Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Für Saisonabbruch müssten wir erst die Satzung ändern“
Ein ungerechtes Geschenk sei das jedoch nicht, so Trainer Norbert Müller. „Die Saison komplett zu annullieren, wäre nicht fair. Wir haben 21 Spiele gespielt und waren 13 Mal Tabellenführer. Da lügt die Tabelle nicht.“Ähnlich sieht das sein Kollege Marcel Winkens beim VFL Jüchen/garzweiler, obwohl er mit seiner Truppe bei nur sechs Punkten Rückstand auf einen Aufstiegsplatz noch alle Chancen auf den Wiederaufstieg gehabt hätte. „Wir hätten auch noch ins Aufstiegsrennen eingreifen können, aber ein Saisonende vor dem 30. Juni wäre nicht möglich gewesen und darüber hinaus zu spielen, bringt nichts.“Mit Unverständnis reagiert er auf die uneinheitliche Lösung in den Landesverbänden. „Jeder kocht derzeit so bisschen sein eigenes Süppchen, obwohl jetzt Zeit wäre, an einem Strang zu ziehen“.
Dem SV Uedesheim passte ein Abbruch ohne Absteiger selbstverständlich gut in den Kram. Genauso wie die SG Rommerskirchen/ Gilbach und die DJK Gnadental stecken die Uedesheimer nämlich noch tief im Abstiegskampf der Bezirksliga. „Ich bin wahrlich kein Freund von Ungerechtigkeit, aber ich glaube nicht, dass dieses Jahr noch gespielt wird“, sagt Co-trainer Timm Oppermann: „Außerdem wollten wir im Sommer sowieso einen Umbruch machen. Jetzt haben wir eventuell mehr Zeit zu planen.“
Kreisliga A Der BV Wevelinghoven hat sich mit der unbefriedigenden Situation inzwischen arrangiert. „Wir halten uns so gut wie möglich fit. Spieler aus der 1. Mannschaft haben Übungsvideos für die Jugendspieler gemacht, die sie dann nachmachen können“, sagt der Sportliche Leiter Simon Büttgenbach. Aber, fährt er fort: „Wir sind der Meinung, dass man die Saison abbrechen sollte. Man kann die Hygienemaßnahmen nicht umsetzen. Die Gesundheit geht vor. Es stört mich, dass alle Verbände etwas anderes machen. Der DFB hat es verpasst, eine einheitliche Lösung für alle zu finden.“Und weiter: „Auch wenn wir noch aufsteigen können, wir akzeptieren jede Entscheidung.“Marcus Schwarz, Trainer und Jugendleiter bei der DJK Hoisten, hat mit Verwunderung aufgenommen, „dass es noch keine Entscheidung gibt. Langsam läuft uns die Zeit davon“. Seine Meinung steht: „Die Saison sollte abgebrochen werden. Vor allem im Jugendbereich ist es äußerst schwierig. Der Frust wächst und ich fürchte, dass bei einigen Wackelkandidaten nach der Pause die Lust weg ist.“
Ganz schlimm findet Dirk Rohrbach, Vorsitzender des SV Bedburdyck/gierath, in erster Linie, „dass wir im Moment einfach nicht wissen, wie es weitergeht. Die Kaderplanung für die nächste Saison gestaltet sich damit sehr schwierig, weil du auch keinen direkten Kontakt zu den Spielern hast.“Immerhin registriert er froh: „Unsere Jugendspieler sind sehr fleißig. Gerade unsere D-jugend macht viel Online-training. Unsere Senioren haben einen Trainingsplan bekommen.“
RHEIN-KREIS (sit) Im Gespräch mit der Ngz-sportredaktion gibt Kreisvorsitzender Dirk Gärtner Einblicke in die Entscheidungsprozesse im Amateurfußball.
Herr Gärtner, Handball, Basketball, Volleyball, Eishockey, ja so ziemliche alle Sportarten haben als Reaktion auf die Corona-pandemie und die damit verbundenen Beschlüsse der Bundesregierung mit einer Saisonabsage reagiert. Warum tut sich der Fußball so schwer damit, mit einer verbindlichen Entscheidung im Amateurbereich endlich für Klarheit zu sorgen? Dirk Gärtner Um das hier mal klarzustellen: Der Deutsche Fußball-bund kann eine Saison gar nicht abbrechen, selbst der Westdeutsche Fußballverband kann das nur für die Regionalliga. Die Entscheidung, was ab Oberliga abwärts passieren soll, obliegt den einzelnen Landesverbänden.
Aber mittlerweile ist doch fast überall klar, in welche Richtung es gehen soll, haben sich die Vereine im Westen positioniert. Sie wollen, mit Ausnahme des Mittelrheins, den Abbruch. Gärtner Noch befinden wir uns nicht in der Entscheidungs-, sondern in der Informations- und Diskussionsphase, auch wenn das in den sozialen Medien hie und da anders dargestellt wird. Die beiden entscheidenden Fragen sind: Brechen wir ab? Oder führen wir die Saison an einem Zeitpunkt X weiter?
Und jetzt? Gärtner Im Unterschied zu den Basketballern und den Volleyballern ist ein Abbruch der Saison im Fußball satzungsmäßig gar nicht möglich. Würde das der Vorstand des Westdeutschen Fußballverbandes um Präsident Peter Frymuth tun, würde er gegen die Satzung verstoßen und könnte damit in der Folge für von den Vereinen geltend gemachte Schäden persönlich haften. Um einen Abbruch der laufenden Spielzeit herbeizuführen, bedürfte es somit einer Satzungsänderung. Das allerdings wäre nur auf einem außerordentlichen Verbandstag möglich. In Zeiten von Covid-19 müsste die Abstimmung also digital erfolgen. Und ob das ginge, wird gerade juristisch geklärt.
Lange Rede, kurzer Sinn – bis zu einer Entscheidung könnte es noch dauern ... Gärtner Möglicherweise. Ich kann verstehen, dass die Vereine Klarheit darüber haben wollen, wie es weitergeht, aber wir haben ja Zeit, weil wir ohnehin in der Abhängigkeit der Behörden stehen. Sie entscheiden, wann ein Spielbetrieb überhaupt wieder möglich ist.
Wie stehen Sie zum Sonderweg der Fußballer am Mittelrhein, die den Beschluss gefasst haben, die Saison am 1. September fortzusetzen? Gärtner Ein Beispiel: Wir haben Dormagen im Verband Niederrhein und nur 50 Meter weiter Worringen im Verband Mittelrhein. Da frage ich mich ernsthaft, wie soll das funktionieren? Eine gemeinsame und von allen Landesverbänden getragene Entscheidung wäre daher schon sehr wünschenswert. Unterschiedliche Vorgehensweisen fände ich irritierend.