Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kritik an Lockerungen wächst
Die Opposition in NRW hält die wachsende Infektionsrate für eine Folge falscher Politik.
DÜSSELDORF (jaco/kib/maxi) Zunehmende Ansteckungsraten haben die Kritik an den Lockerungen in NRW verstärkt. „Es scheint jetzt ein gesellschaftlicher Punkt erreicht zu sein, wo die Lockdown-maßnahmen nicht mehr akzeptiert werden und eine gefährliche Sorglosigkeit Einzug hält“, sagte Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein. Die Risikobereitschaft sei wieder gestiegen. „Das sehen wir etwa daran, wie viele Patienten trotz der Maskenpflicht ohne Maske in die Sprechstunde kommen“, so Funken. Es müsse dringend mehr Schutzbekleidung geben: „Wir verteilen schon Regenponchos an die Ärzte.“
Harte Kritik übte auch die Opposition: „Bayern hat einen R-wert von 0,57. Da zeigt sich, dass die bayerische Regierung mit den Kommunen zusammenarbeitet und auf unabhängige Wissenschaftler hört“, sagte Spd-fraktionschef Thomas Kutschaty. Ministerpräsident Armin Laschet sei von dem Gedanken getrieben, immer der zu sein, der die lautesten Forderungen erhebt. Dabei komme er nicht mehr dazu, NRW bestmöglich durch diese Krise zu bringen: „Das Krisenmanagement von Armin Laschet ist leider eine reine Pr-kampagne geworden.“
Das Robert-koch-institut hatte zuvor bekannt gegeben, dass die Infektionsrate wieder zugenommen habe und bei 1 liege: Ein Infizierter steckt also im Schnitt einen Menschen an. Am 16. April lag der Wert noch bei 0,7. In NRW betrug er 0,8 nach den letzten verfügbaren Daten des Gesundheitsministeriums
vom 24. April. Der R-wert sei nur ein wichtiger Faktor unter mehreren, relativierte das RKI. Auch Neuinfektionen seien entscheidend: Ihre Zahl liege nur noch bei rund 1000 Menschen am Tag. NRW verzeichnete von Montag auf Dienstag 300 neu Infizierte.
Aus Sicht des Grünen-politikers Mehrdad Mostofizadeh ist es beunruhigend, dass nach so kurzer Zeit die Reproduktionsrate wieder steigt. Anders als es Armin Laschet formuliere, dürfe „es jetzt nicht darum gehen, schneller Küchen auszuliefern, sondern Grundrechte, wie beispielsweise die Bewegungsfreiheit, oder Besuche von Angehörigen in Pflegeheimen durch entsprechende Schutzmaßnahmen wieder zu ermöglichen“.