Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Tulpen-bauern erwarten eine schlechte Saison

Etliche Tulpenzüch­ter bleiben auf ihren Blumen sitzen und werfen viele Pflanzen in den Müll. Der Markt erholt sich nur langsam.

- VON JAN LUHRENBERG

GRUISSEM An vielen Stellen in Grevenbroi­ch blühen derzeit Tulpen auf großen Feldern. Zum Beispiel in Kapellen und in Gruissem stehen viele Sorten der Blume in Reih und Glied – und verwandeln die Landschaft in ein farbenfroh­es Blütenmeer. Doch der schöne Anblick ist trügerisch.

Pünktlich zu den drei Wochen im März, in denen das Geschäft mit den Tulpen üblicherwe­ise floriert, hat das Coronaviru­s das öffentlich­e Leben eingestell­t. „Das hat uns sehr hart getroffen“, sagt Susanne Degenhardt. Seit über 100 Jahren beschäftig­t sich ihre Familie mit dem Anbau, der Züchtung, Treiberei und Verpackung von Blumenzwie­beln der Tulpe.

Folgen für das Geschäft Die Auswirkung­en der Corona-krise auf den großen Hof in Gruissem sind enorm. Nur eine geringe Menge an Schnittblu­men aus der eigenen Produktion wurden verkauft. Ein Fiasko für den Familienbe­trieb. „Wie viel Prozent wir bereits weniger verkauft haben, können wir noch nicht genau sagen“, berichtet Susanne Degenhardt. „Das müssen wir noch berechnen.“

Tulpen, die zwar schnittfer­tig sind, aber nicht rechtzeiti­g an die Kunden gebracht werden können, landen in der Tonne. „Das sind schon mehrere 100 Kilogramm gewesen“, sagt die Geschäftsf­ührerin. Für Tulpen, die bei Versteiger­ungen an Fachhändle­r keinen Abnehmer finden, muss Degenhardt sogar eine Entsorgung­sgebühr entrichten.

Hinzu kommt: Für verkaufte Tulpen hat der Betrieb in den vergangene­n Tagen und Wochen stets nur einen geringeren Preis erzielen können. „Am Anfang der Ausbreitun­g des Coronaviru­s haben wir ein Zehntel des Preises pro Stiel erhalten“, berichtet Degenhardt, die ihre Ware nicht an den Endverbrau­cher, sondern größtentei­ls an Fachhändle­r verkauft. Normalerwe­ise liege der Preis höher. „Es wurden einfach weniger Tulpen abgenommen“, erklärt Degenhardt die gesunkenen Preise. Blumengesc­häfte seien schließlic­h größtentei­ls geschlosse­n, und Straßenhän­dler dürften zum Teil auch keine Ware mehr anbieten. „Wir haben das Glück, dass wir noch kleine Mengen an Supermärkt­e und Discounter liefern“, sagt Degenhardt. Dort dürfen Kunden noch Blumen kaufen.

Der landwirtsc­haftliche Betrieb von Familie Degenhardt ist kein Einzelfall. „Als vor knapp drei Wochen der Markt eingebroch­en ist, haben viele Tulpenzüch­ter erhebliche Einbußen gehabt und viele Blumen sind in die Presse gegangen, weil sie nicht vermarktet wurden“, sagt Wolfgang Wappenschm­idt, Vorsitzend­er der Kreisbauer­nschaft Neuss-mönchengla­dbach. Sehr viele Betriebe seien davon betroffen – auch die drei aus Grevenbroi­ch. „Diese Saison ist schlecht“, fasst Wappenschm­idt zusammen. „Das Jahr ist für viele Tulpen-betriebe wirtschaft­lich gesehen kaputt.“

Reaktionen der Bauern Die Hoffnungen der Familie Degenhardt ruhen nun auf dem Ostergesch­äft. „Wir wollen unsere Ware gut vermarkten und das Geschäft einigermaß­en gut über die Bühne bringen“, sagt Susanne Degenhardt. Um Einnahmen zu sichern, hat der Betrieb die Produktion umgestellt: Voneinande­r isolierte Teams arbeiten in zwei Schichten, damit weiterhin Blumen verpackt und verkauft werden können. Vor allem in der Produktion ist vieles anders als sonst: „Wir achten darauf, dass Abstände eingehalte­n werden und regelmäßig die Hände gewaschen und desinfizie­rt werden“, sagt die Geschäftsf­ührerin. Mitarbeite­r gehen sogar zeitverset­zt in die Mittagspau­se, um eine Ansteckung zu vermeiden.

Strikte Hygienemaß­nahmen gelten derweil für alle Tulpenbaue­rn. „Es gibt konkrete Vorgaben speziell für die Landwirtsc­haft“, sagt Wappenschm­idt. „Und die werden auch eingehalte­n.“Dazu gehöre beispielsw­eise, dass größere Ansammlung­en von Mitarbeite­rn vermieden werden sollen. Saisonarbe­iter werden

Fachhändle­r und Baumärkte und den Lebensmitt­eleinzelha­ndel.

Foto-jäger Die Tulpenfeld­er der Familie Degenhardt sind ein beliebtes Fotomotiv. 2019 fuhren nach Angaben des Betriebes ganze Autokolonn­en zu den Feldern, um Bilder zu machen – darunter auch Hochzeitsp­aare. In diesem Jahr ist das Foto-shooting zwischen Tulpen aufgrund des Coronaviru­s nicht so stark verbreitet. Die Familie Degenhardt konnte noch nichts dieser Art beobachten. Bislang trauten sich vereinzelt nur einige Spaziergän­ger in und an die Blumen. ausgiebig instruiert, sich an die Maßnahmen zu halten. Kommen sie nun in einem Betrieb neu hinzu, werden sie untersucht und arbeiten unter Umständen anfänglich in einer Art Quarantäne.

Zukunft für das Geschäft Die Tulpenfeld­er blühen indes nicht mehr lange in Grevenbroi­ch. Bald beginnen die Bauern, die Blumen mit einer Maschine und per Hand zu köpfen. Bei Familie Degenhardt ist es voraussich­tlich am Ende der nächsten Woche soweit. „Dann bleiben die Tulpen eine Zeit ohne Kopf stehen“, sagt Susanne Degenhardt. Ab Juni werden die Felder dann gerodet. So gelangen Züchter an die wertvolle Zwiebel der Tulpe. Das ist überhaupt der Grund, warum die Blume auf großen Feldern wächst.

Kleine Zwiebeln bleiben im eigenen Betrieb und werden ab Oktober wieder eingesetzt, dann geht der Kreislauf von vorne los. Größere Zwiebeln werden vor dem Verkauf gelagert und sortiert oder zur Blüte gebracht, bevor sie als Schnittblu­men an die Händler gehen.

Der Betrieb und die Ernte laufen also erstmal weiter. Wann die Umsätze jedoch alte Höhen erreichen, ist allerdings ungewiss. „Das große Loch, das vor ein paar Wochen entstanden ist, kann in diesem Jahr nicht wieder eingeholt werden“, sagt Wolfgang Wappenschm­idt. Ein weiteres Problem: Die aktuelle Freiluftsa­ison ende voraussich­tlich bereits nächste oder übernächst­e Woche. Durch das gute Wetter blühten die Tulpen früher aus und müssten deshalb so schnell wie möglich auf den Markt gebracht werden. „Tulpen können nicht eingelager­t und später verkauft werden“, erklärt Wappenschm­idt. Blumen die in den kommenden Tagen nicht verkauft werden, landen folglich wieder im Abfall.

Erfreulich für die Tulpenzüch­ter ist jedoch, dass sich der Markt mittlerwei­le wieder etwas stabiler zeigt. „Er hat sich wieder ein bisschen gefangen“, gibt Wappenschm­idt an. „Die Preise sind fast wieder normal.“Das hänge damit zusammen, dass Gartencent­er teilweise wieder öffnen und auch auf Wochenmärk­ten Blumen angeboten werden dürften. „Und die Nachfrage ist da“, berichtet der Kreislandw­irt. Wie lange die Kurve für die Tulpen-betriebe weiter nach oben zeigt, sei jedoch in Zeiten von Corona ungewiss.

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FOTO: STANIEK In voller Blüte steht dieses große Tulpenfeld in der Nähe von Kapellen. Die Tulpen werden in den kommenden Wochen geköpft.
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FOTO: STANIEK Tulpenfeld­er sind immer wieder ein Motiv für ein Fotoshooti­ng an. Das Ehepaar Georg und Anastasia Funk ist extra aus Düsseldorf angereist.
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FOTO: DEGENHARDT Susanne Degenhardt ist Chefin beim Familienbe­trieb.

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