Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Rettungsakt unter dem Schutzschirm
Karstadt Kaufhof, Esprit, ego – prominente Firmen im Kampf gegen eine drohende Insolvenz.
DÜSSELDORF Bis zum Beginn der Corona-krise war das Schutzschirmverfahren vermutlich vielen nicht geläufig. Dabei gab es schon vorher prominente Beispiele: die Modemarke Strenesse, den Suhrkamp-verlag, den Tv-riesen Loewe, den Bekleidungskonzern Wöhrl. In der aktuellen Krise, die das Geschäft vieler Unternehmen seit Wochen lahmlegt, sind namhafte Konzerne dazugekommen: der Warenhausbetreiber Galeria Karstadt Kaufhof, der Modekonzern Esprit, der Elektroauto-anbieter ego.
Wie sind die Aussichten? „Bei Esprit hängt vieles davon ab, wann die Läden wieder öffnen dürfen. Und bei ego müssen Investoren noch mal Geld geben“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Biner Bähr aus der internationalen Kanzlei White & Case, der in beiden Fällen als Sachwalter dabei ist. Nach Angaben aus dem Umfeld des Unternehmens braucht der Elektroauto-anbieter einen dreistelligen Millionenbetrag.
Was allen Unternehmen unter dem Schutzschirm gemein ist: Es besteht Hoffnung. Andernfalls wäre es gar nicht erlaubt, unter den Schirm zu schlüpfen. Das Verfahren ist für jene ein Rettungsanker, bei denen staatliche Liquiditätshilfen und Kurzarbeitergeld nicht mehr ausreichen. Oder bei denen die Kreditverhandlungen mit den Banken offenbar zu schwierig geworden sind. Das war beispielsweise bei Galeria Karstadt Kaufhof so. „Dieser Prozess ist sehr bürokratisch, kostet wertvolle Zeit, ist mit zusätzlichen Hürden verbunden“, hatte Finanzchef Miguel Müllenbach vor einigen Wochen eingeräumt. Darauf könne das Unternehmen nicht noch weitere Wochen warten. Die Verhandlungen zwischen dem Warenhauskonzern und den Geldhäusern waren zäh, weil die Risikoprüfung viel Zeit verschlang. Das ist aus Bankensicht nachvollziehbar, aus Sicht des Kreditsuchenden qualvoll.
Dann lieber Schutzschirm. Um das Verfahren in Anspruch nehmen zu können, darf ein Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sein, und die Sanierung darf nicht von vornherein aussichtslos sein. „Dies können Unternehmen nur mit Hilfe externer Berater beurteilen“, sagt Bähr. Wegen dieser Expertise von außen müssten die zu beratenden Firmen auch eine gewisse Größe haben: „Für kleinere Unternehmen, die sich eine solche externe Unterstützung finanziell nicht leisten können, scheidet ein Schutzschirmverfahren bereits aus diesem Grund faktisch aus.“Gewisse Größe heißt: Die Belegschaft sollte mindestens 200 Köpfe stark sein.
Wichtig: Der Begriff Schutzschirm ist nur rhetorisch. Formal geht es auch hier um ein Insolvenzverfahren. Aber eben ohne festgestellte Zahlungsunfähigkeit. „Der Gesetzgeber hat den Schutzschirm in die Insolvenzordnung eingefügt, um einen Anreiz zu schaffen, das Verfahren frühzeitig zu starten“, so Bähr. Der makelbehaftete Begriff Insolvenzverfahren bleibt zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung erst mal erspart.
Nach der Eröffnung des Verfahrens bleibt dem Unternehmen drei Monate Zeit, einen Sanierungsplan aufzustellen. In dieser Zeit, und das ist der entscheidende Unterschied zu einem sogenannten Regelinsolvenzverfahren oder einem Verfahren in Eigenverwaltung, ist der Sanierungskandidat vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Die Geschäftsführung bleibt im Amt und kann diesen Plan selbst entwickeln – mit Hilfe eines Sachwalters, den das Unternehmen selbst vorschlagen kann und der dann gerichtlich bestellt wird.
Für Gläubiger, denen der Wackelkandidat Miete schuldet, bei denen er Maschinen oder Autos geliehen hat, ist das Verfahren auf den ersten Blick nachteilig. Aber: Das Unternehmen hat durch das Aussetzen der Zahlungen vorübergehend mehr Geld in der Kasse. Und weil der Staat zusätzlich über das Insolvenzgeld für drei Monate die Lohnzahlungen an die Beschäftigten übernimmt, bleibt das Unternehmen liquide. Apropos Beschäftigte: Arbeitnehmer haben auch im Schutzschirmverfahren Kündigungsschutz. „Kündigungen sind nur zum Monatsende mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist möglich, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist“, erklärt Bähr.