Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Fünf Millionen Glückslose auf Lager
Als „Losbude der Nation“produziert die Firma Team Druck Millionen Gewinnlose und Nieten für die Schausteller auf Deutschlands Kirmesplätzen. Da alle Schützenfeste und Jahrmärkte abgesagt sind, steht die Losmaschine jetzt still.
NORDSTADT Kurz vor Ostern herrscht normalerweise an der Bockholtstraße Hochbetrieb. Die Kirmes-saison steht kurz bevor. Das heißt für Sebastian Otten, Geschäftsführer bei Team Druck: Lose drucken im Akkord. Eine Spezialmaschine sortiert, perforiert, faltet, klebt, mischt und verpackt stündlich rund 20.000 Lose. Im Doppelschichtbetrieb macht das zehn Millionen Blattlose im Jahr.
Aktuell steht die 150.000 Euro teure Losmaschine still. Rund fünf Millionen der fünf mal drei Zentimeter großen Loskärtchen „schlummern“derzeit im Lager – Abnehmer finden sie vermutlich erst im kommenden Jahr. „Keine Kirmes heißt kein Losedruck“, so fasst Sebastian Otten, der Team Druck 1986 gegründet hat, die Auswirkungen der Corona-krise auf sein Geschäft zusammen.
Seit 2010 arbeitet Otten mit den Vereinten Druckwerken, einem Zusammenschuss unterschiedlicher Druckereien, an einem großen Druckerei-standort im Barbaraviertel zusammen, nutzt Synergien und mietet dort Maschinenlaufzeiten. Vor rund drei Jahren hat sich der 57-Jährige auf das Produzieren von Blattlosen, auch Heftlose genannt, spezialisiert – für ihn bislang ein Glücksgriff. „Das war ein Wagnis, das sich gelohnt hat, auch, weil wir ein Alleinstellungsmerkmal haben.“
Deutschlandweit beliefert nach seinem Wissen außer Team Druck nur eine einzige Stuttgarter Druckerei die 32 Schausteller, die mit ihren Losbuden auf Jahrmärkten im ganzen Land unterwegs sind, vor allem im späten Frühjahr, Sommer und Frühherbst. „Dass Corona ausgerechnet Ende März gekommen ist, hat uns und die Schausteller besonders hart getroffen“, sagt Otten. Pünktlich zum Lock-down, kurz vor Ostern also, sei Saisonstart. „Dieses Segment mussten wir auf null fahren“, sagt Otten.
Das Losgeschäft sei kompliziert und top-secret. Wie viele Gewinne sich tatsächlich in einer Lostüte befänden, bleibe auch ihm verborgen. „Jeder Auftraggeber bestellt eine bestimmte Mischung aus Nieten und Gewinnlosen – diesen Zufallsfaktor geben wir vor dem Start in die Anlage ein. Alles weitere erledigt die Maschine“, erklärt Otten.
Die Losmaschine sei normalerweise das ganze Jahr über in Betrieb; das Kirmesgeschäft laufe von Ostern bis Weihnachten. „Als klar war, dass kein Schützenfest stattfindet, haben wir die Anlage abgeschaltet“, sagt Otten, den das Ausfallen des Neusser Bürgerschützenfests besonders trifft: „Erstens bin ich aktiver Schütze, zweitens gehören die Losbudenbetreiber auf der Neusser Kirmes zu meinen Kunden.“
Die bereits gedruckten Lose werden so bald keine Abnehmer finden. Die 35 Mitarbeiter, die Otten gemeinsam mit den Vereinigten Druckwerken beschäftigt, befinden sich teilweise in Kurzarbeit. „Dass dieser Geschäftszweig aktuell lahm liegt, fällt schon ins Gewicht – wir müssen aber positiv denken und neue Märkte erschließen“, sagt Otten.
Das tut er auch gemeinsam mit Ulrich Kramer, Geschäftsführer der Vereinten Druckwerke. Kramers Hauptgeschäft ist der Offset-druck von Katalogen, Plakaten oder Broschüren; Team Druck setzt auf Digitaldruck, fertigt also etwa Rechnungsformulare oder Briefkopfvorlagen an. Gemeinsam haben sie beispielsweise für einen Kunden vom Niederrhein, der Sicherheitsschuhe herstellt, 150.000 jeweils Anleitungen gedruckt.