Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vom Auto auf den Roller wechseln

Unter bestimmten Voraussetz­ungen dürfen Autofahrer nun auch ohne Zusatzprüf­ung Zweiräder bis 125 ccm fahren. Erlaubt sind unter anderem die praktische­n Motorrolle­r. Worauf müssen Anfänger aber besonders achten?

- VON ANDREAS KÖTTER

RATGEBER

Rauf aufs Motorrad ohne extra Führersche­in dafür? Klingt illegal, muss es aber nicht sein. Es gibt Ausnahmen. Neuerdings dürfen Autofahrer, die älter als 25 Jahre alt sind, mit ihrem Führersche­in auch auf einige Zweiräder umsteigen. Dazu zählen Motorräder der Klasse A1, also Leichtkraf­träder oder Motorrolle­r bis 125 ccm. Eine Prüfung ist nicht erforderli­ch. Aber neun theoretisc­he beziehungs­weise praktische Unterricht­seinheiten à 90 Minuten sind zwingend. Und der Pkw-führersche­in muss mindestens fünf Jahre alt sein. „Prüfungsfr­eie Zusatzschu­lung heißt das im Amtsdeutsc­h“, sagt Hajo Ullrich. Der Gesetzgebe­r habe hier die urbane Mobilität im Blick. Der Motorradtr­ainer des Auto Club Europa (ACE) sieht gerade Motorrolle­r, die häufig einen Bein- und Windschutz bieten, als prädestini­ert für Berufspend­ler oder für die Wege zum Supermarkt oder für andere kürzere Fahrten.

An einen Roller müssen Fahrer sich gewöhnen „Wie an jedes motorisier­te Zweirad muss man sich aber auch an den Roller erst einmal gewöhnen und das möglichst behutsam“, sagt Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsic­herheit (ifz). Er betont, dass das Bewegen eines motorisier­ten Zweirades dem Fahrer deutlich mehr körperlich­en Einsatz abverlange als das Pkw-fahren. Motorische Fähigkeite­n, wie etwa das Halten des Gleichgewi­chts, die Koordinati­on verschiede­ner Bewegungen und auch eine grundlegen­de Fitness sollten vorhanden sein.

Neue Rolle als Fahrer: Man wird verletzlic­her Der Rollerfahr­er muss sich zunächst bewusstmac­hen,

dass er nun ein deutlich verletzbar­er Verkehrste­ilnehmer ist als ein Autofahrer, sagt Ullrich. „Wenn ich einen Fehler mache, endet das häufig nicht nur mit einem Schaden am Fahrzeug, sondern auch an meinem Körper“. Er habe das erst vor kurzem miterlebt, als ein älterer Verkehrste­ilnehmer mit Roller vor ihm gestürzt sei. „Kopfsteinp­flaster bei Nässe, das war der Klassiker. Solche Situatione­n sind für einen Autofahrer deutlich weniger gefährlich“.

Aber auch, wer vielleicht schon Motorrader­fahrung hat, muss sich beim Roller umstellen. „Ein Roller unterschei­det sich vom Motorrad nicht nur durch die weniger fahraktive Sitzpositi­on, sondern auch durch das wegen der kleineren Räder deutlich veränderte Handling“, gibt Lenzen zu bedenken. Er rät dringend, sich beim Kauf nicht mit einer Sitzprobe zufriedenz­ugeben, sondern auch auf einer Probefahrt zu bestehen.

Langsam die Fahrweise eines Rollers erlernen Die Fahrphysik beim Roller werde geprägt durch den kurzen Radstand, den engeren Lenkereins­chlag und vor allem durch die kleineren Räder, die eine höhere Geschwindi­gkeit benötigen, um die gleichen Kreiselkrä­fte, sprich die gleiche Fahrstabil­ität zu generieren wie ein Motorrad, erklärt Ace-motorradtr­ainer Ullrich im Detail. „Schräglage in Kurven und das Gleichgewi­chthalten müssen deshalb langsam geübt werden, ebenso muss das Bewegungss­piel zwischen Gas, gegebenenf­alls Kupplung und Gangwahl sowie das Bremsen in Fleisch und Blut übergehen“, sagt Haasper, der darauf verweist, dass viele Roller über ein Automatikg­etriebe verfügen. „Das erleichter­t dem Anfänger den Einstieg.“

Mancher Roller-neuling aber lässt sich von der vermeintli­chen Lässigkeit eines Rollers auch täuschen. „Gerade der Motorrolle­r – viele haben einen Windschutz und ein Trittbrett – vermittelt oft ein falsches Sicherheit­sgefühl und verleitet dazu, auf kurzen Strecken in Alltagskle­idung, im Sommer vielleicht sogar nur in Cargoshort­s und mit Badeschlap­pen unterwegs zu sein“, so Ullrich.

Welche Schutzklei­dung ist sinnvoll? Stichwort Jet-helm: „Warum soll ich für eine kurze Strecke einen Vollvisier-helm nehmen? Ein Jet-helm reicht doch allemal“, würde sich mancher Rollerfahr­er selbst beruhigen, vermutet hier Lenzen. „Diese Helme lassen den Kinnbereic­h aber ungeschütz­t“. Ullrich warnt zudem vor den so genannten Brain Caps. Diese Vintage-helme mögen gut aussehen, ein großer Teil aber besitze aber nicht einmal die Ece-prüfnorm. „Natürlich würde ich mir wünschen, dass auch jeder Rollerfahr­er mit einer kompletten Schutzbekl­eidung unterwegs ist. Aber das ist illusorisc­h“, bedauert Lenzen. „Die meisten Rollerfahr­er verzichten auf eine komplette Schutzklei­dung, etwa weil sie sich auf der Arbeit nicht zweimal umziehen wollen.“

Wie sollte eine adäquate Ausstattun­g aussehen? „Jacke und Hose mit entspreche­nden Protektore­n an sturzgefäh­rdeten Stellen bieten Komfort und Wetterschu­tz während der Fahrt, aber auch im Fall des Falles“, sagt Haasper. Spezielle Kombinatio­nen aus Leder oder Textil, auch mit Klimamembr­an, seien sinnvoll. Für den Alltag gut geeignet seien aber auch schon spezielle Motorradje­ans aus abriebfest­en Materialie­n. „Unerlässli­ch sind zudem festes Schuhwerk mit Knöchelsch­utz und Motorradha­ndschuhe, da die Hände bei einem Sturz unweigerli­ch Kontakt mit der Fahrbahn aufnehmen.“

Abschließe­nd gibt er Anfängern noch einen Tipp mit auf den Weg: „Wer bei oder nach der ersten Fahrt bemerkt, dass er doch noch nicht so sicher ist, wie vorher gedacht, sollte in einer fachkundig­en Zweirad-fahrschule Rat einholen“und verweist auf die kostenfrei­en Publikatio­nen des ifz.

FAHRBERICH­T

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA-TMN Mit der Vespa über Land: Autofahrer, die älter als 25 Jahre alt sind, dürfen neuerdings mit ihrem Führersche­in auch auf einige Zweiräder umsteigen.
 ?? FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA-TMN ?? Experten raten auf dem Motorrolle­r zu Vollvisier-helmen, da sie zusätzlich den Kinnbereic­h schützen.
FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA-TMN Experten raten auf dem Motorrolle­r zu Vollvisier-helmen, da sie zusätzlich den Kinnbereic­h schützen.

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