Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das ganz andere Ostern
Der Papst segnet allein im Petersdom, Gläubige feiern im Auto Gottesdienst, und Mönchengladbach sendet ein Osterlicht.
Dass wir auf dem Weg zur Heiligen Messe im Stau stehen würden, war irgendwie zu erwarten. Schließlich kommen diesmal alle in ihrem Auto. Und das werden sie auch während des Gottesdienstes nicht mehr verlassen. Weil das Osterfest in Pandemie-zeiten eben ein besonderes und ganz und gar gewöhnungsbedürftiges ist. So wie auf dem großen Parkplatz am Düsseldorfer Messegelände. Eigentlich ist derzeit dort das Autokino platziert, an den Feiertagen aber dient es den christlichen Kirchen zur Andacht. Ordnungskräfte weisen einem die Parklücke zu, Scheibe hoch, dann wird das Radio auf 92,6 eingestellt, und schon kann es mit dem Gottesdienst losgehen – mit Ansprachen, Gebeten und Liedern. Ein insgesamt schwieriges Unterfangen.
Verordnet leere Gotteshäuser scheinen die Kirchen zu inspirieren. So war der Einfallsreichtum an diesem Osterfest enorm. Wohin man auch schaute: Überall gab es sozusagen Premieren. Und dass diesmal nichts so sein konnte, wie es all die Jahrzehnte zuvor sein durfte, wurde zur Standardbegrüßung fast aller Feiern.
Imposant – auch wegen der Respekt einflößenden Leere – die Bilder aus dem Vatikan: wie Papst Franziskus fast ganz allein im Petersdom vor Egoismus warnte, vor Gleichgültigkeit und Spaltung; wie er von einer epochalen Herausforderung für die Eu-staaten redete und schließlich – sehr ernst, sehr bei sich – den Segen „Urbi et Orbis“sprach, für eine Welt, die irgendwo fernab der Basilika daheim vor den Fernsehbildschirmen saß. Ostern endet mit der Frohen Botschaft von der Überwindung des Todes. Die Bilder schienen anderes zu verkünden. Noch deutlicher natürlich am Karfreitag vom finsteren Petersplatz vor der Basilika, auf dem Mitarbeiter eines Gefängnisses in Padua und des vatikanischen Gesundheitsamtes die Kreuzwegstationen abschritten. Und bei fast allen Feiern war das Pestkreuz aus dem 16. Jahrhundert dabei. An dieser Grundstimmung änderte selbst eine spontane Aktion
von Papst Franziskus wenig; er ließ sich in einer Sendung des italienischen Fernsehens zuschalten und erzählte der Moderatorin auf diesem unkonventionellen Weg von der Hoffnung.
Zu Zuversicht ermunterten viele – was sonst? Gott brenne wie ein Feuer für uns Menschen, so der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki. Und Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, deutete Ostern als „Gottes Angriff auf den stärksten Feind, den Tod“. Während die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, im Zdf-gottesdienst an ein österliches Kontaktverbot erinnerte: Es war der auferstandene Jesus selbst, der der trauernden Maria Magdalena untersagte, ihn zu berühren. Statt körperlicher Nähe gehe es hier um eine „Nähe, die mehr ist als Anfassen und Umarmen“, so Kurschus, die auch stellvertretende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland ist. „Ihr Leben ist berührt durch eine neue Aussicht, die stärker ist als der Tod“, sagte sie.
Bekanntlich führen – zumindest sprichwörtlich – alle Wege nach Rom, doch Glaube lebt besonders vor Ort und dort in vieler Gestalt und mit viel Fantasie. In Mönchengladbach gab es sogar ein Osterfeuer.
Von drei katholischen Kirchen der Stadt strahlten helle Scheinwerfer in den Himmel. Trotz Corona wollte man damit die Dunkelheit unserer Zeit überwinden, so Pfarrer Klaus Hurtz. Auch auf diese Weise schien die Verbindung von Himmel und Erde sinnfällig zu werden.
Dazu gehört auch das traditionsreiche Oster-turmblasen, worauf die Mitglieder des Städtischen Musikvereins in Erkelenz auf keinen Fall verzichten wollten. Also wurden alle Musiker daheim aufgenommen und ihr Spiel in einem kleinen Film wieder zusammengeschnitten. Einige hundert Menschen betrachteten später das Ergebnis auf Youtube.
Der „Renner“aber waren zweifelsohne die Autogottesdienste. Kleinere wie der in Radevormwald auf einer Wiese vor dem Gemeindehaus; und echt niederrheinische mit dem Drive-in-gottesdienst in der Bauernschaft Achterhoek bei Kevelaer. Mit 270 Autos auf einer Wiese, großen Lautsprechern und Keyboard statt Kirchenorgel.
Alles nicht ganz leicht, und je größer die Feier ist, desto schwieriger wird es. Auf dem Düsseldorfer Messeparkplatz gibt es nur wenige sinnliche Momente, wenn etwa die Anwesenden übers Radio gebeten werden, einen Moment der Stille zu wahren. Das sind Ausnahmen. Denn als gegen Ende traditionell dazu aufgerufen wird, einander den Friedensgruß zu geben – und weil dies in Corona-zeiten mit Händeschütteln verboten ist, bitte mit einem Kopfnicken zum benachbarten Fahrzeug –, machen die meisten eben das, was man im Automobil halt tut, wenn man auf sich aufmerksam machen will: man hupt, bis ein kurzes, kräftiges Hupkonzert den gesamten Platz beschallt.
Auf der Rückfahrt wird der Gottesdienst-sender nach wenigen hundert Metern immer schwächer. Das Abschlusslied geht allmählich in ein Rauschen über. Eine Leere bleibt zurück auf der A 44. Wie auch das Abschlusswort von Stadtdechant Frank Heidkamp, der sich natürlich bei allen bedankt, der sich aber wünscht, im nächsten Jahr doch wieder an einer anderen Stelle das Osterfest feiern zu können.