Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Bundestag wächst wohl weiter
Die Chancen auf ein neues Wahlrecht vor der Bundestagswahl tendieren gegen null.
BERLIN Weihnachten hatte sich Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus das Ziel gesetzt, noch vor Ostern das neue Wahlrecht in trockenen Tüchern zu haben, um eine weitere Aufblähung des Bundestages zu verhindern. Nun ist Ostern vorbei, und eigentlich auch schon die Zeit abgelaufen, um eine grundlegende Reform so rechtzeitig hinzubekommen, dass die langen Vorlaufzeiten vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 eingehalten werden können. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) appelliert, wenigstens eine „Notlösung“hinzubekommen. Doch die Gefahr ist groß, dass der Bundestag, der jetzt schon mit 709 statt 598 Abgeordneten an der Grenze seiner Arbeitsfähigkeit steht, auf 850 und mehr Mandate anwächst.
Spd-parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider verweist auf das „Brückenmodell“, das „neuen Schwung in die Debatte“gebracht habe. „Auf dieser Basis verhandeln wir derzeit mit allen Fraktionen und natürlich auch mit unserem Koalitionspartner“, unterstreicht Schneider. Damit deutet er an, wo aus Sicht der anderen Fraktionen die größte Hürde vor einer Reform liegt: Bei der uneinigen Unionsfraktion. Allerdings hatte Schäuble auch dem Brückenmodell den Kompromisscharakter abgesprochen.
Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-brömer glaubt, dass eine „Notlösung“, wie Schäuble sie will, derzeit „keine Chance“habe, weil keine Fraktion jetzt eine Grundgesetzänderung durchführen wolle. „So ein Thema macht man später in aller Ruhe“, sagt der Cdu-politiker unserer Redaktion. Der Bundestag sei ja derzeit auch handlungsfähig. Wiewohl die Fraktionschefs sich eine weitere Verhandlungsrunde vorgenommen haben, deutet Grosse-brömer damit an, dass es vor der Neuwahl keine Reform mehr geben wird.
Nach dem Prinzip der Deckelung, das Kern der Brückenlösung der SPD ist, sollten für die nächste Bundestagswahl Überhangmandate nur noch in dem Umfang zugelassen werden, dass zusammen mit den Ausgleichsmandaten die Gesamtzahl von 690 Abgeordneten nicht überschritten wird.
Der Vorteil laut SPD: Die Wahlkreise müssen nicht neu eingeteilt werden, um ihre Gesamtzahl zu verringern. Der Nachteil laut Union: Es wird Wahlkreise geben, in denen die Bürger einen Abgeordneten verbindlich zu ihrem Vertreter gewählt haben, der aber nicht Abgeordneter werden darf. Vor allem CDU und CSU wären davon massiv betroffen, da sie mit großem Abstand die meisten direkt gewählten Abgeordneten stellen. Sie halten eine solche Regelung zudem für verfassungswidrig.