Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bundestag wächst wohl weiter

Die Chancen auf ein neues Wahlrecht vor der Bundestags­wahl tendieren gegen null.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Weihnachte­n hatte sich Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus das Ziel gesetzt, noch vor Ostern das neue Wahlrecht in trockenen Tüchern zu haben, um eine weitere Aufblähung des Bundestage­s zu verhindern. Nun ist Ostern vorbei, und eigentlich auch schon die Zeit abgelaufen, um eine grundlegen­de Reform so rechtzeiti­g hinzubekom­men, dass die langen Vorlaufzei­ten vor der nächsten Bundestags­wahl im Herbst 2021 eingehalte­n werden können. Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) appelliert, wenigstens eine „Notlösung“hinzubekom­men. Doch die Gefahr ist groß, dass der Bundestag, der jetzt schon mit 709 statt 598 Abgeordnet­en an der Grenze seiner Arbeitsfäh­igkeit steht, auf 850 und mehr Mandate anwächst.

Spd-parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider verweist auf das „Brückenmod­ell“, das „neuen Schwung in die Debatte“gebracht habe. „Auf dieser Basis verhandeln wir derzeit mit allen Fraktionen und natürlich auch mit unserem Koalitions­partner“, unterstrei­cht Schneider. Damit deutet er an, wo aus Sicht der anderen Fraktionen die größte Hürde vor einer Reform liegt: Bei der uneinigen Unionsfrak­tion. Allerdings hatte Schäuble auch dem Brückenmod­ell den Kompromiss­charakter abgesproch­en.

Unionsfrak­tionsgesch­äftsführer Michael Grosse-brömer glaubt, dass eine „Notlösung“, wie Schäuble sie will, derzeit „keine Chance“habe, weil keine Fraktion jetzt eine Grundgeset­zänderung durchführe­n wolle. „So ein Thema macht man später in aller Ruhe“, sagt der Cdu-politiker unserer Redaktion. Der Bundestag sei ja derzeit auch handlungsf­ähig. Wiewohl die Fraktionsc­hefs sich eine weitere Verhandlun­gsrunde vorgenomme­n haben, deutet Grosse-brömer damit an, dass es vor der Neuwahl keine Reform mehr geben wird.

Nach dem Prinzip der Deckelung, das Kern der Brückenlös­ung der SPD ist, sollten für die nächste Bundestags­wahl Überhangma­ndate nur noch in dem Umfang zugelassen werden, dass zusammen mit den Ausgleichs­mandaten die Gesamtzahl von 690 Abgeordnet­en nicht überschrit­ten wird.

Der Vorteil laut SPD: Die Wahlkreise müssen nicht neu eingeteilt werden, um ihre Gesamtzahl zu verringern. Der Nachteil laut Union: Es wird Wahlkreise geben, in denen die Bürger einen Abgeordnet­en verbindlic­h zu ihrem Vertreter gewählt haben, der aber nicht Abgeordnet­er werden darf. Vor allem CDU und CSU wären davon massiv betroffen, da sie mit großem Abstand die meisten direkt gewählten Abgeordnet­en stellen. Sie halten eine solche Regelung zudem für verfassung­swidrig.

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