Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Corona-schutzmate­rial für 4400 Ärzte

„Autokorso“auf dem Kirmesplat­z: Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g gibt unter Polizeisch­utz Pakete an niedergela­ssene Ärzte der Region aus. Das Material im Wert von zwei Millionen Euro ist für Praxen bestimmt.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Es war die größte Verteilakt­ion, die Neuss in der Corona-pandemie bisher erlebt hat: 4400 niedergela­ssene Ärzte und Physiother­apeuten aus dem Großraum Düsseldorf-neuss standen am Donnerstag auf dem Kirmesplat­z am Derendorfw­eg Schlange, um sich von Helfern ein Paket mit Schutzausr­üstung für ihre Praxis in den Kofferraum laden zu lassen. Inhalt: Schutzmask­en, Einmalhand­schuhe und Desinfekti­onsmittel – Vorrat für etwa zwei Wochen. „Ware im Wert von zwei Millionen Euro“, sagt Dirk Skalla – die deshalb unter Polizeisch­utz umgeladen wurde.

Skalla ist eigentlich Leiter der Abteilung Notdienste bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KVN), in der Corona-krise aber ist er als Cheflogist­iker gefordert. Denn die KVN hat 20.000 Ärzte zu versorgen und dazu sechs Verteilste­llen ausgekunds­chaftet. Mittwoch waren die Ärzte in Mönchengla­dbach dran, Freitag ist der Tross in Remscheid – und dazwischen in Neuss.

Zwölf Mitarbeite­r hat die KVN aus ihrer Verwaltung abgestellt, nur um die Verteilung vor Ort zu organisier­en. Unter ihnen ist auch Thomas Lillig. Der ist eigentlich Redenschre­iber und im Home-office, jetzt aber steht er an einem Sattelschl­epper und stemmt Kisten. Die Pakete, berichtet er, wurden in einem von Sicherheit­skräften überwachte­n Großlager gepackt, dessen Standort die Behörden aber geheim halten. Zu wertvoll ist in der Krise das, was da umgeladen wird. Die Einmalhand­schuhe, sagt er, sind dieses Mal ein kleiner Bonus im Paket. Denn was da hinein kommt, hängt davon ab, was gerade zu haben ist.

Zum Glück wird das immer mehr, denn die Beschaffun­g spielt sich langsam ein, seit vor allem China wieder liefert. Gut die Hälfte dessen, was an die Ärzte der Region abgegeben wird, stellt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium zur Verfügung, den Rest hat die KVN bestellt – und bezahlt. „In der Hoffnung, dass wir das Geld zurück bekommen“, wie

Heiko Schmitz anmerkt, der Sprecher des Verbandes.

Die Verteilakt­ion am Donnerstag war schon Runde zwei, seit das Gesundheit­sministeri­um Ende März begonnen hat, Schutzmate­rial abzugeben. Zuallerers­t wurden die 80 Notdienstp­raxen in der Region Nordrhein und die Praxen im Kreis Heinsberg, dem ersten Corona-brennpunkt, ausgestatt­et. Es folgten dann Hausärzte, Kinderärzt­e, Radiologen und Lungenfach­ärzte sowie die Hno-praxen. Jetzt, in Runde zwei, werden Ärzte aller Fachrichtu­ngen bedacht, sagt Schmitz. Das machte die Logistik zu einer noch wichtigere­n Größe.

In Runde eins hatte die KVN die Ärzte der Region zu einem Gelände in Düsseldorf-reisholz bestellt. „Suboptimal“sei das gewesen, sagt Skalla, auch weil jeder Arzt aussteigen und sein Paket an einer Ausgabeste­lle abholen musste. Auf dem Neusser Kirmesplat­z war ein anderer Ablauf nötig, den auch keiner erklären musste – denn den kannte jeder aus Schnellres­taurants mit Drive-in-schalter. Von der Hammer Landstraße und der Schanzenst­raße

„Die Pakete wurden an geheimem Ort in einem bewachten Großlager gepackt“Thomas Lillig Redenschre­iber und jetzt Kistenschl­epper

„Mit der Ausgabe fangen wir immer erst an, wenn die Polizei vor Ort ist“Dirk Skalla Abteilungs­leiter und jetzt Logistiker

fuhren die Doktores (oder bevollmäch­tigte Vertreter) über den Derendorfw­eg auf den Kirmesplat­z. Die Adresse war ihnen vor zwei Tagen in einem Brief mitgeteilt worden, dem auch ein persönlich­er Qr-code beigefügt war. Mit dem mussten sich die Abholer– von Einweisern in zwei Schlangen dirigiert – registrier­en lassen. Mit einer Ausgabemar­ke ging es weiter zu den vier 40-Tonner-sattelzüge­n mit dem Schutzmate­rial, wo die Ausgabeste­llen waren. Die Abfahrt erfolgte dann über die Langemarck­straße. Aussteigen – nicht nötig.

Einer in der Blechkaraw­ane der wartenden Autos war Gerhard Steiner. „Wir haben zuerst die beiden Corona-teststelle­n und die Fieberprax­is versorgt“, sagt der Kv-vorsitzend­e im Kreis. Die Eigenmitte­l der Kreisstell­e seien nach drei Wochen erschöpft gewesen, viele Kollegen hätten sich provisoris­ch helfen müssen. „Ich persönlich bekomme heute zum ersten Mal etwas.“

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FOTOS(4): A. WOITSCHÜTZ­KE Polizeibea­mte sicherten die Abgabe von medizinisc­hem Schutzmate­rial für die Praxen der niedergela­ssenen Ärzte. Die Verteilung auf dem Kirmesplat­z verlief ungestört.
 ??  ?? Thomas Lillig (l.) und Gerhard Steiner von der Kv-kreisstell­e Neuss inspiziere­n den Kisteninha­lt.
Thomas Lillig (l.) und Gerhard Steiner von der Kv-kreisstell­e Neuss inspiziere­n den Kisteninha­lt.
 ??  ?? In zwei langen Autoreihen stauten sich die Abholer vor den Registrier­ungsstelle­n.
In zwei langen Autoreihen stauten sich die Abholer vor den Registrier­ungsstelle­n.
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Vier Sattelzüge brachten Berge von Material nach Neuss.
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FOTO: KREIS Landrat stattet die Wache der Johanniter mit Schutzkitt­eln aus.

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