Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Schützenhauptstadt“ohne Schützenfeste
Regierungschefs von Bund und Land verbieten bis zum 31. August alle Großveranstaltungen. Damit fallen die Brauchtumsfeste weg.
NEUSS Was bisher nur Kriege, Hunger und Inflation vermochten, schafft jetzt das Coronavirus: Neuss, die selbsternannte Schützen-hauptstadt Deutschlands, feiert in diesem Jahr kein einziges Schützenfest. Denn mit der am Mittwoch zwischen der Bundesregierung und den Länderchefs getroffenen Regelung, Großveranstaltungen mindestens bis zum 31. August grundsätzlich zu untersagen, sind nicht zuletzt die großen Brauchtumsveranstaltungen nicht zu halten. „Das trifft uns hart – wie ein Blattschuss“, sagt Bürgermeister Reiner Breuer.
Die Verfügung hatten gleichwohl die meisten Verantwortlichen in dieser Form schon befürchtet. So hatte der Neusser Schützenpräsident Martin Flecken bereits am Dienstagabend die Präsidenten und Brudermeister der Stadtteil-schützenvereine davon in Kenntnis gesetzt, dass er persönlich mit einem Verbot bis zum Jahresende rechnet. Vor diesem Hintergrund machen für ihn Überlegungen keinen Sinn, das Böllern vom 29. August einfach über den Stichtag hinaus um eine Woche auf den 5. September zu verschieben. Das wäre auch weder satzungskonform noch solidarisch, sagt Flecken.
Das sieht Georg Nellen, Brudermeister der Norfer Schützenbruderschaft, ähnlich. Diese beschließt – noch nach den ebenfalls im September feiernden Bürgerschützen aus Uedesheim – jedes Jahr die Reihe der Volksfeste in Neuss. Er will zwar noch ein Stimmungsbild einholen, bezweifelt aber stark, dass „wir noch Lust haben zu feiern, wenn andere nicht durften“.
Mit dem Aus für die Kirmes im Ort werden sich auch in vielen Fällen die Schießen, Ehrenabende oder „Zog-zog-veranstaltungen“erledigt haben. Einer, der das schon spürt, ist der Neusser Schützenkönig Kurt
Koenemann. „Vor fünf Wochen hatte ich noch einen vollen Terminkalender, jetzt ist er blank“, sagt Koenemann, der nun – als erster Regent nach dem Krieg – für mehr als ein Jahr Schützenkönig sein wird. Seine Garderobe für die Festtage hat er schon zusammen, die Reinzeichnung für seinen Orden lag ihm am Mittwoch ebenfalls erstmals vor, jetzt muss er umdisponieren. Er will „das Beste daraus machen“.
Leid tun Koenemann vor allem die Schausteller und die Wirte, die mit den Volksfesten einen meist großen Teil ihres Einkommens erzielen. „Hoffentlich kommen die alle einigermaßen gut durch die Krise.“
Den größten Handlungsdruck in Sachen Volksfeste machte Ordnungsdezernent Holger Lachmann bei den Further St.-sebastianus-schützen aus. Die hätten eine endgültige Entscheidung zur Pfingst-kirmes nur noch bis Ende April aufschieben können, jetzt wird sie ihnen abgenommen. Darauf wartet auch Martin Flecken, der von sich aus nicht einfach die Kirmes absagen will: Wenn angeordnet werde, dass das Fest nicht stattfinden kann, sei die Vertragslage des Vereins gegenüber seinen Partnern mit Blick auf Haftungsfragen besser.
Dezernent Lachmann will nun abwarten, wie das Land den Terminus Großveranstaltung definiert. Er rechnet mit einer Grenze bei 1000 Personen – und dann fallen noch ganz andere Veranstaltungen weg.
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