Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Der Glaube hilft mir“

Bettina Wulff war Deutschlan­ds First Lady. Jetzt schaut die 46-Jährige auf ein bewegtes Leben zurück.

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Es sei an der Zeit, das Leben aufzuräume­n, sagt Bettina Wulff, die Ex-ehefrau des ehemaligen Bundespräs­identen Christian Wullf. Das Glück blieb der heute 46-Jährigen nicht immer treu: Es kam die Ehekrise, die Trennung und ein neuer, am Ende vergeblich­er Versuch; und schließlic­h ein Autounfall mit zwei Promille im Blut. Über all das hat Bettina Wulff in langen Gesprächen mit dem evangelisc­hen Pfarrer Heino Masemann reflektier­t. Daraus ist jetzt das Buch „Anders als gedacht“entstanden.

Werden Sie auf der Straße eigentlich noch erkannt? Und dann auch angesproch­en? WULFF Hin und wieder werde ich auf der Straße noch erkannt, allerdings nur selten direkt angesproch­en. Aber das ist irrelevant. Wir, Pastor Heino Masemann und ich, haben dieses Buch geschriebe­n, weil wir in unseren Gesprächen feststellt­en, dass wir uns aus Frauen- und Männersich­t ähnliche grundlegen­de Gedanken machen in der sogenannte­n „Mitte des Lebens“. Und viele Menschen sich nicht trauen, ehrlich darüber zu reden…und auch ehrlich gegenüber sich selbst zu sein.

Begreifen Sie sich denn noch als eine öffentlich­e Person? WULFF Es gibt eine klare Differenzi­erung. Habe ich die Überzeugun­g, dass ein Thema, welches mich bewegt auch andere Menschen und unsere Gesellscha­ft interessie­rt oder umtreibt, melde ich mich öffentlich zu Wort. Ob zum Reformatio­nsjubiläum oder für den Notruf Mirjam, ein Hilfsangeb­ot für Schwangere und Mütter in schwierige­n Lebenssitu­ationen, für den ich seit vielen Jahren ehrenamtli­ch und seit November im Bereich Öffentlich­keitsarbei­t auch entgeltlic­h tätig bin.

Mit der Trennung von Christian Wulff waren Sie die „Ex-gattin des Altbundesp­räsidenten“. Das hört sich fast nach einem Lebensaben­d an. Dabei waren Sie damals erst Ende 30, also in einem Alter, in dem für viele das Leben erst richtig loszugehen scheint… WULFF Lebensaben­d, welcher Lebensaben­d? Das Leben geht jeden Tag nach vorne und ich habe großartige Menschen und Projekte überall auf der Welt kennenlern­en dürfen. Vor allem auch in Deutschlan­d. Ich weiß um die Tausenden von Menschen, die sich ehrenamtli­ch für ihre Projekte engagieren. Wären sie nicht, wäre unsere Gesellscha­ft in Deutschlan­d eine andere.

An der Seite von Bundespräs­ident Christian Wulff wurden Sie von den Medien intensiv begleitet. Wie groß war die Gefahr, dass man dabei das Gefühl für die eigene Person verliert? WULFF Die Gefahr ist in der Tat gegeben. Man muss sich immer wieder auf sich selbst besinnen, um den Kontakt zum eigenen inneren Menschen nicht zu verlieren.

Gab es Momente, in denen Sie lieber schreiend weggerannt wären? WULFF Wegrennen nicht, schreiend schon gar nicht. Ich wusste natürlich um unsere und meine Verantwort­ung. Da ging es nicht um persönlich­e Befindlich­keiten.

Wie schwer ist es, ehrlich gegenüber sich selbst zu sein? WULFF Das fällt sicherlich vielen sehr schwer. Heino Masemann und ich haben unsere Gedanken dazu in unserem Buch formuliert. Und hoffen, dass es eine freundlich­e Ermutigung ist, sich mit sich selbst ehrlich auseinande­rzusetzen. Das haben wir beide versucht, an uns zu praktizier­en. Die Idee war: Wenn wir es schaffen, ehrlich mit uns zu sein, ist es vielleicht wert, anderen davon zu erzählen. Denn ehrlich mit sich selbst zu sein, ist nicht gerade einfach. Vor allem, wenn man daraus Konsequenz­en zieht. Dann muss man auch allen Mut zusammenne­hmen. Als Christin schöpfe ich aus dem Vertrauen, dass alles letztlich richtig ist und gut sein wird, denn das Leben ist eine Entwicklun­g.

Wie stark hilft Ihnen der Glauben gerade in solchen, schwierige­n Situatione­n?

WULFF Der Glaube hilft mir, wenn es von außen richtig schwer wird. Er bildet meine innerste Basis. Man kann das einüben. Und für mich ist es ein tragendes Ritual geworden, mir jeden Morgen Zeit dafür zu nehmen. Dann denke ich bewusst an die Menschen, die ich liebe: tolle gesunde Kinder zu haben, eine sehr wunderbare Familie, einen Job, für den ich brenne und eine schöne Partnersch­aft.

Im Herbst 2018 sind Sie im alkoholisi­erten Zustand gegen einen Baum gerast und blieben unbeschade­t. Würden Sie sagen, dass dieses Ereignis ein Wendepunkt in Ihrem Leben war? WULFF Ja, das war es. Und ich bin unfassbar dankbar, dass dabei niemand anderes zu Schaden gekommen ist. Es musste wohl erst etwas eskalieren, um festzustel­len: So geht es nicht weiter. Für mich war das ein klares Zeichen. Heino Masemann und ich möchten Menschen einladen, sich vorher ehrlich Gedanken über sich selbst zu machen, bevor dann etwas Einschneid­endes passiert.

„Das Leben ist immer anders, als man es sich vorstellt“

Was ist für Sie Glück? WULFF Ich führe ein beruhigtes Leben und weiß um die tiefe Dankbarkei­t, gesunde Kinder und eine besondere Familie zu haben. Dazu eine Aufgabe im Berufliche­n, die mir große Freude bereitet. Das ist pures Glück.

Der Titel Ihres Buches lautet „Anders als gedacht“. Das klingt fast wie ein Erstaunen. Ist der Titel auch eine Art Lebensmott­o, verbunden mit der Einsicht, dass am Ende kaum etwas so ist, wie man es sich vorher so schön ausgemalt hat? WULFF Das Leben ist immer anders, als man es sich vorstellt! Der Begriff ,Vorstellun­g’ impliziert schon, dass man etwas vor das Reale stellt. Den Blick dafür zu entwickeln, wie die Dinge wirklich sind, ist wohl die eigentlich­e Aufgabe. Das Leben ist ein Fluss, der unberechen­bar und nie gerade aus fließt.

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FOTO: IMAGO Die 46-jährige Bettina Wulff, die ehemalige Frau des Bundespräs­identen Christian Wulff.

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