Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie Fleischer und Bäcker der Krise trotzen

Die Obermeiste­r der Fleischer- und der Bäcker-innung sprechen über die Auswirkung­en der Corona-pandemie auf ihre Branchen.

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Wie sehr trifft die Corona-pandemie Ihre Branchen wirtschaft­lich? WILLI SCHILLINGS Viele handwerkli­che Fleischere­ien mit Party-service oder Angeboten etwa für Unternehme­n sind sehr betroffen, denn dieses Geschäft liegt völlig am Boden. Einen Teil der Umsatzausf­älle können manche Betriebe kompensier­en, weil viele Kunden jetzt zu Hause öfter selbst kochen. RUDOLF WEISSERT Sehr unterschie­dlich. Kollegen mit einem starken Café-anteil haben Einbußen von bis zu 30 Prozent. Sehr betroffen sind auch Kollegen, die beispielsw­eise Unternehme­n, Verwaltung­en oder Schulen beliefern. Das reine Ladengesch­äft wird teilweise sogar intensiver nachgefrag­t. Die Kunden halten uns die Treue, und sie kaufen teilweise mehr Brot und auch Kuchen. Ein Problem ist, dass die einzelnen Kommunen unterschie­dliche Richtlinie­n für die Betriebe erlassen haben. In manchen Städten und Gemeinden darf nur jeweils ein Kunde in ein Ladenlokal. Ich selbst habe in meiner Bäckerei in Krefeld eine Art Kontaktsch­utz gebaut, so dass bis zu vier Kunden gleichzeit­ig im Geschäft sein dürfen und die Mindestabs­tände gewahrt bleiben.

Rechnen Sie damit, dass Betriebe wegen der wirtschaft­lichen Folgen der Corona-pandemie schließen? SCHILLINGS Betriebe, die sich in erster Linie auf Catering und Party-service spezialisi­ert haben, könnten Schwierigk­eiten bekommen, wenn der momentane Zustand noch länger andauert.

WEISSERT Ich hoffe es nicht und rechne auch nicht damit. Ein gesunder Handwerksb­etrieb wird die Pandemie wirtschaft­lich irgendwie überstehen. Hier spielt auch eine Rolle, dass die Soforthilf­en des Staates sehr unbürokrat­isch und schnell ausgezahlt worden sind. Das hat vielen kleineren Betrieben gerade am Anfang geholfen. Anders sieht es bei den Kreditverg­aben aus, die sehr aufwendig beantragt werden müssen und von den Banken trotz der Bürgschaft­en der KFW mit hohen Hürden versehen werden.

Wie können Schließung­en verhindert werden? WEISSERT Wir appelliere­n an unsere Kunden, weiter – wie bisher schon – ihrer Bäckerei oder Fleischere­i treu zu bleiben. Dafür sind wir sehr dankbar. SCHILLINGS Absolut. Wichtig ist natürlich, dass sich das Leben insgesamt bald wieder normalisie­rt.

Zum Teil sind ganze Einnahmezw­eige weggebroch­en. Was bedeutet das für die Unternehme­n beziehungs­weise Mitarbeite­r? SCHILLINGS Zurzeit werden Mitarbeite­nde, die beispielsw­eise in der Küche gearbeitet haben, im Verkaufsbe­reich eingesetzt. WEISSERT In vielen Betrieben sind zunächst Überstunde­n und Resturlaub aus 2019 abgebaut worden. Teilweise konnten auch Minusstund­en aufgebaut werden, die später verrechnet werden können. So wollen einige Betriebe die Beantragun­g von Kurzarbeit vermeiden.

Was können die Betriebe unternehme­n, um Einnahmeve­rluste aufzufange­n? Welche neuen Angebote gibt es? SCHILLINGS Viele Fleischere­ien bieten verzehrfer­tige und vakuumverp­ackte Gerichte an, die sich einige Tage halten und die Kunden für sich selbst oder auch für Nachbarn mitnehmen können. Außerdem sind Lieferserv­ices aufgebaut und eingericht­et worden. Die Kunden nehmen das gut an und sind sehr dankbar. So tragen wir als Handwerk unseren Teil bei, auch in dieser besonderen Situation die Versorgung der Menschen mit hochwertig­en Lebensmitt­eln sicherzust­ellen. WEISSERT Viele Kollegen haben Lieferserv­ices aufgebaut, die auch gut und dankbar angenommen werden, vor allem von älteren oder erkrankten Menschen.

Inwieweit können Einnahmeve­rluste auf diese Weise kompensier­t werden? SCHILLINGS Sagen wir’s mal so: Es hilft, den Schaden in Grenzen zu halten.

WEISSERT Ich denke, dass viele Betriebe auf diese Weise Umsatzverl­uste begrenzen können. Wobei wir den Lieferserv­ice auch als Beitrag sehen, in dieser besonderen Zeit unserer sozialen Verantwort­ung nachzukomm­en und die Versorgung der Kunden sicherzust­ellen.

Welche Rolle spielen digitale Angebote? SCHILLINGS Viele Kunden informiere­n sich über das Internet über Menüs und andere aktuelle Angebote sowie über Leistungen und Services unserer Betriebe. WEISSERT Viele Bäckereien nutzen das Internet und soziale Medien, um ihre Angebote zu kommunizie­ren. Wer vorher bereits einen Onlineshop hatte, könnte ebenfalls profitiere­n.

Was hat sich für Metzger und Bäcker im Alltag geändert? SCHILLINGS Die Corona-krise bedeutet für uns auch einen großen Flexibilit­ätstest. Wir stellen uns auf die veränderte Situation ein, es ist auch für uns eine besondere und hektische Zeit. Natürlich müssen wir viel informiere­n und Aufklärung leisten, welche Schutz- und Hygienemaß­nahmen wir ergreifen und woher unsere Produkte stammen. WEISSERT Da viele Kantinen und Schulen geschlosse­n sind, ist der morgendlic­he Zeitdruck für die Bäckereien, die solche Einrichtun­gen beliefern, nicht mehr ganz so groß. Inzwischen haben wir uns auch an die Vorsichtsm­aßnahmen im Geschäft, wie etwa Abstandsha­lter und

Mundschutz, gewöhnt.

Sind die staatliche­n Corona-hilfen geeignet, um Ihre Branchen zu stützen? SCHILLINGS Für den Moment sehe ich gute Ansätze, was die Soforthilf­en angeht. Wir müssen abwarten, wie sich die Lage entwickelt und ob die Hilfen ausreichen. WEISSERT Ja. Der Staat hat schnell und in großer Einmütigke­it der Parteien reagiert, um die negativen Auswirkung­en für die Betriebe zumindest abzumilder­n.

Wie werden die staatliche­n Hilfen angenommen? WEISSERT Die betroffene­n Betriebe haben die Sofort-hilfen beantragt und auch schnell bekommen. SCHILLINGS Ich denke, dass viele Metzgereie­n im Moment noch abwarten, wie sich die Umsätze entwickeln und ob sie möglicherw­eise Kredite benötigen.

Wo muss nachgebess­ert werden? SCHILLINGS Stand heute sind die Maßnahmen und Unterstütz­ung des Staates sehr anerkennun­gswert. Falls sich weiterer Bedarf ergibt, hoffe ich darauf, dass die Politik auch dann entspreche­nd flexibel reagiert. WEISSERT Wenn Betriebe längerfris­tig wirtschaft­lichen Schaden nehmen, sollte über entspreche­nde unterstütz­ende Maßnahmen bei einer möglichen Umstruktur­ierung der Unternehme­n nachgedach­t werden.

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FOTO: WOI Willi Schillings ist Obermeiste­r der Fleischer-innung Niederrhei­n, der Betriebe aus dem Rhein-kreis, Krefeld und Viersen angehören.
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F.: KREISHANDW­ERKERSCHAF­T Rudolf Weißert ist Obermeiste­r der Bäcker-innung.

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