Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Als die Kumpel noch ihren Lohn an der Theke ließen
Mit dem Bergbau kamen auch die Gaststätten nach Neurath. Peter Zenker erinnert an die Geschichte der örtlichen Kneipen.
NEURATH Über einen Mangel an Gaststätten konnten sich die Neurather nicht beklagen. Es gab zahlreiche Kneipen im Ort, in der sich die Leute am Abend trafen oder nach der Sonntagsmesse einen Frühschoppen einlegten – bis dass das Mittagessen nach Hause rief. Der Heimatforscher Peter Zenker hat in der Historie der Dorf-kneipen geforscht und einen Beitrag in seinem Online-geschichtsbuch veröffentlicht. Der bietet nicht nur den Neurathern eine Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen.
Neurath war im 19. Jahrhundert ein ausschließlich von der Landwirtschaft geprägtes Dorf. Dann wurde die Braunkohle entdeckt. „Mit der Industrialisierung des Ortes stieg die Zahl der Gaststätten sprunghaft an“, berichtet Zenker. „Und viele von ihnen schmückten sich mit Namen, die dem Braunkohlenbergbau nahe standen.“Da gab es etwa die Gaststätte „Rheingold“, den Gasthof
„Gewerkschaft Prinzessin Victoria“oder das Restaurant „Glück Auf“.
Auf einer Postkarte, die am 15. Oktober 1901 gestempelt wurde, findet sich der erste Hinweis auf die Neurather Kneipen-szene. Auf dem gezeichneten Bild ist die Gaststätte von Gottfried Rosellen zu sehen, die an der Kirchstraße (heute An St. Lambertus) stand. „Auf der Karte zeigte sich der Gasthof von seiner mondänen Seite: Die Gäste fahren zweispännig mit einer Pferdekutsche vor“, schildert Zenker.
Während seiner Jugendzeit (1947 bis 1951) legte er selbst regelmäßig auf dem Weg zur katholischen Volksschule einen Stopp an der Gaststätte Rosellen ein – „denn dort war stets die aktuelle Mannschaftsaufstellung der Spvg Neurath ausgehängt“. Eine weitere Besonderheit: ein Kinosaal mit Platz für bis zu 360 Personen.
„Mit der Industrialisierung wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Damit entstanden weitere Gaststätten, die kontinuierlich ausgebaut wurden – mit Kinos, Kegelbahnen, Billardtischen und Tanzsälen“, berichtet Peter Zenker. Anlaufpunkt für die Kumpel aus dem Tagebau war vor allem die Gaststätte Pütz an der Frimmersdorfer Straße: „Besonders an den Lohntagen kehrten die Bergleute dort ein, um sich kräftig einen zur Brust zu nehmen“, sagt der Heimatforscher. „Häufig wurden sie dann dort von ihren Frauen abgeholt, die nicht zusehen wollten, wie ihr dringend benötigtes Haushaltsgeld ,versoffen’ wurde.“
Dort, wo heute die Häuser An St. Lambertus 52 und 54 stehen, befand sich einst der größte Gasthof von Neurath, der im März 1944 bei einem Bombenangriff zerstört wurde. 26 Menschen kamen ums Leben. Es war die mit einem großen Ballsaal ausgestattete, 1909 gegründete Gaststätte „Rheingold“– „sie war das Zentrum von Neurath“, sagt Zenker.
Das Ergebnis seiner Forschungen hat der Heimatforscher unter www. peter-zenker.de veröffentlicht. Dort sind auch weitere interessante Geschichtsbeiträge über Neurath und den Braunkohlenabbau im Stadtgebiet zu finden.