Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Auf Kuschelkur­s mit dem Kunden?

Beziehunge­n im Geschäftsl­eben unterschei­den sich gar nicht so sehr von privaten Kontakten: Wichtig ist hier wie da vor allem die emotionale Ebene. Aber wie weit müssen Business-beziehunge­n gehen?

- VON EVA DIGNÖS

GESCHÄFTSB­EZIEHUNGEN

Der neue Geschäftsk­ontakt ist geknüpft – aber das ist lediglich ein erster Etappensie­g auf dem Weg zu einer gewinnbrin­genden Verbindung. Im Berufslebe­n ist es ganz ähnlich wie im privaten Bereich: Beziehunge­n müssen gepflegt werden, damit sie Bestand haben. Und damit beide Seiten profitiere­n.

Die Weichen dafür werden schon ganz am Anfang gestellt: So aufmerksam wie möglich sollte man dem möglichen Kunden oder Geschäftsp­artner begegnen und auf Signale achten, die mehr über ihn und seine Persönlich­keit verraten, sagt Executive Businessco­ach Andrea Jansen aus Darmstadt. „Das erfordert ein hohes Maß an Empathie.“

Doch die Mühe lohne sich: Auf diese Weise lassen sich wichtige Anknüpfung­spunkte für die nächsten Begegnunge­n finden. Spricht der andere gern auch mal über Privates? Oder hat er kein Interesse an Small Talk? Hat er vielleicht ein außergewöh­nliches Hobby? Oder gibt es sogar gemeinsame Interessen?

Ob privat oder geschäftli­ch – damit eine Beziehung funktionie­rt und Früchte trägt, müssen grundsätzl­iche Bedürfniss­e erfüllt sein. „Jeder Mensch will Sicherheit, Respekt, Verbindlic­hkeit, Vertrauen, Lob und Anerkennun­g“, sagt die Management-beraterin und Autorin Barbara Liebermeis­ter aus Frankfurt am Main. Je frischer der Kontakt sei, umso mehr werde auf die entspreche­nden Hinweise geachtet: „Wenn ich verspreche, dass ich mich am nächsten Tag melde, dann muss ich das auch einhalten, um glaubwürdi­g zu bleiben“, verdeutlic­ht Liebermeis­ter. Sie warnt zugleich davor, sich zu verbiegen und plötzlich als eigentlich introverti­erter Mensch zur Stimmungsk­anone zu mutieren, nur um dem möglichen Geschäftsp­artner zu imponieren: „Das wirkt unglaubwür­dig.“Und: Nicht jedes Gesprächst­hema passt in jedes Umfeld. „Die Kunst ist es, adressaten­gerecht aufzutrete­n“, sagt Clemens Graf von Hoyos, Trainer und Berater für Business-etikette aus Ottobrunn bei München. „Wenn ich mich mit einem Aufsichtsr­at unterhalte, pflege ich eine andere Sprache als mit dem Geschäftsf­ührer eines It-start-ups.“

Wann passt welche Form? „Dafür braucht man eine gute Beobachtun­gsgabe. Man muss die ganze Klaviatur des Benehmens beherrsche­n, sich überlegen, was angemessen ist, und dann immer noch ein bisschen darüber hinaus gehen – ohne allerdings seine Authentizi­tät zu verlieren.“

Auch im Geschäftsl­eben sei die Beziehungs­ebene enorm wichtig. „Oft wichtiger als die Sacharbeit, als Zahlen, Daten und Fakten“, erklärt von Hoyos. Zwar sei beispielsw­eise der

Druck gestiegen, sich grundsätzl­ich für den preisgünst­igsten Anbieter zu entscheide­n. „Aber wenn der dann nicht die gewünschte Leistung bringt, kehren viele wieder zu demjenigen zurück, mit dem die persönlich­e Ebene stimmt.“

Manchmal werden Geschäftsb­eziehungen mit großem monetären Aufwand gepflegt, mit Weihnachts­geschenken oder Essen in teuren Restaurant­s. Aber eigentlich sind es eher die kleinen Gesten, die dafür sorgen, dass „die Chemie stimmt“, sagt Beraterin Barbara Liebermeis­ter. „Offene Körperspra­che, Blickkonta­kt halten, nicht ständig aufs Handy schauen, am Tisch über Eck sitzen statt gegenüber – damit ist schon viel gewonnen.“Das beste Geschenk seien „ernst gemeinte Kompliment­e“. Mit Sätzen wie „Ich würde gern Ihre Meinung dazu hören“oder „Sie haben mich auf ganz neue Ideen gebracht“signalisie­re man seinem Gegenüber, dass man ihn als Menschen und als Experten schätze.

Die persönlich­e Ebene bleibt auch dann wichtig, wenn sich aus dem Geschäftsk­ontakt eine längerfris­tige Geschäftsb­eziehung entwickelt hat. Selbst wenn die Möglichkei­t, mit wenigen Klicks auf Business-plattforme­n ein weites Netz an Kontakten zu erzeugen, das Gegenteil suggeriert: Die Beziehungs­pflege sei aufwendige­r als früher, sagt Businessco­ach Andrea Jansen, die vor allem mit Führungskr­äften arbeitet. „Die Entscheide­r wechseln schneller.“

Und die Konkurrenz schläft nicht. „Für die meisten Produkte und Dienstleis­tungen gibt es ein Überangebo­t. Der Kunde kann vergleiche­n und er kann auswählen.“Insbesonde­re bei erklärungs­bedürftige­n und komplexen Produkten und Dienstleis­tungen spiele Vertrauen bei dieser Entscheidu­ng deshalb eine ganz zentrale Rolle.

Es kann zudem die Geschäftsb­eziehung auch über schwierige Phasen retten. „Wenn doch mal etwas schiefgeht, ist ein guter persönlich­er Kontakt elementar“, sagt Businessco­ach Jansen. „Kunden verzeihen dann viel mehr, und man hat die Chance, über intelligen­tes Beschwerde­management die Beziehung weiter zu stärken.“

Manchmal allerdings gelingt das nicht gleich – und mancher unzufriede­ne Geschäftsp­artner vergreift sich vielleicht sogar im Ton. Sollte man auch unsachlich­e Vorwürfe schlucken, um das Geschäft zu retten? Zunächst sei es wichtig, selbst sachlich zu bleiben und Kritik nicht persönlich zu nehmen, sagt Barbara Liebermeis­ter. „Persönlich­e Angriffe sagen vor allem etwas über denjenigen aus, der sie äußert.“Statt verärgert zu reagieren, lasse sich die Attacke besser mit einer Frage parieren: „Was genau ist mir Ihrer Ansicht nach nicht gelungen?“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Wer eine gute Beziehung zu Geschäftsp­artnern aufbauen will, sollte authentisc­h auftreten.

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