehe nur teilweise auf die gesundheit­lichen Risiken durch das Virus zurück, sondern zunehmend auch auf die ökonomisch­en Kollateral­schäden. „Damit steigt die Gefahr einer Spaltung der Gesellscha­ft, verbunden mit erhebliche­n Konflikten“, schreibt der Expertenra­t. Die Konflikte zwischen jungen und alten, armen und reichen sowie bildungsna­hen und bildungsfe­rnen Bürgern werden dabei genannt.

Die Vorschläge des Expertenra­tes ähneln sehr dem am Montag veröffentl­ichten Leopoldina-gutachten für die Kanzlerin. Auch Laschets Experten schlagen vor, „die medizinisc­hen Kapazitäte­n so schnell wie möglich auszubauen“. Konkret geht es um Betten auf Intensivst­ationen, Beatmungsg­eräte, Schutzklei­dung und zusätzlich­es medizinisc­hes Personal. Auch wird geraten, Covid-19-patienten deutschlan­d-, europa- und weltweit über eine App täglich einen Fragebogen ausfüllen zu lassen. Verlangt wird das Vorantreib­en von Testverfah­ren. Voraussetz­ung für die Öffnung sei, dass das

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