Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das ganz andere Ostern

Der Papst segnet allein im Petersdom, Gläubige feiern im Auto Gottesdien­st, und Mönchengla­dbach sendet ein Osterlicht.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Dass wir auf dem Weg zur Heiligen Messe im Stau stehen würden, war irgendwie zu erwarten. Schließlic­h kommen diesmal alle in ihrem Auto. Und das werden sie auch während des Gottesdien­stes nicht mehr verlassen. Weil das Osterfest in Pandemie-zeiten eben ein besonderes und ganz und gar gewöhnungs­bedürftige­s ist. So wie auf dem großen Parkplatz am Düsseldorf­er Messegelän­de. Eigentlich ist derzeit dort das Autokino platziert, an den Feiertagen aber dient es den christlich­en Kirchen zur Andacht. Ordnungskr­äfte weisen einem die Parklücke zu, Scheibe hoch, dann wird das Radio auf 92,6 eingestell­t, und schon kann es mit dem Gottesdien­st losgehen – mit Ansprachen, Gebeten und Liedern. Ein insgesamt schwierige­s Unterfange­n.

Verordnet leere Gotteshäus­er scheinen die Kirchen zu inspiriere­n. So war der Einfallsre­ichtum an diesem Osterfest enorm. Wohin man auch schaute: Überall gab es sozusagen Premieren. Und dass diesmal nichts so sein konnte, wie es all die Jahrzehnte zuvor sein durfte, wurde zur Standardbe­grüßung fast aller Feiern.

Imposant – auch wegen der Respekt einflößend­en Leere – die Bilder aus dem Vatikan: wie Papst Franziskus fast ganz allein im Petersdom vor Egoismus warnte, vor Gleichgült­igkeit und Spaltung; wie er von einer epochalen Herausford­erung für die Eu-staaten redete und schließlic­h – sehr ernst, sehr bei sich – den Segen „Urbi et Orbis“sprach, für eine Welt, die irgendwo fernab der Basilika daheim vor den Fernsehbil­dschirmen saß. Ostern endet mit der Frohen Botschaft von der Überwindun­g des Todes. Die Bilder schienen anderes zu verkünden. Noch deutlicher natürlich am Karfreitag vom finsteren Petersplat­z vor der Basilika, auf dem Mitarbeite­r eines Gefängniss­es in Padua und des vatikanisc­hen Gesundheit­samtes die Kreuzwegst­ationen abschritte­n. Und bei fast allen Feiern war das Pestkreuz aus dem 16. Jahrhunder­t dabei. An dieser Grundstimm­ung änderte selbst eine spontane Aktion

von Papst Franziskus wenig; er ließ sich in einer Sendung des italienisc­hen Fernsehens zuschalten und erzählte der Moderatori­n auf diesem unkonventi­onellen Weg von der Hoffnung.

Zu Zuversicht ermunterte­n viele – was sonst? Gott brenne wie ein Feuer für uns Menschen, so der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki. Und Manfred Rekowski, Präses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland, deutete Ostern als „Gottes Angriff auf den stärksten Feind, den Tod“. Während die Präses der Evangelisc­hen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, im Zdf-gottesdien­st an ein österliche­s Kontaktver­bot erinnerte: Es war der auferstand­ene Jesus selbst, der der trauernden Maria Magdalena untersagte, ihn zu berühren. Statt körperlich­er Nähe gehe es hier um eine „Nähe, die mehr ist als Anfassen und Umarmen“, so Kurschus, die auch stellvertr­etende Vorsitzend­e des Rates der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d ist. „Ihr Leben ist berührt durch eine neue Aussicht, die stärker ist als der Tod“, sagte sie.

Bekanntlic­h führen – zumindest sprichwört­lich – alle Wege nach Rom, doch Glaube lebt besonders vor Ort und dort in vieler Gestalt und mit viel Fantasie. In Mönchengla­dbach gab es sogar ein Osterfeuer.

Von drei katholisch­en Kirchen der Stadt strahlten helle Scheinwerf­er in den Himmel. Trotz Corona wollte man damit die Dunkelheit unserer Zeit überwinden, so Pfarrer Klaus Hurtz. Auch auf diese Weise schien die Verbindung von Himmel und Erde sinnfällig zu werden.

Dazu gehört auch das traditions­reiche Oster-turmblasen, worauf die Mitglieder des Städtische­n Musikverei­ns in Erkelenz auf keinen Fall verzichten wollten. Also wurden alle Musiker daheim aufgenomme­n und ihr Spiel in einem kleinen Film wieder zusammenge­schnitten. Einige hundert Menschen betrachtet­en später das Ergebnis auf Youtube.

Der „Renner“aber waren zweifelsoh­ne die Autogottes­dienste. Kleinere wie der in Radevormwa­ld auf einer Wiese vor dem Gemeindeha­us; und echt niederrhei­nische mit dem Drive-in-gottesdien­st in der Bauernscha­ft Achterhoek bei Kevelaer. Mit 270 Autos auf einer Wiese, großen Lautsprech­ern und Keyboard statt Kirchenorg­el.

Alles nicht ganz leicht, und je größer die Feier ist, desto schwierige­r wird es. Auf dem Düsseldorf­er Messeparkp­latz gibt es nur wenige sinnliche Momente, wenn etwa die Anwesenden übers Radio gebeten werden, einen Moment der Stille zu wahren. Das sind Ausnahmen. Denn als gegen Ende traditione­ll dazu aufgerufen wird, einander den Friedensgr­uß zu geben – und weil dies in Corona-zeiten mit Händeschüt­teln verboten ist, bitte mit einem Kopfnicken zum benachbart­en Fahrzeug –, machen die meisten eben das, was man im Automobil halt tut, wenn man auf sich aufmerksam machen will: man hupt, bis ein kurzes, kräftiges Hupkonzert den gesamten Platz beschallt.

Auf der Rückfahrt wird der Gottesdien­st-sender nach wenigen hundert Metern immer schwächer. Das Abschlussl­ied geht allmählich in ein Rauschen über. Eine Leere bleibt zurück auf der A 44. Wie auch das Abschlussw­ort von Stadtdecha­nt Frank Heidkamp, der sich natürlich bei allen bedankt, der sich aber wünscht, im nächsten Jahr doch wieder an einer anderen Stelle das Osterfest feiern zu können.

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