Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das müssen Vereine wegen Corona beachten
Ein Jurist klärt über die Rechtslage bei Fristen, Finanzen, Versammlungen und Vorstandswahlen während des Kontaktverbots auf.
DORMAGEN Keine Veranstaltungen, keine Feste, aber auch keine Treffen von mehr als zwei Personen: Die Corona-krise hat die Vereine in Dormagen voll erfasst. Wie mit Absagen, Fristen und schwindenden Finanzen umzugehen ist, erläuterte Rechtsanwalt Michael Röcken bei einem zweistündigen Seminar, das das Büro für Bürgerschaftliches Engagement der Stadt mit der Volkshochschule Dormagen veranstaltet hat. Zum ersten Mal wurde es online angeboten – mit großem Erfolg, viele der mehr als 50 Vereinsvertreter aus ganz Dormagen bedankten sich für die „guten Informationen“. Eine Auswahl der Berücksichtigungen.
Schutzverordnung Laut der Corona-schutzverordnung vom 16. April dürfen Vereine keine Sport- und Freizeitaktivitäten anbieten. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldbuße bis zu 25.000 Euro. Auch kleinere Treffen ab drei Leuten in Vereinsheimen sind nicht erlaubt. „Daran sollten Sie sich halten, sonst besteht bei Geldbußen von 1600 Euro eine Haftungsgefahr für den Vorstand“, verdeutlicht Röcken.
Mitgliederversammlungen Ohne Versammlungen kommen einige Vereine wegen Satzungsvorgaben – wie einer vorgeschriebenen Versammlung im ersten Quartal – und überschrittenen Amtszeiten des Vorstands, in Schwierigkeiten mit ihren Statuten: „Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist der Vorstand womöglich unrechtmäßig noch im Amt“, weist Röcken auf ein
Problem hin, das allerdings vom Gesetzgeber mit einer Übergangsregelung bis 31. Dezember 2020 gelöst wurde. Am 27. März wurde ein Artikelgesetz wegen der Covid-19-pandemie erlassen: „Ein Vorstandsmitglied eines Vereins bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.“Ein Satzungsverstoß wegen der nicht rechtzeitigen Mitgliederversammlung werde keine nachteiligen Folgen für den Vorstand haben, der auch keine persönliche Haftung für Raum, Programm oder erneute Einladung übernehmen müsse: „In der Corona-krise haben Sie als Vorstand keine andere Chance, Sie mussten absagen“, so Michael Röcken.
Satzung Der Rechtsanwalt empfiehlt trotzdem, die Satzungen zu überarbeiten und „weiche“Formulierungen wie „Die Mitgliederversammlung soll im ersten Quartal stattfinden“zu nutzen. Und bei festen Amtszeiten in der Satzung sollte noch eine Klausel hinzugefügt werden wie „Der Vorstand bleibt bis zu einer Neuwahl im Amt“. Das gelte ja auch außerhalb der Corona-zeit.
Für Satzungsänderungen ist die Zustimmung der Mitglieder erforderlich. Auch da gibt es eine Klausel, die den Vorstand berechtigt, redaktionelle Änderungen und solche, die aufgrund von Vorgaben von Gerichten oder Behörden erforderlich werden, vorzunehmen.
Anfechtbarkeit Keinesfalls sollte der Vorstand die Mitgliederversammlung in der Zeit des Corona-kontaktverbots trotzdem durchführen. Falls wichtige Beschlüsse zu fassen wären, wären sie alle wegen der Mitglieder, die nicht erscheinen könnten, anfechtbar – vom Verstoß gegen das Kontaktverbot abgesehen.
Virtuelle Versammlungen Die Alternative für tatsächliche Treffen sind virtuelle Mitgliederversammlungen oder schriftliche Abstimmungsverfahren. Dabei müssen die Vereine sicherstellen, dass alle Mitglieder die Möglichkeit haben, an den Online-treffen teilzunehmen – oder vorher ihre Anliegen schriftlich zu äußern. „Die Vorstände müssen ihre Mitgliederstruktur prüfen, ob sie dazu in der Lage wären“, so Röcken. Dabei gehe es um technische Voraussetzungen, einen gesicherten Zugang und darum, ob die E-mail-adressen aller Mitglieder vorlägen. Die Mitglieder müssen informiert, Fristen für Anträge festgelegt, Beschlussvorlagen erstellt und versandt werden. Wegen der Covid-19-pandemie gilt seit Ende März: „Ein Beschluss ist ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die
Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.“
Vorstandssitzungen Beteiligen sich alle Vorstandsmitglieder an einer schriftlichen Abstimmung oder virtuellen Beschlussfassung, ist der Beschluss wirksam.
Mitgliedsbeiträge Die Mitgliedsbeiträge stehen in keinem „Gegenseitigkeitsverhältnis“. Die Mitglieder können daher die Zahlung von Beiträgen nicht mit der Begründung verweigern, der Vorstand oder sonstige Vereinsorgane hätten ihre Pflichten nicht erfüllt. Auch wenn einem Mitglied Rechte, die sich aus seiner Mitgliedschaft ergeben, durch Absagen vorenthalten werden, können Beiträge nicht einbehalten werden. Ebenso gelte, so der Rechtsanwalt: „Die derzeitige Corona-krise ist grundsätzlich kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung der Mitgliedschaft.“
Finanzen Bereits geleistete und vereinnahmte Gebühren und Eintrittsgelder müssen erstattet werden, wenn es keinen Ausweichtermin gibt. „Appellieren Sie an die Solidarität Ihrer Kunden“, rät Röcken, eventuell Gutscheine anzubieten. Auch mit Sponsoren und Zuschussgebern sollten die Vereine über eine Verlängerung, Umwidmung oder Anpassung der Verträge reden. Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss der Vorstand die Insolvenz beantragen. Diese Pflicht ist wegen der Corona-krise bis Ende September ausgesetzt.