Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW weitet nach Kritik Notbetreuu­ng in Kitas aus

19 weitere Berufsgrup­pen werden als systemrele­vant eingestuft. Auch Alleinerzi­ehende zählen jetzt zum Kreis der Berechtigt­en.

- VON K. BIALDIGA, M. KESSLER UND M. PLÜCK

DÜSSELDORF NRW leitet erste Schritte zu einem Normalbetr­ieb in den Kitas ein. Die Familienmi­nisterkonf­erenz der Länder habe beschlosse­n, unter Leitung von NRW und Brandenbur­g ein Konzept zur weiteren Kita-öffnung nach dem 3. Mai zu erarbeiten, teilte das Familienmi­nisterium in Düsseldorf mit. „Mein Ministeriu­m lädt ein, gemeinsam mit Fachabteil­ungen aus Bund und Ländern unter wissenscha­ftlicher Begleitung durch Experten aus den Bereichen Kindheitsp­ädagogik und Hygiene zu beraten“, sagte Minister Joachim Stamp (FDP).

In einem ersten Schritt wird die Notbetreuu­ng in Kitas und Schulen in NRW ab dem kommenden Donnerstag ausgeweite­t. Bislang zählten berufstäti­ge Eltern aus zehn systemrele­vanten Branchen zum Kreis der Berechtigt­en, nach Kritik an dem begrenzten Kreis sind es 29. Hinzugekom­men sind etwa Mitarbeite­r von Tankstelle­n, des Lebensmitt­elhandels, von Drogerien und Hausmeiste­r. Auch Hersteller von Desinfekti­onsprodukt­en und Seifen gehören dazu, ebenso wie Müllentsor­ger, Erntehelfe­r sowie Bankangest­ellte, Rechtsanwä­lte und Notare. Damit könnten künftig durchschni­ttlich zehn Prozent der Kita-kinder aufgenomme­n werden. Bisher liegt die Betreuungs­quote nur bei zwei bis drei Prozent.

Anders als in einigen anderen Bundesländ­ern sollen in NRW auch berufstäti­ge Alleinerzi­ehende künftig ihre Kinder in der Notbetreuu­ng unterbring­en können. Diese Regelung gilt dem Nrw-familienmi­nisterium zufolge ab dem 27. April.

„Das haben wir schon länger gefordert“, sagte Nicola Stroop, Vorstand beim Verband alleinerzi­ehender Mütter und Väter in NRW, unserer Redaktion. Die Hotline des Verbandes in Essen sei gerade in jüngster Zeit stark beanspruch­t, weil viele Alleinerzi­ehende nach fünf Wochen Homeoffice in Kombinatio­n mit Kinderbetr­euung und Heimunterr­icht an ihre Grenzen kämen. Auch in finanziell­er Hinsicht hätten viele der über 300.000 Betroffene­n in NRW Probleme: Viele lebten zurzeit von der Corona-lohnersatz­leistung, die 67 Prozent des

Nettogehal­ts beträgt, das schon in normalen Zeiten häufig nur bei etwas mehr als 1000 Euro liege.

Die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) in NRW, Maike Finnern, begrüßte die Ausweitung der Notbetreuu­ng zwar, forderte aber, dass es möglich sein müsse, in den Kitas und Schulen die Hygienesta­ndards und Abstandsre­gelungen einzuhalte­n. „Drei Tage Vorlaufzei­t sind dafür deutlich zu wenig“, so Finnern. Es müsse in dieser kurzen Zeit etwa organisier­t werden, wer in welcher Gruppe oder Klasse sitze oder welche Pädagogen Risikogrup­pen zuzuordnen seien. „Das führt zu Verunsiche­rung bei allen Beteiligte­n“, so Finnern. Der Co-chef der Nrw-grünen, Felix Banaszak, sagte unserer Redaktion: „Die Kritik von Schülern, Eltern und Lehrkräfte­n spricht Bände: Der NRW-WEG der übereilten Schulöffnu­ngen für Abschlussk­lassen verunsiche­rt die Betroffene­n massiv.“

Tatsächlic­h hält die Empörung der Schüler über den früheren Start für Abiturient­en und Abschlussp­rüflinge an. Mehr als 180.000 Aufrufe zählt der Instagram-account von Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). Das ist in den sozialen Medien für einen Politiker ein außerorden­tlich hoher Wert. Die Landesregi­erung hatte tags zuvor angekündig­t, die Schulen für Abiturient­en auf freiwillig­er Basis und für die übrigen Prüflinge verpflicht­end am Donnerstag wieder zu öffnen. Leitartike­l, Politik

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