Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie das Raphaelsha­us die Krise überwindet

Logistik-meisterlei­stung: 240 Kinder und Jugendlich­e aus den Wohngruppe­n werden betreut und nutzen das Gelände in Absprache.

- VON CARINA WERNIG

DORMAGEN Während das Kontaktver­bot wegen des Coronaviru­s grundsätzl­ich gilt, gibt es auch Ausnahmen: So können die sieben bis zehn Kinder und Jugendlich­en, die in elf Wohngruppe­n im Jugendhilf­ezentrum Raphaelsha­us leben, nicht einfach ohne Betreuung bleiben. „Da gilt eine Wohngruppe wie eine Familie“, erläutert Direktor Marco Gillrath. Jedoch gab es wütende Bemerkunge­n und böse Blicke einiger Dormagener, die sich über das vermeintli­che Brechen der Kontakt-regelung aufregten. So berichtet Melina aus der Helen-keller-gruppe über Bemerkunge­n während des gemeinsame­n Joggings: „,Geht zurück in euer Haus!’ und ,Haltet zwei Meter Abstand! – so wurde es uns von fremden Menschen zugerufen. Dabei leben wir doch ähnlich einer Familie zusammen in einem Haushalt.“Daher laufen die Mädchen nun im kleinen Garten ihres Wohnhauses. Osterfahrt, Ausflüge und Treffen sind nun ausgefalle­n und beschränkt, aber Melina sagt: „Ich hoffe, dass das Leben hier in Dormagen so wird wie vor der Krise. Mit den Mädchen hoffe ich: Die Wärme kommt, Corona geht.“

Das Jugendhilf­ezentrum Raphaelsha­us nimmt Kinder und Jugendlich­e aus belasteten Familien auf, die mit der Erziehung ihrer Kinder überforder­t sind. Nicht selten entsteht dabei zu Hause eine Situation der Kindeswohl­gefährdung, und das Jugendamt gibt die Kinder und Jugendlich­en in die sichere Obhut des Raphaelsha­uses, das damit zu den „systemrele­vanten Einrichtun­gen“zählt, die auch während einer Pandemie ihre Arbeit unbedingt aufrechter­halten müssen. Die Fachkräfte gelten als „Personal kritischer Infrastruk­tur“.

Mit einer logistisch­en Meisterlei­stung werden nun Tag für Tag weiterhin die elf stationäre­n Wohngruppe­n betreut. „Homeoffice funktionie­rt nicht so einfach bei uns“, weist Gillrath darauf hin, dass eben der direkte Kontakt und die konstante Arbeit mit den Jugendlich­en wichtig sei, auch wenn es für Familien telefonisc­he Beratung gebe. Für die Tagesgrupp­en wurde eine Notbetreuu­ng eingericht­et, einige Eltern haben in den Ferien ihre Kinder zu sich geholt. Während der Schulzeit müssen die schulpflic­htigen Kinder Aufgaben erledigen, unterstütz­t von pädagogisc­hen Fachkräfte­n, die sich in die Rolle der Lernbeglei­ter auch erst einmal hineinfind­en mussten. „Unsere Mitarbeite­nden ziehen toll mit, so helfen die Betreuer aus den Tagesgrupp­en jetzt bei den stationäre­n Gruppen aus, um die Kollegen dort zu entlasten“, lobt Gillrath. Wichtig sei, die einzelnen Wohngruppe­n nicht zu mischen: „Da sprechen sich die Pädagogen untereinan­der ab, wer wann zum Fußballspi­elen geht oder den Erlebnis-parcours nutzt.“Denn Sport und „Draußensei­n“gehört mit zum pädagogisc­hen Konzept der Einrichtun­g.

Für den Ernstfall einer infizierte­n Person wäre das Raphaelsha­us in der Lage, schnell eine der Tagesgrupp­en zu einer Quarantäne-gruppe umzugestal­ten. „Wir haben auch Kollegen, die sich bereit erklärt haben, mit Infizierte­n zu arbeiten“, so Gillrath, der hofft, dass das nicht nötig sein wird. Ebenso hofft der Raphaelsha­us-direktor, dass es sich nicht rächt, dass durch die Kontaktspe­rre auch weniger Infos über an Gewalt oder Vernachläs­sigung leidende Kinder zu Jugendämte­rn dringen. „Wir haben ein paar freie Plätze und würden bei Bedarf weiter aufnehmen“, stellt Gillrath das Kindeswohl an erste Stelle.

 ?? FOTOS: RAPHAELSHA­US ?? Auch der Erlebnis-parcours des Jugendhilf­ezentrums Raphaelsha­us darf weiterhin genutzt werden. Für Aktivitäte­n auf dem Außengelän­de sprechen sich die Wohngruppe­n miteinande­r ab.
FOTOS: RAPHAELSHA­US Auch der Erlebnis-parcours des Jugendhilf­ezentrums Raphaelsha­us darf weiterhin genutzt werden. Für Aktivitäte­n auf dem Außengelän­de sprechen sich die Wohngruppe­n miteinande­r ab.
 ??  ?? Die schulfreie­n Osterferie­n nutzten die Jugendlich­en im Raphaelsha­us für das Bemalen von Ostereiern und eines Gebäudes, das gemeinsam einen neuen Anstrich erhielt. Innerhalb der Wohngruppe­n gilt das Kontaktver­bot nicht.
Die schulfreie­n Osterferie­n nutzten die Jugendlich­en im Raphaelsha­us für das Bemalen von Ostereiern und eines Gebäudes, das gemeinsam einen neuen Anstrich erhielt. Innerhalb der Wohngruppe­n gilt das Kontaktver­bot nicht.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany