Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Arbeitgeber bei Pflege-gehältern unter Druck
Wie viel ist uns die Arbeit von Krankenschwestern und Altenpflegern in der Corona-krise wert? Die Landesregierung dringt darauf, sie besser zu bezahlen – und muss sich im Gegenzug Kritik anhören.
DÜSSELDORF In der Debatte über höhere Löhne und Gehälter für Pflegekräfte wächst der Druck auf die Arbeitgeber. So hatte Nrw-gesundheitsminister Karl-josef Laumann (CDU) gefordert: „Die Arbeitgeber sollten sich nach Bewältigung der Krise mal ernsthaft fragen, ob sie bei ihrer Verweigerungshaltung bleiben können und sich gegen einen Tarifvertrag wehren.“Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) klagte, die bisherigen Gehälter würden der hohen Verantwortung und Leistungsbereitschaft der Pflegekräfte nicht gerecht.
Von Gewerkschaften und Sozialverbänden werden diese Äußerungen dankbar aufgegriffen. Verdi-bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte unserer Redaktion: „Spätestens jetzt hat jede und jeder im diesem Land verstanden, welch professionelle, verantwortungsvolle und oft auch belastende Arbeit hier geleistet wird.“Die Politik müsse in der Krise zusagen, dass es verbindliche Vorgaben zur Personalausstattung geben werde, die sich am Bedarf orientieren. „Insbesondere in der Altenpflege braucht es eine bessere Bezahlung. Es ist Zeit, dass sich die Politik eingesteht, dass es falsch war, die Altenpflege Kapitalinteressen zu überlassen.“Es dürfe nicht länger akzeptiert werden, „dass vor allem kommerzielle Pflegekonzerne sich der Tarifbindung verweigern“.
Verdi verhandelt gerade mit dem neu gegründeten Arbeitgeberverband BVAP einen Tarifvertrag für Pflegekräfte. Dieser soll vom Bundesarbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt werden und dann für die ganze Branche gelten.
Dagegen stemmt sich der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Dessen Präsident Bernd Meurer sagte: „Einheitliche Tarifverträge von Stralsund bis Freiburg bilden die differenzierte betriebliche Wirklichkeit vor Ort sowie unterschiedliche Vergütungssätze in einzelnen Regionen nicht ab.“Gegen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag sprächen erhebliche juristische Bedenken. Zugleich warnte er: „Ein Tarifvertrag, der alle über einen Kamm schert, führt nicht unbedingt zu höheren Löhnen.“Die Verhandlungen zwischen Verdi und BVAP seien eine von Teilen der Politik unterstützte, groteske Veranstaltung. „Ein Mini-arbeitgeberverband, der im Prinzip nur aus Awo-einrichtungen besteht, und eine in der Pflege unbedeutende Gewerkschaft verhandeln einen Tarifvertrag, der von der Bundesregierung allgemeinverbindlich erklärt werden soll.“Der Verband empfehle die Anwendung von Arbeitsvertragsrichtlinien. Demnach liegt in NRW das Einstiegsgehalt von examinierten Fachkräften aktuell bei 2870 Euro im Monat.
Der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Werner Hesse, warnte, dass alle Tariferhöhungen allein zulasten der Pflegebedürftigen gingen. „Die Politik muss aus der Corona-krise lernen, die Pflegekassen mit mehr Mitteln auszustatten. Zielführend wäre dafür die Einführung einer Bürgerversicherung.“Zudem sprach sich Hesse für kurzfristige Anerkennungszahlungen für Pflegekräfte aus. „Die Bundesminister Spahn und Heil haben am Donnerstag in einer Telefonkonferenz erfreuliche Zusagen gemacht. Details sollen im Lauf der kommenden Woche ausgearbeitet werden.“Über eine Einmalzahlung des Bundes hatte Ministerpräsident Laschet dem „Kölner Stadt-anzeiger“gesagt, diese reiche „perspektivisch nicht aus“, um den Leistungen der Pflegekräfte gerecht zu werden.
Die SPD im Landtag wies unterdessen auf eine weitere Entwicklung in der Pflege hin, die gestoppt werden müsse: „Leiharbeitsfirmen nutzen die Personalknappheit in den Kliniken und den Pflegeheimen aus und werben den Häusern verstärkt das Personal ab“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher Josef Neumann. In einigen Einrichtungen würden bis zu 40 Prozent der Personalkosten für Leiharbeit ausgegeben. „Die Firmen schaffen das, indem sie höhere Löhne zahlen und bei den Auftraggebern durchsetzen, dass ihre Kräfte nur zu den attraktiven Dienstzeiten arbeiten – also beispielsweise nicht an den Wochenenden oder in den Nachtschichten.“Auf Kosten der Stammbelegschaft werde versucht, aus dem Fachkräftemangel Profit zu schlagen, ganz egal, ob das zu Unfrieden in den Häusern führe. „Die Landesregierung sollte sich dringend der Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Leiharbeit im Pflegebereich anschließen. Zeitarbeit in der Pflege muss eingedämmt werden“, forderte Neumann. Stimme des Westens