Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Corona-schutzmaterial für 4400 Ärzte
„Autokorso“auf dem Kirmesplatz: Die Kassenärztliche Vereinigung gibt unter Polizeischutz Pakete an niedergelassene Ärzte der Region aus. Das Material im Wert von zwei Millionen Euro ist für Praxen bestimmt.
NEUSS Es war die größte Verteilaktion, die Neuss in der Corona-pandemie bisher erlebt hat: 4400 niedergelassene Ärzte und Physiotherapeuten aus dem Großraum Düsseldorf-neuss standen am Donnerstag auf dem Kirmesplatz am Derendorfweg Schlange, um sich von Helfern ein Paket mit Schutzausrüstung für ihre Praxis in den Kofferraum laden zu lassen. Inhalt: Schutzmasken, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel – Vorrat für etwa zwei Wochen. „Ware im Wert von zwei Millionen Euro“, sagt Dirk Skalla – die deshalb unter Polizeischutz umgeladen wurde.
Skalla ist eigentlich Leiter der Abteilung Notdienste bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN), in der Corona-krise aber ist er als Cheflogistiker gefordert. Denn die KVN hat 20.000 Ärzte zu versorgen und dazu sechs Verteilstellen ausgekundschaftet. Mittwoch waren die Ärzte in Mönchengladbach dran, Freitag ist der Tross in Remscheid – und dazwischen in Neuss.
Zwölf Mitarbeiter hat die KVN aus ihrer Verwaltung abgestellt, nur um die Verteilung vor Ort zu organisieren. Unter ihnen ist auch Thomas Lillig. Der ist eigentlich Redenschreiber und im Home-office, jetzt aber steht er an einem Sattelschlepper und stemmt Kisten. Die Pakete, berichtet er, wurden in einem von Sicherheitskräften überwachten Großlager gepackt, dessen Standort die Behörden aber geheim halten. Zu wertvoll ist in der Krise das, was da umgeladen wird. Die Einmalhandschuhe, sagt er, sind dieses Mal ein kleiner Bonus im Paket. Denn was da hinein kommt, hängt davon ab, was gerade zu haben ist.
Zum Glück wird das immer mehr, denn die Beschaffung spielt sich langsam ein, seit vor allem China wieder liefert. Gut die Hälfte dessen, was an die Ärzte der Region abgegeben wird, stellt das Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung, den Rest hat die KVN bestellt – und bezahlt. „In der Hoffnung, dass wir das Geld zurück bekommen“, wie
Heiko Schmitz anmerkt, der Sprecher des Verbandes.
Die Verteilaktion am Donnerstag war schon Runde zwei, seit das Gesundheitsministerium Ende März begonnen hat, Schutzmaterial abzugeben. Zuallererst wurden die 80 Notdienstpraxen in der Region Nordrhein und die Praxen im Kreis Heinsberg, dem ersten Corona-brennpunkt, ausgestattet. Es folgten dann Hausärzte, Kinderärzte, Radiologen und Lungenfachärzte sowie die Hno-praxen. Jetzt, in Runde zwei, werden Ärzte aller Fachrichtungen bedacht, sagt Schmitz. Das machte die Logistik zu einer noch wichtigeren Größe.
In Runde eins hatte die KVN die Ärzte der Region zu einem Gelände in Düsseldorf-reisholz bestellt. „Suboptimal“sei das gewesen, sagt Skalla, auch weil jeder Arzt aussteigen und sein Paket an einer Ausgabestelle abholen musste. Auf dem Neusser Kirmesplatz war ein anderer Ablauf nötig, den auch keiner erklären musste – denn den kannte jeder aus Schnellrestaurants mit Drive-in-schalter. Von der Hammer Landstraße und der Schanzenstraße
„Die Pakete wurden an geheimem Ort in einem bewachten Großlager gepackt“Thomas Lillig Redenschreiber und jetzt Kistenschlepper
„Mit der Ausgabe fangen wir immer erst an, wenn die Polizei vor Ort ist“Dirk Skalla Abteilungsleiter und jetzt Logistiker
fuhren die Doktores (oder bevollmächtigte Vertreter) über den Derendorfweg auf den Kirmesplatz. Die Adresse war ihnen vor zwei Tagen in einem Brief mitgeteilt worden, dem auch ein persönlicher Qr-code beigefügt war. Mit dem mussten sich die Abholer– von Einweisern in zwei Schlangen dirigiert – registrieren lassen. Mit einer Ausgabemarke ging es weiter zu den vier 40-Tonner-sattelzügen mit dem Schutzmaterial, wo die Ausgabestellen waren. Die Abfahrt erfolgte dann über die Langemarckstraße. Aussteigen – nicht nötig.
Einer in der Blechkarawane der wartenden Autos war Gerhard Steiner. „Wir haben zuerst die beiden Corona-teststellen und die Fieberpraxis versorgt“, sagt der Kv-vorsitzende im Kreis. Die Eigenmittel der Kreisstelle seien nach drei Wochen erschöpft gewesen, viele Kollegen hätten sich provisorisch helfen müssen. „Ich persönlich bekomme heute zum ersten Mal etwas.“